Der Hype beim Schneeanlagenbau ist vorüber, die Zahl der Anbieter weiterhin groß. Folglich befindet man sich in einer Phase, in welcher der Preis immer wichtiger wird. Denn die Unterschiede bei den Produkten selbst sind marginal. Da muss man schon in anderen Bereichen wie Service, Beratung und Komplettangebot suchen. Die Frage ist, auf welche Zukunft wir zusteuern: zwei, große Anbieterblöcke á la Pistenfahrzeuge und Seilbahnen oder bleibt die Vielfalt. Das könnte der Markt jetzt noch bestimmen. MM-Chefredakteur Dr. Kalchgruber führte dazu ein Interview mit Gemini-Geschäftsführer DI Gerald Reisenauer.

Die neue Doppellanze Gemini Aeros ist bereits am Hintertuxer Gletscher erfolgreich im Einsatz. Schneileistung bis zu 8l/s. Foto: Gemini

MM-Frage: „Herr Reisenauer, wie ist das letzte Geschäftsjahr verlaufen?“Reisenauer: „Unser Geschäftsjahr erstreckt sich jeweils von März bis März. Von 08 auf 09 stellte sich ein leichtes Umsatzplus von ca. 3 % auf 18 Mio. € ein. Wir haben 650 Lanzen und 50 Propellermaschinen abgesetzt, so wie die Jahre zuvor.“MM-Frage: „Was waren die wichtigsten Projekte 2008?“Reisenauer: „Dazu zählen die Aufträge der Zillertaler Gletscherbahnen mit „Frau Holle“-Propellermaschinen und der neuen Areane-Lanze, weiters von den Lienzer Bergbahnen, Tiroler Zugspitzbahnen, Leoganger Bergbahnen, Neukirchen/Großvenediger, Fisser Bergbahnen, BB Veitsch, Liftanlagen Zahmer Kaiser, Unterbergbahnen Kössen, Hopfgarten, Obertauern (Gebr. Krings), in Italien Lizzolla, Brusson, Maniva, Cimone, Ronco Carbon, Melette, Kupres in Bosnien-Herzegowina, Kravavec und Rogla in Slowenien, Krynica und Zielenic in Polen.“

DI Gerald Reisenauer, GF von Gemini in Mürzzuschlag, stellt sich auf eine künftig reduzierte Produktion von Schneigeräten ein. Foto: mak

MM-Frage: „Welche Entwicklung nimmt das laufende Geschäftsjahr, welche aktuellen Projekte stehen an?“Reisenauer: „Bisher liegen derzeit Aufträge von den Bergbahnen Katschberg,Jungholz (Pumpstation), Skischaukel Berwang, Hintertuxer Gletscher (Ausbau), Hopfgarten (Erweiterung), Großarl, Berglift Stuhleck/Semmering, Obergurgl, Braunwald (CH), Muju in Korea (62 Stk. Aeros) vor. Ich schätze, dass es heuer einen allgemeinen Auftrags-Rückgang geben wird, und zwar nicht aufgrund der Wirtschaftssituation, sondern wegen einer gewissen Sättigung einerseits und den letzten zwei relativ kalten Wintern. Man kann auch in den nächsten Jahren im Alpenraum nicht mehr mit den hohen Stückzahlen der Vergangenheit rechnen. Auch der Aufholbedarf in Osteuropa wird daran nichts Wesentliches ändern. Die Nachfrage steigerte sich von 1998 bis 2007 kontinuierlich, seither ist der Hype erreicht. Die großen Investitionen der Seilbahnbranche in der Beschneiung sind getätigt. Wir als Anbieter müssen mit einem reduzierten Bedarf auch leben bzw. uns darauf einstellen können! Wer große Strukturen aufgebaut hat, wird sich schwerer tun, diese zurückzufahren. Aber begonnen haben wir ja alle mit weniger Output und haben auch gelebt!“MM-Frage: „Gibt es einen Lanzenboom bzw. welche Trends können Sie erkennnen?“Reisenauer: „Wir sind jetzt in der Phase des bloßen Abtauschens von den Schneigeräten. Zusätzlich wollen die meisten eine möglichst schlagkräftige und vollautomatische Beschneiung haben. Am liebsten wäre es den Betreibern, alle 50 m einen Turm platzieren zu können, und das möglichst auf beiden Seiten. Kaum jemand kann und will ja mit sehr vielen Schneigeräten manipulieren, daher geht der Trend eindeutig zu fixen Installationen – Lanzen oder Turmmaschinen. Außerdem animiert unser Abschreibungssystem nach 10 Jahren zur Ersatzinvestition. Wer jedoch eine Lanzenanlage betreibt, braucht nach 10 Jahren nicht investieren, weil diese für 30 oder mehr Jahre ausgelegt ist. Dieses Geld kann der Betreiber stattdessen in die Infrastrukur stecken und so am „Image arbeiten“!

