Was erwartet sich die Wendelsteinbahn GmbH von der Entwicklung der nächsten Zeit, hofft man auf Umsätze wie vor der Pandemie? Welche Rolle spielt der Energiesektor? Der MOUNTAIN MANAGER hat bei Florian Vogt, GF der Wendelsteinbahn GmbH, nachgefragt.

Mitte Mai wurde 110 Jahre nach der Inbetriebnahme der Wendelstein-Zahnradbahn eine neue Lok ihrer Bestimmung übergeben. Was sind ihre Besonderheiten?
Die Besonderheit der neuen Lok ist vor allem, dass sie schneller fahren kann. Das bedeutet, dass sie auf den Berg und natürlich auch herunter mit der doppelten Geschwindigkeit unterwegs ist wie die alte Lok. Das hat den Vorteil, dass man nun auch Versorgungsfahrten im normalen Betrieb machen kann. Mit der alten Lok mussten wir den Güterverkehr oder auch Baustellentransport immer auf Zeiten außerhalb der regulären Betriebszeiten verlegen. Das hat dann natürlich immer zu Sonderschichten geführt, die man einlegen musste. Das Problem haben wir jetzt nicht mehr. Im Winter wird mit der Lok auch die Schneeräumung gemacht, und da kommt uns dann die höhere, fast dreimal so hohe Leistung zugute. Für den Einsatz heißt das, dass wir auch deutlich kompakteren Schnee bewerkstelligen können. Wir hoffen dann auch, die gesamte Strecke in einem Zug räumen zu können.

Der Wendelstein wird zusätzlich zur Zahnradbahn/Brannenburg durch eine Seilbahn von Bayrischzell aus erschlossen – was sind die Vorteile dieser doppelten Erschließung? Welches System wird mehr benutzt?
Mit der Seilbahn wird das Leitzachtal erschlossen, das schon bisher immer mehr touristisch geprägt war als das Inntal. Anfang der 1970er-Jahre wurde deshalb dort die Pendelbahn gebaut, die auf den Wendelstein führt. Der wesentliche Vorteil der zwei Systeme ist, dass wir mit der Seilbahn immer den Betrieb aufnehmen können. Sollte es vom Wetter her einmal nicht passen und der Seilbahnbetrieb im Laufe des Tages etwa wegen Wind eingestellt werden müssen, sind wir dann mit der Zahnradbahn immer noch in der Lage, die Gäste vom Berg zu bringen. Das bringt uns eine große Unabhängigkeit, was das Wetter betrifft.
Erstaunlicherweise wird die Zahnradbahn häufiger benutzt, und zwar deutlich häufiger. So haben wir im Jahr rund ein Drittel mehr Fahrgäste bei der Zahnradbahn als bei der Seilbahn. Den Grund dafür kennen wir nicht, eine Umfrage zu diesem Thema hat es noch nicht gegeben. Aber scheinbar ist eine Fahrt mit der Zahnradbahn attraktiver als mit der Seilbahn.

Die Einweihung der neuen Lok 5 Mitte Mai 2022. V. l.: Otto Lederer, Landrat des Landkreises Rosenheim, Bayerns Staatsminister für Wohnen, Bau und Verkehr Christian Bernreiter, Dr. Dietrich Gemmel, LEW Vorstand, Florian Vogt, GF Wendelsteinbahn GmbH, Klaus Stöttner, Landtagsabgeordneter für Rosenheim, und Matthias Jokisch, Bgm. Brannenburg.

Die Einweihung der neuen Lok 5 Mitte Mai 2022. V. l.: Otto Lederer, Landrat des Landkreises Rosenheim, Bayerns Staatsminister für Wohnen, Bau und Verkehr Christian Bernreiter, Dr. Dietrich Gemmel, LEW Vorstand, Florian Vogt, GF Wendelsteinbahn GmbH, Klaus Stöttner, Landtagsabgeordneter für Rosenheim, und Matthias Jokisch, Bgm. Brannenburg.

Wie sieht die Gästestruktur aus?
Das hängt von der Jahreszeit ab. Im gesamten Jahr haben wir rund 60% einheimische Gäste. Einheimisch heißt bei uns, dass man im Umkreis von ca. 200 km zur Bahn zuhause ist. Bei diesem Prozentsatz kann man dann auch davon ausgehen, dass es sich um Tagesgäste handelt. Damit sind dann rund 40% der Gäste Touristen, und damit Übernachtungsgäste.

