Die 1928 gegründete Kanzelbahn auf die Gerlitzen Alpe (1.911 m) am Ossiacher See ist Kärntens älteste Seilbahn. Die ursprüngliche Pendelbahn wurde 1987 durch eine 4er Gondelbahn ersetzt und besticht heute als einzigartige Kombination aus Berg und See. Dazu kommt ein vom Servicegedanken getriebener Innovationsgeist, der heuer mit dem Ski Guide Austria Award  ausgezeichnet wurde.

 

Manuel zuerst mal kurz zu Deinem Werdegang in die Seilbahnbranche bis zum jetzigen Status Prokurist Gerlitzen- Kanzelbahn.

Ich studierte Wirtschaftsingenieurwesen und lernte da meine spätere Gattin kennen – eine Tochter von Gerlitzen GF Hans Hopfgartner, die wiederum Tourismusmanagement am MCI studierte. Gemeinsam haben wir auf der Gerlitzen 7 Jahre die Gastronomie ausgebaut. Das Zusammenpiel mit dem

Skifahren faszinierte mich so sehr, dass ich schließlich auf der FH in Dornbirn den Hochschullehrgang „Seilbahnmanagement“ absolvierte. Im Mai

2019 mündete dies dann in einen Arbeitsvertrag bei den Bergbahnen mit Prokura.

Die Kanzelbahn in Annenheim führt vom Ossiacher See auf die Kanzelhöhe getreu dem Motto „Vom Badesteg auf den Gipfel“, © studiohorst

Die Kanzelbahn in Annenheim führt vom Ossiacher See auf die Kanzelhöhe getreu dem Motto „Vom Badesteg auf den Gipfel“, © studiohorst

Ihr habt Anfang 2023 den Ski Guide Award Austria für „innovative Ideen und kreative Aktionen“ erhalten. Worum handelt es sich da genau und was bedeutet es für Euch?

Wir waren total überrascht und freuten uns sehr, dass unsere Bemühungen positiv wahrgenommen bzw. honoriert wurden. Unsere oberste Prämisse ist seit Jahren, dass wir an der Begeisterung unserer Kunden gemessen werden wollen. Die bloße  Kundenzufriedenheit ist uns sogar zu wenig. Beim Preis ging es um 3 Punkte: die offensive Öffnungsstrategie während der Covid-19 Pandemie, die Errichtung des neuen, strategisch wichtigen Vierer-Sesselliftes Wörthersee Freeride-Jet (einzige 2022 in Kärnten gebaute Bahn!) an der Weitsicht bietenden Ostflanke sowie den energie- und ressourcenschonenden Ausbau der Beschneiungsanlage mit dreiköpfigen Tridusa-Lanzen von Bächler. Diese kommen mit 90 % weniger Energie aus, erlauben anderseits bis zu 8 l/s Durchsatz und sind vollautomatisch steuerbar. Unsere ganze Hybridbeschneiung (existieren auch Propellerkanonen hier) ist außerdem auf allen 5 Teichen mit Kühltürmen ausgestattet.

Wir sind 2020 nicht mit angezogener Handbremse gefahren, haben uns zu unserem Kerngeschäft bekannt nach dem Grundsatz: uns gibt es seit 1928, wir haben größere Krisen überstanden, werden auch diese bewältigen. Alle Lifte blieben geöffnet, es gab keine Kurzarbeit. Wir haben seit dem ersten Lockdown sogar 20 Mio. Euro investiert, also weiter Gas gegeben. Hatten sogar Tagesgäste aus Wien als Publikum! Die Leute sagen bei Gästebefragungen heute noch, dass sie die Vorgangsweise schätzten, sie hätten die Gerlitzen wieder für sich entdeckt. Das Geschäftsergebnis ist immerhin kostendeckend ausgefallen.

 

Wie ist die Winterbilanz 22/23 bei Euch ausgefallen, nachdem Corona kein Störfaktor mehr war?

Es war eigentlich ein ausgezeichneter Winter, es gab sehr viele positive Rückmeldungen über die USPs, die wir endlich wieder ausspielen konnten, wie wir es wollen – z. B. die „Besten Pisten im Zentrum Kärntens“. Das ist nicht nur ein Slogan, sondern eine Art „Religion“ auf der Gerlitzen. Wir haben die kaufmännische Vorgabe, dass die Pisten so lange bearbeitet werden, bis sie perfekt sind. Seit Jahren ist unterstützend die GPS-Schneetiefenmessung SNOWsat von Kässbohrer im Einsatz, samt dem neuen LiDAR Laserscan-Modul. Damit schonen wir Ressourcen, produzieren dort den Schnee, wo er gebraucht wird und nur so viel, wie notwendig. Bei der Präparierung ziehen wir zwei, drei Extraspuren mit dem Pistenfahrzeug – diese Zeit haben wir vorher im Verschub ja schon eingespart.

