Seit gut 10 Jahren ist der aktive Lawinenschutz das zweite Standbein der über 80 Jahre agierenden Wyssen Seilbahnen AG aus Reichenbach (CH) und macht ein Drittel der Aktivitäten aus. Mit der Produktlinie Wyssen Avalanche Control bietet sie heute eines der umfassendsten Programme in der kontrollierten Lawinenauslösung. Allen Wyssen-Lösungen gemein ist das effiziente Prinzip der Überschneesprengung, gepaart mit größtmöglicher Witterungsunabhängigkeit, geringem Wartungsaufwand und hoher Sicherheit.

Mit ihrer Ver fügbarkeit über die gesamte Saison beugen die Wyssen-Lawinensprengmasten einzeln oder im Verbund zuverlässig Lawinengefahren vor: wie hier am Gornergrat in Zermatt.

Berührungspunkte zwischen dem Wyssen-Stammbetrieb und dem noch jungen Zweig Wyssen Avalanche Control gibt es seit vielen Jahren, etwa seit in den Siebzigern Wyssen- Seilkrane verstärkt beim Bau von Lawinenverbauungen eingesetzt wurden und natürlich in der Konstruktion von Lawinensprengbahnen, die noch heute zum Leistungsprogramm des rund 40 Mitarbeiter großen Betriebs zählen. „Diese Erfahrungen aus dem Extremlagenbau und dem Design widerstandsfähiger Stahlkonstruktionen flossen natürlich direkt in die Entwicklung unseres eigenen Lawinenschutz-Programmes,“ erklärt Samuel Wyssen. Gemeinsam mit Geschäftsführer Jakob Wyssen führt der 38jährige Maschinenbau-Ingenieur und begeisterte Alpinist das Familienunternehmen als kaufmännischer Leiter heute in dritter Generation. Hinzu kam die enge Zusammenarbeit mit Lawinenforschern und Geotechnikern sowie mit Praktikern aus öffentlichen und privaten Körperschaften: „Im Laufe der Jahre hat sich die kontrollierte Überschneeauslösung durch großflächige Druckwellen, egal ob mit klassischen Sprengstoffen oder Gasgemischen aus stationären Verpuffungsrohren bzw. heligestützten Zündmechanismen, als effizientestes Verfahren durchgesetzt“, resümiert Samuel Wyssen.Denn eine Lawine ist kein statisches Gebilde, das sich an einer bestimmten Stelle immer wieder gleich aufbaut, sondern sich durch Windoder Temperatureinflüsse ständig verändert. Entsprechend wechseln die ‚Hot Spots’, jene sensiblen Punkte, die man innerhalb der Anrisszonen treffen muss, um die Lawine auszulösen. Überschneesprengungen mit Detonationen um 1 bis 3 Meter über der Schneeoberfläche erzeugen hochfrequente Druckwellen mit großen Wirkradien und erreichen so zuverlässig alle potenziellen Hot Spots. „Unser Ansatz waren zuverlässige Systeme, die in potenziellen Gefahrenzonen alle Anforderungen an Prävention, Sicherheit und Effizienz erfüllen und dabei fürden Betreiber ein Höchstmaß an Wirtschaftlichkeit bieten.“

Kapazitätsgrenzen erreicht: neben dem Bezug hochwertiger Stahlbauteile von angestammten Lieferanten fertigt die Wyssen Seilbahnen AG einen großen Anteil der Schlüsselkomponenten ihrer Lastensysteme und Lawinenschutzprodukte selbst. Im Sommer diesen Jahres wird die Fläche für die moderne Produktion erheblich erweitert.

Lawinenschutz nach MaßInsgesamt vier Systeme umfasst die Wyssen Avalanche Control und bietet damit nach eingehender Vor-Ort-Erkundung eine Lösung für nahezu alle typischen Lawinen- Gefährdungen. „Grundsätzlich setzen wir auf die wetterunabhängige Fernauslösung – nur sie garantiert den zeitgerechten Eingriff ohne Gefährdung des Personals,“ unterstreicht Samuel Wyssen.Neben den fix installierten Wyssen-Sprengmasten leisten das auch der funkferngesteuerte Wyssen-Ladungsabwerfer mit zwei oder vier 5-kg-Sprengladungen zur Effizienzsteigerung klassischer Sprengseilbahnen oder die Avalancheur-Gasdruckkanone. Mit Reichweiten bis 2 000 Metern verschießt das französische System explosive Pfeilgeschosse in besonders exponierte Zonen mit vielen kleineren Anrisszonen. Ein Aufschlagszünder zündet den 2-Komponenten-Flüssigsprengstoff (2,2 kg) im 1,80 m langen Avalancheur-Pfeil, der mit effizienter Überschneewirkung detoniert. Einmal „fest eingeschossen“ arbeitet die fix installierte Avalancheur-Kanone auch ohne Sicht (Dunkelheit, Nebel) und wird damit zur echten und meist einzigen Alternative zu stark wetterabhängigen Heli-Einsätzen. In diesem Licht ist auch der spezifische Avalancheur-Kostenmix aus niedrigen Hardware-Investitionen und vergleichsweise hohen Betriebskosten von rund 400 CHF/Schuss zu bewerten. Zum Vergleich: eine klassische Heli-Abwurfsprengung kann bei normaler Verfügbarkeit des Fluggeräts mit ca. 100 Franken/Schuss angesetzt werden – allerdings bei starken Einschränkungen im All – wetter-Einsatz, der Arbeitssicherheit und letztlich dem Wirkungsgrad der Abwurfladungen. Derzeit sind alleine n der Schweiz ein knappes Dutzend Avalancheure im Einsatz.