Die Bergstation am Wendelstein. ©Chiemgau Tourismus e.V/Thomas Kujat

Die Bergstation am Wendelstein. ©Chiemgau Tourismus e.V/Thomas Kujat

 

„Das Energiegeschäft ist für die Wendelsteinbahn GmbH ein starker Unternehmenszweig“

 Die Wendelsteinbahn GmbH ist auch ein Energieversorgungsunternehmen, wie hat sich das entwickelt – was bietet man hier an?
Die Wendelsteinbahn GmbH ist seit dem Bau der Zahnradbahn ein Energieversorgungsunternehmen, weil sie immer als elektrische Bahn geplant war. Und weil man zum Betrieb dann die entsprechende Energie gebraucht hat, wurde ein Wasserkraftwerk dazu gebaut. In der Folge hat man festgestellt, dass im Kraftwerk mehr Energie produziert wird, als man mit dem Bahnbetrieb braucht und hat dann auch begonnen, Energie zu verkaufen. Mittlerweile ist das Energiegeschäft für die Wendelsteinbahn GmbH ein starker Unternehmenszweig geworden. Wir besitzen für zwei Gemeinden eine Konzession zur Energieversorgung, das sind Brannenburg und Flintsbach. Als Stromhändler sind wir deutschlandweit tätig und haben auch Kunden im ganzen Bundesgebiet. Energie wird mittlerweile nicht mehr nur durch das Wasserkraftwerk erzeugt, auch Photovoltaikanlagen liefern Strom.

Wie lange sind Sie Geschäftsführer des Unternehmens, wie war Ihr Zugang in die Branche?
Geschäftsführer der Wendelsteinbahn GmbH bin ich seit Herbst 2017. Wie viele in der Branche, denen der Kontakt fast in die Windel gelegt wurde, bin auch ich so aufgewachsen. Schon mein Vater hat für die Wendelsteinbahn gearbeitet und ich habe das Thema, das Umfeld immer spannend gefunden. Ich habe mich dann auch beruflich für diesen Bereich interessiert. Dass ich schlussendlich für die Wendelsteinbahn tätig sein kann, ist ein Zufall – passt aber einfach gut.

Welche Herausforderungen ergeben sich durch die neuen Rahmenbedingungen – Pandemie, Energiepreise etc.
Pandemiebedingt sehe ich eine Herausforderung darin, wie schnell man sich auf neue Gegebenheiten und Marktveränderungen einstellen kann. Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten Jahren keine Rekordzahlen beim Bergbahngeschäft einfahren können. Dazu stellen wir fest, dass Gäste fehlen, die bisher zum Urlaub eingeflogen sind. Die Prognosen sehen da auch nicht so aus, dass sich das kurzfristig erholen wird. Wir stellen und also darauf ein, dass wir uns noch länger auf den lokalen Sektor konzentrieren müssen.
Was die Energiepreise betrifft, haben wir durch unsere Wasserkraft natürlich Vorteile. Wir sind also nicht direkt betroffen. Für das Energiegeschäft ergeben sich aber schon Herausforderungen, weil wir durch die höheren Beschaffungskosten mehr Risiken im Portfolio haben.

Wandern am Wendelstein heißt Naturerlebnis pur. ©Chiemgau Tourismus e.V/Thomas Kujat

Wandern am Wendelstein heißt Naturerlebnis pur. ©Chiemgau Tourismus e.V/Thomas Kujat

Wie sind für die Wendelsteinbahn die letzten beiden (Pandemie)Jahre verlaufen, was erwarten Sie sich von der weiteren Entwicklung 2022/23?
Der Lockdown hat sowohl die Zahnradbahn als auch die Seilbahn betroffen, Fahrbetrieb war nicht möglich. Dadurch hatten wir auch keinen Umsatz. Aufgrund unserer Unternehmensstruktur haben wir auch keine Fördermittel bekommen. In den letzten 2 Jahren haben wir damit die Hälfte des Bergbahnumsatzes eingebüßt. Wir haben in dieser Zeit die Belegschaft in Kurzarbeit geschickt und die Werkstätten umgebaut, damit wir Lohnarbeiten verrichten konnten. Das hat sehr gut funktioniert.
Für die nächste Zeit erwarten wir uns nicht, dass ein Umsatz wie vor der Pandemie erreicht werden kann. Kunden werden eher individuell anreisen, da wird es keine großen Steigerungen geben. Entsprechend werden wir auch unser Marketing ausrichten. Fernreisende, die unsere Region besuchen wollen, erwarten wir weniger.

 

„Bei uns ist für alle Altersgruppen etwas dabei“

Wo liegt der Umsatzschwerpunkt der Wendelsteinbahn GmbH – Winter/Sommer oder ganzjährig?
Der Winter ist bei uns nur eine Nische. Auf den Umsatz bezogen, machen wir 85 % unseres Geschäftes im Sommer.

