Ruedi Bösch, CEO Toggenburg Bergbahnen AG – Flexibilität wird von den Gästen sehr geschätzt
Die Toggenburg Bergbahnen AG bietet seinen Gästen Entspannung und Naturerlebnis pur und hat dabei die Entwicklung von der reinen Winterdestination hin zum ganzjährigen Tourismusangebot bereits vor Jahren initiiert.
Sie sind seit 2018 Geschäftsführer der Toggenburg Bergbahnen AG, wie war Ihr Zugang zur Bergbahnbranche?
Mit dem Aufwachsen im oberen Toggenburg und der Arbeit meines Vaters bei den Bergbahnen hatte ich schon immer einen Bezug dazu. Nach meiner Lehre als Landmaschinenmechaniker besaß ich technisches Wissen, dass ich dann gut in meiner Tätigkeit ab 2000 bei der Bergbahn einbringen konnte. Berufsbegleitend absolvierte ich 2004 den eidg. dipl. Seilbahnfachmann und ließ mich danach zum dipl. Techniker HF Maschinenbau ausbilden. In dieser Zeit trat ich auch meine neue Stelle im Unternehmen als Technischer Leiter an und schloss anschließend 2015 das Studium als Wirtschaftsingenieur ab.
Wie sehen Sie den Stellenwert des Unternehmens in der Region?
Die Toggenburg Bergbahnen AG bietet bis zu 250 Arbeitsplätze im Tal, ein Teil davon sind auch Aus- und Weiterbildungsplätze in den Bereichen Seilbahnen, Gastronomie und Administration. So trägt das Unternehmen einen Teil zu einem attraktiven Wohnen in der Region bei. Zusätzlich fördert das Tochterunternehmen, die Chäserrugg Sports AG, mit der Race Academy den Skinachwuchs und bietet Freizeitangebote für die Menschen im Tal.
Wie sieht das Angebot der Toggenburg Bergbahnen AG aus, wie viele Bahnen werden betrieben?
Die Toggenburg Bergbahnen AG verfolgt mit den Bahnanlagen und der Gastronomie eine ganzjährige Tourismusstrategie. Zum Gebiet bei den sieben Churfirsten gehören zwei Achsen (Unterwasser – Iltios – Chäserrugg und Alt St. Johann – Alp Sellamatt – Ruestel) mit einer Standseilbahn, einer Luftseilbahn, 10er-Gondelbahn, eine Sessel-Gondelbahn sowie einer Sesselbahn. Ergänzt werden diese Anlagen mit mehreren Skiliften und zwei Kinderländern mit Zauberteppich etc.
„Das Naturerlebnis tritt in Resonanz zur vielfältigen Alpkultur“
Was würden Sie als die großen Pluspunkte im Angebot bezeichnen?
Der Chäserrugg ist der einzige der sieben Churfirsten-Gipfel, der erschlossen ist. Diese natürliche Ruhe trotz oder mit einem touristischen Angebot zu erhalten, ist ein Grundpfeiler der Positionierung. Der Gast kann hier Entspannung finden durch ein ungestörtes Naturerlebnis. Dies wird durch einen Verzicht auf Werbetafeln und entbehrliche Infrastruktur unterstrichen. Das Naturerlebnis tritt in Resonanz zur vielfältigen Alpkultur, die authentisch ohne Inszenierung in der Region gelebt wird.
Durch das Zusammengehören der Bergbahnen und der Gastronomie kann das Unternehmen sehr agil auf die Gästebedürfnisse eingehen beispielsweise im November. Dies ist vielerorts ein klassischer „Zwischensaison-Monat“, am Chäserrugg wird bei guten Witterungsverhältnissen jedoch am Wochenende das Gebiet und die Restaurants für die Gäste geöffnet.
Welche Neuerungen stehen bei der Toggenburg Bergbahnen AG an, woran wird gearbeitet/gebaut?
Diesen Sommer wird die Talstation Unterwasser neu gebaut und die dazugehörige Standseilbahn erneuert. Dieses Projekt wird gemeinsam mit den Architekten Herzog & de Meuron und Studio Noun, Bauingenieuren wie CWZ und Pirmin Jung, Steurer Seilbahnen, Holzbauer und vielen Handwerker-Firmen aus der Region realisiert. Der Bahnhof Unterwasser beinhaltet eine Café-Bar, ein Spezialitätenshop, einen Info-Desk sowie Kassen und Pick up Boxen. Neu gibt es auch eine Haltestelle des öffentlichen Verkehrs direkt bei der Talstation „Bahnhof Unterwasser“.
Dazu wird auf diesen Winter ein Subscription-Modell bei den Abonnements eingeführt. Ab sofort kann der Gast mit dem Chäserrugg Abo zu einem monatlichen Fixpreis uneingeschränkt die Bergbahnen nutzen und von weiteren Vorteilen profitieren. Dieses Abo ergänzt nun das nachfragebasierte Skiticket-System.
Die Toggenburg Bergbahnen AG hat bereits vor mehr als 10 Jahren erkannt, dass ein Wechsel von einer üblichen Skidestination hin zum Ganzjahrestourismus sinnvoll wäre. Wie hat sich das seither entwickelt?
