Prof. Christian Berg ist ein vom Skifahren geprägter deutscher Hochschulprofessor (Uni Clausthal), der sich auf auf vielfältigen Ebenen für Nachhaltigkeit einsetzt. Auf der Österreichischen Seilbahntagung referierte Berg darüber, wie die komplexen Zusammenhänge der Thematik den  Winterport betreffen.

Wie gelingt es, dass möglichst viele Menschen gut leben können, ohne dabei die Zukunft aufs Spiel zu setzen? Und welche Rolle spielt dabei die Wirtschaft? Was können Unternehmen tun, um nachhaltiger zu wirtschaften? Bei der Beschäftigung mit diesen Fragen kommen wir an zwei Tatsachen nicht vorbei: Erstens: Skifahren ist natürlich nicht wirklich gut für die Umwelt. Und zweitens: Wir werden in vielen Bereichen des Wintersports ganz besonders stark vom Klimawandel betroffen sein. Es gibt in Wahrheit keinen Klimaschutz, der sich auswirkt (trotz „Bio“ und aller bisherigen Maßnahmen). Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre geht seit Jahren ständig weiter nach oben.

Um effizient handeln zu können, müssen wir zuerst die Komplexität des Themas sehen und uns auf die Zusammenhänge konzentrieren. Nachhaltigkeit kann nur global, langfristig und integrativ betrachtet werden.

Ein Beispiel: In der Lebenszeit meiner Großmutter (wurde fast 104 Jahre…) hat sich die Bevölkerung auf dem Planeten vervierfacht, die Rohstoff-Entnahme hat sich verachtfacht, der Energieverbrauch verzehnfacht. Dass ein Mensch das erleben konnte, wird es nie wieder geben (können). Diese Zahlen deuten daraufhin, dass wir uns in einer ganz entscheidenen Phase der Menschheit befinden. Wir sehen exponentielles Wachstum in fast allen Bereichen. Es kann aber kein unbegrenztes Wachstum geben auf einem begrenzten Planeten, was die Ressourcen und die Energie bzw. auch die Belastbarkeit der Umwelt angeht.

Unser Motto jetzt lautet ja: Take – make- waste! Wir nehmen Ressourcen, verbrauchen sie und entsorgen sie. Diesen Wahnsinn können wir uns auf Dauer nicht leisten. Wir überschreiten die planetaren Belastungsgrenzen. Die Frage ist: Wo ist der Bereich, in dem wir als Menschheit sinnvoll operieren können?

Prof. Berg gab auf der Österreichischen Seilbahntagung als Keynote-Speaker einen Überblick zum Thema „Nachhaltigkeit – Dimensionen, Entwickungen, Relevanz“. ©mak

Prof. Berg gab auf der Österreichischen Seilbahntagung als Keynote-Speaker einen Überblick zum Thema „Nachhaltigkeit – Dimensionen, Entwickungen, Relevanz“. ©mak

Alles zusammen wird sich nicht ausgehen

Eine Folge ist auch, dass die Biodiversität zurückgeht und ein noch größeres Problem als der Klimawandel darstellt. Eine Million Arten sind derzeit vom Aussterben bedroht. Wir bemerken es teilweise gar nicht – im Gegensatz zum Klimawandel. Eine weitere Grenze sind die biochemischen Stoffströme – also wie viel Phosphor und Stickstoff wir in die Umwelt eintragen. Seit 1960 wurde z. B. maßgeblich durch die Landwirtschaft der Eintrag von Stickstoff verdoppelt und von Phosphor verdreifacht. Das führt zu starkem Algenwachstum.

Nun zum Klima: Wir haben uns zwar in Paris auf das 2 Grad-Ziel geeinigt und was jetzt an Ölreserven noch übrig ist, entsprecht etwa den Zwei Grad. Dann haben wir aber noch kein Gramm Kohle und keinen Kubikmeter Gas verbrannt! Alles zusammen wird sich nicht ausgehen…

Außerdem bedeutet z. B. 1 Grad Klimaerwärmung 20 % weniger erneuerbares Wasser und somit schlechtere Lebensbedingungen und mehr Migration.

Wie sieht es mit dem Umweltbewusstsein aus? 90 % der Deutschen kennen den Begriff „Nachhaltigkeit“ und dass er vielerlei Nutzen bringt. Nachhaltigkeit ist ein wachsender Markt, es gibt viele Labels – das ist auch für den Tourismus von Bedeutung. Das Thema ist gut für die Werbung, aber schwer in der Umsetzung. Und die Politik tut sich auch bei der Umsetzung nicht leicht. Z. B. wurde das Ziel der Senkung der Nitratbelastung wiederholt verfehlt und inzwischen auf 2030 verschoben! Ähnliche Probleme haben wir bei den Klimazielen und der Flächenzersiedelung.

Ein paar „kleinere“ Erfolge gibt es auch, aber mit manchmal zweifelhaftem Ergebnis: Wir haben in Deutschland den Willen zur Kreislaufwirtschaft, das Erneuerbare-Energien-Gesetz aber dadurch leider auch Monokulturen für Energiepflanzen wie Raps (12 % in D) – das bewirkt wiederum starken Rückgang an Insekten (75 % Rückgang verglichen mit 1975). Das hat man nicht vorhergesehen!