Ein weiterer wesentlicher Erfolgsfaktor ist die ausgeprägte Kulinarik der 16 Gastrobetriebe – Stichwort „Genusshütten“. Außerdem war die Schneelage in Kärnten besser als im Westen, ja und auch der Zuspruch von der Mitarbeiterseite her war positiv, also kein Arbeitskräftemangel. Beim Betriebsergebnis haben wir absolut Anschluss an die Vor-Corona-Zeit erreichen können. Heuer investieren wir wieder 5 Mio. Euro in ein neues dreigeschossiges Parkdeck an der Talstation mit 188 Autostellplätzen, um den Komfort weiter zu erhöhen.

Eine von vielen Attraktionen auf der Erlebnisarena Kanzelhöhe ist das Sommer-Tubing der Type Neveplast, installiert von Sunkid., © stabentheiner

Eine von vielen Attraktionen auf der Erlebnisarena Kanzelhöhe ist das Sommer-Tubing der Type Neveplast, installiert von Sunkid., © stabentheiner

Welchen Stellenwert hat das Sommergeschäft bei Euch, welche Entwicklung hat es hier in den letzten Jahren gegeben?

Als traditionsreichstes Seilbahnunternehmen Kärntens seit 1928 kommen wir ja eigentlich aus dem Sommertourismus. Außerdem sind wir bereits seit 2009 als eine der „Besten Österreichischen Sommerbergbahnen“ zertifiziert und haben kontinuierlich in den Sommer investiert, z. B. in die Erlebnisarena auf der Kanzelhöhe mit Sommertubing, Kugelbahn, Kids Bikepark, Bungee Trampolin. Heuer entsteht ein neuer Spielplatz mit Moser Holz-Spielgeräten aus dem Lungau, weitere Schwerpunkte wie Themenwege sind in der Pipeline. Wir wollen uns keinesfalls als Disneyland am Berg positionieren, Erholung in der Natur flankiert von Abwechslung für die Kinder steht im Mittelpunkt. Vom Umsatzanteil liegen wir im Branchenschnitt, es geht aber nicht nur um den wirtschaftlichen Aspekt. Wir wollen unser Gebiet den Leuten niederschwellig und leicht erreichbar zu allen Jahreszeiten näherbringen und den Mitarbeitern eine Ganzjahresperspektive bieten.

 

Hat das Thema Mountainbiken bei Euch zugelegt? Ihr bietet ja eine schwarze Strecke an.

Ja wir haben seit zwei Jahren den sogenannten Prolitzen Trail, das ist ein extremer Trail für eine sehr spitze Zielgruppe und versteht sich als arrondiertes Angebot zum Gesamtangebot „Biken in der Region Villach Ossiachersee / Faakersee“ mit diversen dezentralen Punkten. Interessanterweise haben uns schon immer viele Biker aufgesucht. Zwar nicht die typischen Downhiller, sondern Familien, die mit dem Straßenrad via Gondel auf den Berg kommen und auf den drei vorhandenen Mautstraßen abfahren! Klassische Trails werden eher nicht unser Kerngeschäft im Sommer werden. Die Wanderer, Paragleiter und Familien, die wir jetzt als Zielgruppen am Berg haben, sollen sich immer wohlfühlen können, das wollen wir nicht torpedieren.

 

Was ist Euer USP und welche Strategie verfolgt ihr? Hat es Kurskorrekturen in der Vergangenheit gegeben?

Wir sind der Berg für alle – mit einigen Besonderheiten. Das Sommer-Motto lautet  „Vom Badesteg zum Gipfel“ im Winter wie o. e. „Die besten Pisten im Zentrum Kärntens“ (32 Skiabfahren!). Die Erreichbarkeit ist einzigartig: Autobahnnähe, Busbahnhof, Schiffsanlegestelle, Radwegnetz und eine S2 Bahnhaltestelle in 200 m Entfernung. Aus diesem Grund haben wir heuer eine Kooperation mit der ÖBB umgesetzt. Titel: Freie Fahrt mit Skicard, betreffend alle S-Bahn Linien in ganz Kärnten, wenn man eine Saisonkarte oder Online-Tageskarte vorweist.

Eine andere Strategie ist das Marketing nach innen zur Motivations- und Kompetenzsteigerung der Mitarbeiter – vor allem der jungen Generation. Unser Kurs ist seit 2003 total gästeorientiert, wir haben das Ohr gerne an der Basis und loten die Ansprüche aus – denn wie gesagt die Begeisterung ist das Ziel und der Antrieb. Nur so kann man Power entfalten. Ein Beispiel ist die Vielfalt in unserem Kartensegment: wir bieten ca. 20 Varianten bis zur Punktekarte und 3 Stunden-Karte oder 20 Stunden-Saisonkarte (Pay per Use- Konzept), Schnupper- und Anfängerkarten. Die Leute haben eben verschiedene Anforderungen und diesen müssen wir uns anpassen.