In den letzten Jahren wurde in das Sommerangebot viel investiert, wie sieht es jetzt aus?
Grundsätzlich möchten wir am Wendelstein eine breite Zielgruppe ansprechen, wir konzentrieren uns nicht auf ein Segment. Wir bieten ein breites Portfolio und sehen, dass es vom Markt angenommen wird. Für Familien haben wir einen schönen Spielplatz und breite, auch für Kinder gut begehbare Wanderwege wie etwa den Panoramaweg oder den Wendelstein-Gipfelweg. Dazu haben wir eine ausgesprochen interessante Schauhöhle mit einer ganzen Menge an Informationen und natürlich unsere breite Bergterrasse, wo man gemütlich Brotzeit machen kann. Es gibt Themenwanderwege der umliegenden Gemeinden, die individuell gestaltet sind. Da ist sicher für alle Altersgruppen etwas dabei.

Ladesäule im Talbahnhof. ©Wendelsteinbahn GmbH

Ladesäule im Talbahnhof. ©Wendelsteinbahn GmbH

Wie lange gibt es die Sternwarte, welche Aufgaben hat sie?
Die Sternwarte wird von der LMU (Ludwig-Maximilians-Universität) München betrieben. Ursprünglich wurde sie als Forschungseinheit für die Luftwaffe in den 1930er Jahren gegründet. Man wollte damals herausfinden, welche Auswirkungen die Sonnenaktivität auf den Funkverkehr hat. Diese Einrichtung hat die LMU nach dem 2. Weltkrieg übernommen und die Forschungstätigkeit weitergeführt. Dazu hat man in ein großes Spiegelteleskop mit rund 2 m Durchmesser investiert, damit man besser nächtliche Objekte beobachten oder auch durch eine internationale Zusammenarbeit nach Planeten suchen kann.

Wie sieht das Angebot im Winter aus, sind Investitionen geplant?
Der Wendelstein ist ein Naturskigebiet ohne Beschneiungsanlage. Wir bedienen hier eine Nische für die guten und sehr guten Skifahrer. Bei unseren Pisten handelt es sich fast ausschließlich um schwarze Abfahrten, die auch nicht immer vernünftig präpariert werden können. Dazu haben wir in diesem Bereich keine großen Aufstiegsanlagen, sondern Schlepplifte. Deshalb ist das Angebot nur für eine kleine Gruppe an Skifahrern geeignet, die bleiben dem Wendelstein aber sehr treu. Viele sind der Meinung, dass man bei uns wenn, dann beim Schlepper ansteht, nicht aber auf der Piste. Da ist man nahezu allein unterwegs, und das wissen unsere Skifahrer auch zu schätzen.
Vor dieser Ausgangslage sind strategische Investitionen in den Winter nicht vorgesehen. Wir kommen mit der Aufstellung unseres Skigebietes sehr gut zurecht, für unsere Zielgruppe ist der Betrieb so gut aufgestellt. Größere Investitionen etwa in eine Beschneiungsanlage oder Seilbahnen wird es nicht geben.

Sternwarte und ehemalige Wetterwarte Wendelstein. ©Wendelsteinbahn GmbH

Sternwarte und ehemalige Wetterwarte Wendelstein. ©Wendelsteinbahn GmbH

Die Benutzung der Aufstiegshilfen/Aufenthalt in der Bergstation ist auch für Rollstuhlfahrer möglich. Seit wann gibt es dieses Angebot?
Dieses Angebot gibt es schon seit Jahren. Ich bin seit 1998 in Brannenburg, aus dieser Zeit kenn ich auch ein entsprechendes Angebot für Rollstuhlfahrer. Man kann mit der Zahnradbahn fahren, auch ein Benutzen der Seilbahn ist möglich. Es wurden immer wieder Investitionen in die Barrierefreiheit getätigt, sodass mittlerweile das Angebot am Berg und auch der Zugang im Tal barrierefrei zugänglich ist.

Worin sehen Sie die größten Herausforderungen für die Zukunft?
Natürlich gilt es zunächst die Herausforderungen der Pandemie zu bewältigen, man muss den Gästen die Angst nehmen, sich zu treffen und miteinander einen schönen Tag zu verbringen. Schwer einzuschätzen sind die Folgen der Ukrainekrise und der damit verbundenen steigenden Energiepreise bzw. die Preisentwicklung. Daraus ergibt sich die Frage, ob es in Zukunft noch so einfach möglich sein wird, Ausflüge in die Berge zu machen. Langfristig ist es natürlich eine große Herausforderung, die junge Generation für die Berge und die Natur zu begeistern. Das wird vielleicht nicht die nächste Generation betreffen, aber die übernächste sicher.
lw