Berg: „Alleine der Verbrauch unserer Ölreserven würde 2° C Erwärmung bringen.“

Berg: „Alleine der Verbrauch unserer Ölreserven würde 2° C Erwärmung bringen.“

Wie geht es weiter und was ist zu tun?

Zum Einen: Not macht erfinderisch, das brauchen wir jetzt! Wenn wir annehmen, dass es in Zukunft weniger Schnee gibt und wärmer wird, dann müssen wir uns heute schon darauf einstellen. Die Alpenkonvention z. B. ist ja eine Vereinbarung der Alpenländer und hat das Ziel, ein grünes Wirtschaften im Alpenraum zu erreichen. Es wird also eine Balance zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Natur angestrebt.

Es wird so oder so um mindestens 2 Grad wärmer – auch mit Klimaschutz!

Der Wintersport ist doppelt betroffen vom Klimawandel. Einerseits durch die ökologischen Belastungen wie den Verbrauch von Wasser, Energie und Ressourcen, durch die Stoffeinträge wegen starkem Tourismus sowie durch Landnutzungsänderungen und Gefährdung der Biodiversität. Gleichzeitig macht der Klimawandel Skifahren in niedrigen Höhen (unter 1.800 m) schwerer und könnte ab 2050 unmöglich werden – selbst mit maschineller Beschneiung. Ein Ausweichen in höhere Regionen ist nur begrenzt möglich. Ebenfalls schwer vorhersehbar ist, wie die Touristen dazu stehen werden.

Also letztlich haben wir einen Zielkonflikt zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Umwelt.

Manche Bergbahnunternehmen wie die Schmittenhöhebahn in Zell/See gehen bereits seit Jahren den Weg, sich als umweltfreundlich zu positionieren. 2.v.l. Vorstand Dr Erich Egger. 3.v.l. Ing. Hannes Mayer (Bereichsleiter Technik). ©Schmittenhöhebahn

Manche Bergbahnunternehmen wie die Schmittenhöhebahn in Zell/See gehen bereits seit Jahren den Weg, sich als umweltfreundlich zu positionieren. 2.v.l. Vorstand Dr Erich Egger. 3.v.l. Ing. Hannes Mayer (Bereichsleiter Technik). ©Schmittenhöhebahn

Die Anfahrt ist das Problem beim ökologischen Fußabdruck

Das Skifahren selber ist bei dem ganzen Szenario nur ein Aspekt und was den ökologischen Fußabdruck anbelangt nicht das Schlimmste, sondern die Anfahrt.  Provokant gefragt: Was würde passieren, wenn wir heute alle Lifte schließen? Eventuell würden 40 % der Touristen in die Nachbarländer gehen. Dann ist noch nicht viel gewonnen. Oder es sagen 20 -30 %, ich setze mich in den Flieger in Richtung Kanada. Dadurch würde das Ganze noch viel schlimmer werden! Das soll kein Freifahrtschein für uns sein, sondern soll heißen: wir müssen Lösungen mit Augenmaß anstreben.

In Österreich haben wir ja schon einen sehr guten Anteil der erneuerbaren Energie (Spitzenreiter in der EU). Man könnte darüber nachdenken, ob sich vielleicht der österreichische Seilbahnverband zu 100 % erneuerbarer Energie bekennt! Und daraus eine Marke macht nach dem Motto: Wenn Sie nach Österreich zum Urlauben kommen, dann haben sie 100 % erneuerbaren Strom, einen öffentlichen Nahverkehr, der integriert ist, vielleicht dazu einschlägige Aktionen mit der Hotellerie. Man kann und muss hier sehr viel mehr tun – es ist auch ziemlich attraktiv für die Gäste. Ja, sanfter Urlaub ist ein wachsender Markt! Die Gruppe Alpine Pearls hat sich diesem Segment schon länger verschrieben.

Alle Umweltverbände wie WWF sind extrem kritisch, was das Skifahren angeht, aber es gibt einige Tipps, auf die umweltfreundlich zuzugehen. Umweltfreundlich anreisen, auf den Pisten bleiben – Stichwort Aufklärung, Stichwort Abgrenzung, möglichst nachhaltige Skigebiete wählen, fragen, ob die Liftbetreiber regenerative Energien nutzen. Sich möglichst als umweltfreundlich positionieren.

Auch die Seilbahnbetreiber hätten eventuell die Chance, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Es gibt alleine 2 deutsche Städte (Köln, Bremen), die darüber nachdenken, Seilbahnen aufgrund der Vorteile in der Stadt zu benutzen.

Fazit: Es ist höchste Zeit, sich der Nachhaltigkeit zu stellen – auch weil wir doppelt Leidtragende sind. Es braucht eine Ökologisierung der Wirtschaft und wir müssen langfristig auch über alternative Angebote am Berg nachdenken. Die Kosten des Wirtschaftens dürfen nicht mehr ausgelagert werden auf die Umwelt, auf die Zukunft und auf andere. Die Art und Weise, wie wir gegenwärtig wirtschaften, zerstört unsere Lebensgrundlagen! Der Wirtschaft muss ein angemessener Rahmen gesetzt werden – und das kann langfristig nur global erfolgen.