 

Du bist seit Ende Oktober 2020 auch Fachgruppenobmann der Kärntner Seilbahnen. Konntest Du schon Akzente setzen, welche Ziele verfolgst Du?

Ich habe die Funktion während der frühen Corona-Phase von Klaus Herzog übernommen und versucht, die Kollegen bestmöglich durch die Krise zu begleiten. Dann haben wir gemeinsam einen „Leitfaden der Nachhaltigkeit“ für die Kärntner Seilbahnwirtschaft ausgearbeitet. Mein Hauptaugenmerk liegt einerseits darauf in der Öffentlichkeit aufzuzeigen, was unsere Branche in Kärnten sehr gut macht, andererseits will ich Synergien unter den Betrieben und auch Branchen weiter forcieren. Wir müssen darstellen, welchen wichtigen Stellenwert wir haben. Ganz wichtig ist auch die Förderung des Zusammenhalts unter den Kollegen, um die Anliegen bestmöglich deponieren zu können.

 

Wie sieht es mit den Rahmenbedingungen für die Kärntner Seilbahnwirtschaft aus, ermöglichen diese eine erfolgversprechende Entwicklung?

Kärnten ist qualitativ sehr gut aufgestellt, hat Sommer wie Winter die besten Voraussetzungen, hier spielt uns auch das meist bessere Wetter in die Karten sowie die Schneelage. Wir haben viel investiert und große Familienkompetenz sowie Skigebietsvielfalt aufgebaut – im Top-Skipass Kärnten & Osttirol sind z. B. 30 Skigebiete integriert. Wir sind touristisch gut nachgefragt, speziell was die CEE-Märkte betrifft, und erste Anlaufstelle für Kroatien, Serbien und andere aufstrebende Märkte. Die andere Sache ist: wir müssen in den nächsten 5 Jahren ca. 150 Mio. Euro investieren, um den Standort zu erhalten, wie er ist. Die öffentliche Hand sollte das realisieren und die Betriebe in Form von Förderungen unterstützen. Denn Seilbahnen sind ja eine der wichtigsten touristischen Säulen.

 

Beim Thema Energie haben sich die Kärntner Seilbahnen bei einem „Energiegipfel“ geoutet, dass sie regionale Energieversorger werden könnten aufgrund ihrer Infrastruktur. Wie ist hier der Status?

Durch den Wechsel in der Landesregierung nach den Wahlen ist jetzt die Energie- und Raumordnung neu verteilt worden. Die Verantwortlichen wissen genau, welches Potenzial wir bezüglich Selbstversorgung mit Energie aufgrund unserer Infrastruktur haben. Wir würden dadurch kostentechnisch eine Entlastung schaffen und unsere künftige Wettbewerbsfähigkeit erhalten – auch imagemäßig in Hinblick auf die „next generation“. Was machbar ist, haben wir den Branchenkollegen im o.e. Leitfaden samt Potenzialanalysen zugänglich gemacht. Es gibt allerdings zwei  Forderungen, die möglichst rasch umgesetzt werden müssen: Die Kärntner Photovoltaik-Verordnung aus 2003 gehört novelliert, sie erlaubt kein Aufstellen von PV-Anlagen auf der Widmung Grünland/Skipiste. Dies ist de facto eine Benachteiligung gegenüber anderen Branchen, die z. B. auf einer Industriewidmung bei mehr als 50 % Eigenverbrauch sehr wohl PV-Flächen errichten könnten.

Das zweite ist das Thema Wind, wo sich bei den viel zu langen Bewilligungsverfahren bzw. überhaupt in der Einstellung etwas ändern muss. Ich bin überzeugt, dass die Akzeptanz unserer Gäste inzwischen gegeben ist und man Windräder touristisch super in einem Konzept unterbringen kann. Vorbilder gibt es ja bereits (siehe Salzstiegl etc.).

 

Dienen solche Initiativen dazu, den Wintertourismus abzusichern bzw. sollte man auf diese Art der Kostenexplosion beim Strom entgegenwirken?

Es ist sicher auch ein Kostenthema. Die hohen Kosten verhindern aber außerdem, dass wir nachhaltige Lösungen weiter aufschieben. Wir müssen in Hinblick auf die kommenden Generationen einen „Green Deal“ in der Seilbahnbranche zustande bringen. Vieles wurde ja schon erreicht – man denke an die 20 % Energieeinsparung in den vergangenen 10 Jahren – aber dabei sollte es nicht bleiben. Das gute Ergebnis der vergangenen Wintersaison sollte uns nicht darüber hinweg täuschen, dass wir weiteren Handlungsbedarf in puncto nachhaltigen Wintertourismus haben. Künftiges Publikum wird uns immer mehr daran messen.

 

Wir danken für das Gespräch!

mak