Anlieferung der Areane-Lanzen am Hintertuxer Gletscher mit dem Helikopter. Foto: Gemini

MM-Frage: „Trotz der o. a. Sättigung kommen laufend neue Lanzen auf den Markt – siehe Interalpin. Wird dadurch der Verdrängungswettbewerb angefeuert oder haben tatsächlich so viele Typen Platz?“Reisenauer: „Ja, es gibt sicher 30 – 40 Lanzen am Markt. Viele versuchen sich in eine Sogwirkung hineinzubegeben, die längst nicht mehr existiert. Grundsätzlich ist zu bedenken, dass es nicht um die Lanze allein geht, sondern um die ganze Peripherie. Die Lanzen machen nur 20 % vom ?Gesamtpreis einer Schneeanlage aus. Daher ist es auch nicht so ?dramatisch, wenn eine ?Lanze z. B. 10 % mehr kostet. Das sind vom Gesamtinvestitionsbetrag dann nur noch 2 %. Wichtiger für den Kunden ist, einen guten Partner für das komplette System zu finden.Eine Lanzenanlage verbraucht im Vergleich zu einer Propelleranlage wesentlich weniger Energie. Wir liegen mit unseren Gemini ECO sehr gut.Eine weitere Reduzierung des Energieeinsatzes wäre durchaus möglich, aber in der Praxis werden wieder andere Nachteile wie instabiles Schneiverhalten bei raueren Wetterbedingungen oder Vereisungsgefahr und kompliziertere Regelung verstärkt. Aus diesen Gründen treiben wir die Entwicklung in diesem Richtung auch nicht besonders voran.“

Der Pumpstationsbau hat bei Gemini 2008 an Bedeutung gewonnen. Foto: Gemini

MM-Frage: „Wie sieht derzeit eure Lanzen-Produktpalette aus? Welches Gerät ist für welche Anwendung vorgesehen?“Reisenauer: „Wir haben drei Arten von Typen in der Produktpalette: die Gemini Aeros mit Schwerpunkt hohe Leistung im Grenztemperaturbereich (ab 0°C FKT bei 70 % Luftfeuchtigkeit), die Gemini Eco mit Schwerpunkt Funktionalität, Einfachheit, kostengünstig und die neue Gemini Areane mit Schwerpunkt „große Schneemenge“ – sie setzt in der Doppelkopf-Ausführung bis 8 l/s durch. Die Schneier am Hintertuxer Gletscher sind sehr zufrieden mit der Areane und haben bereits wieder nachbestellt. Alle Typen gibt es in der Variante mit zuschaltbaren Düsen und mit Zentralluft oder Rucksack-Kompressor. So kann jeder Betreiber gemäß seinen Prioritäten entscheiden: Preis, Grenztemperatur oder extreme Menge. In vielen Fällen werden die Typen auf einer längeren Piste auch gemischt bestellt, z. B. unten Aeros, oben Areane oder Eco etc.“MM-Frage: „Wie reüssiert die Propellerkanone Frau Holle S20A nach den Optimierungen?“Reisenauer: „Wir hatten früher etwas Imageprobleme mit der damaligen S10 bezüglich Leistungsfähigkeit. Daraufhin wurden Verbesserungen bei der Aerodynamik durchgeführt und die Bedienungseinheit an der Maschine wurde extrem vereinfacht. Die neue S20 ist extrem gut im Grenztemperaturen um die 0° C. Leider konnten wir das beim Schneitest in Lech nicht zeigen, da die Temperaturen immer um die – 10° C lagen. Große Referenzen sind Lienz, Hopfgarten, Hintertuxer GLB oder Kravavec, Kupres, Rogla. Leider dauert es einige Zeit, bis die Kunden uns auch als kompetenten Propellermaschinenhersteller akzeptieren. Aber es wird von Jahr zu Jahr besser.“MM-Frage: „Wie entwickelt sich der Bereich Pumpstationsbau?“Reisenauer: „Der Pumpstationsbau hat sich bei uns weiterentwickelt, 15 – 20 Projekte werden jährlich schlüsselfertig abgewickelt. Wir haben am Sektor Hydraulik bereits viel Know-how aufgebaut und kommen deswegen immer häufiger als Generalunternehmer zum Zug. Vor allem unsere Detailplanung, die hydr. Auslegung, unsere große Erfahrung und die hochwertigen Komponenten sowie professionelle Montage garantieren Pumpanalgen mit hohem, langem Nutzwert. Wir erwirtschaften damit ein Drittel vom Gesamtumsatz.“

Die optimierte S20 „Frau Holle“ als Turmlösung in Großarl. Foto: Gemini

MM-Frage: „Wie erleben Sie die derzeitigen Prozesse am Beschneiungsmarkt unter den Anbietern? Ist ?die Entwicklung „kundenfreundlich“ und „nachhaltig“?Reisenauer: „Ich bin der Meinung, dass die Weitsichtigkeit bei den Kunden in punkto offene Steuerungssysteme oft nicht gegeben ist. Dadurch begibt man sich in Abhängigkeit von einem Anbieter, die mit uns nie passieren könnte. Denn Gemini setzt nur ein offenes System mit einer standardisierten Industriesteuerung ein, die jeder Techniker weltweit bedienen und servicieren kann. Damit lässt sich jeder Schneeerzeuger steuern. Solche Bindungen entsprechen eigentlich nicht dem Zeitgeist“MM-Frage: „Der Preisverfall dominiert doch seit Jahren die Schneiszene. Ist das nicht ruinös auf Dauer?“Reisenauer: „Das ist eine ganz normale wirtschaftliche Entwicklung, eine kaufmännische Tatsache. Wenn die Produktattraktivität hoch und die Anzahl der Hersteller klein ist, kann man natürlich einen besseren Verkaufspreis erwirtschaften als jetzt. Wir setzen hier eher auf Service, Wartung und Beratung. Global wollen und können wir nicht mitspielen, dafür gezielt in Österreich und angrenzenden Alpenstaaten bzw. Osteuropa. Wir müssen uns nicht auf einen ruinösen Preiskampf einlassen und könnten dank unserer Firmenstruktur auch mit kleineren Stückzahlen existieren.“MM: „Herr Reisenauer wir danken.“