Auch ein 4er-Sessel wurde auf Windsicherheit getestet.

Erfolgsprodukt SprengmastenAuch bei ihren Hauptprodukten, den selbst entwickelten Wyssen-Sprengmasten, setzen die Reichenbacher kompromisslos auf Effizienz und Sicherheit, halten dabei dennoch die Kostenseite im Blick. Beide Modelle – der „große“ Lawinensprengmast LS12-5 und der Mini-Sprengmast 4-5 – werden lediglich per 4-Punkt-Felsanker direkt in den Anrisszonen positioniert. Die speziell berechneten Mastkonstruktionen tragen ein Magazin mit meh – reren 5-kg-Sprengladungen. Per Funksignal wird eine Magazinkammer geöffnet, im Fallen zündet die Ladung und detoniert zeitverzögert an einer Halteschnur im definierten Abstand zur Schneeoberfläche. DieDruckwelle erreicht Wirkradien bis 130 Meter und löst zuverlässig die Schneemassen.Der Mini-Sprengmast ist für gut zugängliche Zonen konzipiert und wird entsprechend über eine Elektro- Erdleitung mit Energie versorgt. Das Aufmunitionieren des 4-schüssigen Magazins erfolgt manuell am Berg, die Einzelauslösung der Sprengladungen nach schlüsselgesicherte Aktivierung der Stromzufuhr aus sicherer Entfernung per Handfunksignal.Für exponierte Lagen bietet Wyssen seinen Lawinensprengmast mit Wechselmagazin. Zwölf Ladungen und die vollautarke Solarspeisung gewährleisten eine kontinuierliche Betriebsbereitschaft am Berg meist über die gesamte Saison. Aufmunitioniert wird sicher im Tal, Handling und Transport zu Saisonbeginn und -ende oder im Bedarfsfall übernimmt ein Hubschrauber, wobei die speziell entwickelte Heli-Klinke das Auf- und Absetzen des Magazins am Mastkopf ohne teuren Flughelfer ermöglicht. Im hermetisch abgedichteten Magazin sitzt die gesamte Mechanik, die per codiertem Funksignal über eine PC-Steuerung aktiviert wird. Die Steuerung erlaubt die einfache Vernetzung mehrerer Lawinen- Sprengmasten ebenso wie die Einbindung von Wettersensoren als Entscheidungshilfe für die Sprengberechtigten. Großes Potenzial Insgesamt 117 inzwischen platzierte Lawinensprengmasten – teilweise in Großanlagen mit bis zu 40 Einzelmasten – zeugen vom großen Erfolg der Wyssen-Technologie. „Dort wo unbemannte Sprengsysteme zugelassen sind, sehen wir auch weiterhin ein großes Potenzial für unsere Technik,“ erklärt Samuel Wyssen. „Zumal wir neben der allgemein anerkannten Effizienz immer noch führend im Verhältnis Preis/Leistung sind.“ Weitgehend standardisierte Bauteile und ein vergleichsweise geringer Investitionsbedarf für Montage und Infrastruktur sprechen hier für die Wyssen-Sprengmasten, wobei die „kleine“ Lösung Mini-Sprengmast im internen Vergleich bei rund 50 % der Gestellungskosten eines vollautarken Wechselsystems liegt. Ein ähnliches Bild bei den Betriebskosten: rund 200 CHF/Schuss setzt Samuel Wyssen inklusive aller Kosten für Mann- und Heli- Stunden sowie den umfangreichen Wyssen-Vertragsservice bei den Wechsel-Sprengmasten an, auf durch schnittlich 100 CHF/Schuss kommen die manuellen Mini-Sprengmasten. Und so wird der Anteil der Lawinenschutz-Technologie im Hause Wyssen weiter steigen – nicht zuletzt durch eine intensivere Marktbearbeitung,wie etwa durch den neuen österreichischen Service-Standort Alpintechnik Wolf in Grinzens bei Innsbruck.Schon für den Sommer diesen Jahres ist jedenfalls der Ausbau des rund 2,2 ha großen Stammsitzes Reichenbach um weitere 1 000 m2 Hallenfläche geplant. tb