Die vergangene Zeit hat diesen Strategiewechsel nur noch mehr bestätigt. Mit der Strategie des ganzjährigen Tourismus im Chäserrugg Gebiet verschwimmen die Grenzen der Saisons soweit, dass der Gast nicht mehr in getrennten Saisons denkt. Das Frühlingsskifahren ist dafür ein gutes Beispiel: Während auf dem Gipfel die Gäste Skifahren, machen sie auf dem Nachhauseweg noch einen Schwumm im Freibad bei der Talstation. Und im November, wenn früher Zwischensaison und das Gebiet bei jedem Wetter geschlossen war, entscheiden wir heute donnerstags, ob wir am Wochenende einen Betrieb anbieten. Folglich steht das Gästebedürfnis im Zentrum des Handelns. Diese Flexibilität wird von den Gästen sehr geschätzt.
Was sind die größten Umsatzträger?
Die größten Umsatzträger sind Skifahrer respektive Wintersportler, aber auch die Sommer-Ausflugsgäste wie Wanderer und Gastronomieinteressierte. Ganzjährig sind Gruppen eine wichtige Umsatzquelle, die ihren Firmenausflug oder Kundenanlässe bei uns ausrichten. Team Events und Vereinsausflüge sind für das Unternehmen auch ein interessantes Geschäft, da sie mit den gebotenen Programmen wie Führungen, Kulinarik oder Jodelschnupperkursen wetterunabhängig durchgeführt werden können. Dasselbe gilt für die Hochzeiten, die im Sommer fast jeden Samstagabend stattfinden.
Wie sieht die Gästestruktur aus, gibt es Unterschiede in den einzelnen Jahreszeiten?
Die Gästestruktur variiert nicht nur zwischen Winter- und Sommersaison, sondern auch innerhalb der Wintersaison selbst. Der Skigast hat andere Bedürfnisse als der Ausflugsgast, der die Bergwelt ohne Skifahren erleben möchte. Diese unterschiedlichen Ansprüche erfordern eine flexible Anpassung sowohl bei den Mitarbeitenden als auch bei der Infrastruktur, um den Gästen in jeder Situation eine optimale Erfahrung zu bieten.
Wie kann die geschützte Landschaft zum Leben im Toggenburg beitragen, ohne dass sie beschädigt wird?
Welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit im Unternehmen?
Die Nachhaltigkeit hat in den unterschiedlichen Sphären einen hohen Stellenwert für die Toggenburg Bergbahnen. Die Natur im Toggenburg ist unglaublich schön, nicht beengend, die Kulturlandschaft ist Zeuge und Verpflichtung zu gleich. Was als Klischee tönen mag, wird für die TBB eine Leitplanke der Strategie: Wie kann diese geschützte Landschaft mit alle ihren Komponenten und ihrem hohen Grad an Naturbelassenheit zum Leben im Toggenburg beitragen, ohne dass sie beschädigt wird. Da das Chäserrugg Gebiet Teil des Bundesinventars der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (kurz BLN) ist, birgt das BLN-Gebiet eine spannende Herausforderung und zwingt zu einer Qualität in der nachhaltigen Entwicklung.
Die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz hat die Tourismusinfrastruktur-Landschaft Chäserrugg/Toggenburg zur «Landschaft des Jahres 2021» gekürt. Was bedeutet das für das Bergbahnunternehmen?
Die Verleihung des Preises hat uns natürlich unglaublich gefreut und potenzielle Gäste wurden auf unsere Art des sanften Tourismus aufmerksam, die wir bis anhin kommunikativ noch nicht erreicht hatten. Gleichzeitig entstand für zukünftige Projekte eine hohe Erwartung an nachhaltiges Handeln.
Der Preis hat einen spannenden und bis heute anhaltenden Austausch mit der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz angeregt. Dieser Austausch und der damit verbundene Diskurs um Nachhaltigkeit hat positiven Einfluss auf die Projekte und ist Inspiration für die Weiterentwicklung eines sanften, kultur- und naturnahen Tourismus.
Was wurde schon bisher im Bereich Nachhaltigkeit umgesetzt?
Seit 2011 entwickeln wir mit Herzog & de Meuron das Chäserrugg Gebiet weiter. So hat man die Bauten, die erneuerungsbedürftig waren, evaluiert und erneuert mit dem Ziel, den Fokus vom Frequenzdenken zum Gästebedürfnis hin zu verschieben und der Nachhaltigkeit Rechnung zu tragen. Seit 2015 wurden gemeinsam mit Herzog & de Meuron sechs Gebäude realisiert: das Gipfelrestaurant Chäserrugg mit Bergstation, Stöfeli-Gondel-Bahn mit Tal-, Mittel- und Bergstation, der Espel Pavillon und der Bahnhof Unterwasser.
Sind in naher Zukunft weitere Nachhaltigkeitsprojekte geplant?
Weiter ist die TBB an einem Vorprojekt für einen multifunktionalen Wasserspeicher beteiligt, wobei auch die Nachhaltigkeit und die natürlichen Gegebenheiten eine große Rolle spielen. Im Zusammenhang mit dem See wurde eine Studie mit der ETH Zürich umgesetzt, welche nun auch öffentlich zugänglich ist:
https://vogt.arch.ethz.ch/forschungsthema/beschneiungsspeicher-erfassen-analysieren-und-beurteilen/
Was sehen Sie in den nächsten Jahren als größte Herausforderung für das Bergbahnunternehmen?
Wie setzen wir den Resonanztourismus um? Die größte Herausforderung besteht darin, den Gast als Mensch mit individuellen Bedürfnissen wahrzunehmen und gleichzeitig eine nachhaltige Wertschöpfung zu generieren. Das erfordert eine strategische Verankerung sowie eine authentische Umsetzung durch die Mitarbeitenden. Der Gast soll die Bergwelt und Alpkultur authentisch erleben, während die lokale Bevölkerung aktiv an der Weiterentwicklung eines zukunftsfähigen Tourismus teilhaben soll.
lw