200 begeisterte Teilnehmer am 17. TFA (TourismusForum Alpenregionen) vom 27. bis 29. März 2006 in Ischgl gaben dem Branchengipfel Höchstnoten. Forumsgründer Roland Zegg sorgte diesmal unter dem Tagungsmotto „Vertical Design“ für viel Inspiration und zündende Ideen. Man blickte angesichts diverser touristischer Herausforderungen über die gängige Phase der horizontalen Kooperationen hinaus und präsentierte Lösungen aus der vertikalen Dimension der Kooperation. Dies wird immer bedeutender, zumal der Gast nur mit einem integrierten Ferienerlebnis zufriedenzustellen ist. Dazu bedarf es jedoch der konstruktiven Vernetzung innerhalb der Wertschöpfungskette einer Destination.

Der studierte Betriebswirtschaftler Hermann Scherer eröffnete den Reigen der TFA-Referate mit seinem kurzweiligen Beitrag über das „Design des unternehmerischen Erfolges“.

Der Themenbogen am 17. TFA spannte sich von „Design des unternehmerischen Erfolges“ über „Das weiße Gold – wer soll das bezahlen?“ und „Architektur am Berg“ bis „Kraftakt: Markendesign und Strukturwandel“ bzw. „Vertical Integration“.Hermann Scherer eröffnete den Reigen der Referate mit „Design des unternehmerischen Erfolges“. Um heute noch registriert zu werden brauchen wir „Begegnungen im episodischen Gedächtnis“, da alle Leute bereits zuviel Information im Kopf hätten. Aber sie würden dafür bezahlen, Spaß zu haben. Um sich Erfolg zu schaffen, sollte man sich fragen: „Was ist das Problem daneben, das es zu lösen gibt (z. B. Skifahren und Ski-Schleppen). Dadurch steige die Wertschöpfungskompetenz. Heute mache die Produkt-Emotion meist den Wert aus – und die gelebte Begeisterung der Mitarbeiter. Es gelte täglich am Unternehmensdesign zu arbeiten, um ein „positives Vorurteil“ dem Produkt gegenüber zu erzeugen.

TFA-Gründer Dr. Roland Zegg, Geschäftsführer der Tourismusberatung „grischconsulta“ in Chur, konnte 200 Teilnehmer am 17. TourismusForum der Alpenregionen in Ischgl begrüßen. Fotos: mak

Wer soll das Weiße Gold bezahlen?Der nächste Block war der Finanzierung der Beschneiung gewidmet. Flims-Laax-Falera und auch die Engadiner Gemeinden finanzieren heute bereits die Beschneiungsanlagen ihrer Bergbahnunternehmen. Silvia Casutt, Gemeinderatspräsidentin in Falera und Verwaltungsrätin in der Weissen Arena AG, erläuterte für erstere das vorbildliche Modell „Finanz Infra AG“ (5 Mio. AK, davon 20% Weisse Arena, 80% 3 Gemeinden) und Jon Domenic Parolini, seines Zeichens Gemeindepräsident von Scuol und Verwaltungsrat der BB Motta Naluns, für letztere das Modell „Bodenerlöskonto“ der Bürgergemeinde. Allerdings musste zuvor das Schneemachen als „service public“ akzeptiert werden und die Einsicht bestehen, dass die hiesigen Bergbahnen eine regionalwirtschaftliche Bedeutung haben. Schließlich muss das Image der Bahnen in der Bevölkerung gut sein und alles zusammen in einem politischen Willen münden. Statt hoher Zinsen für die Banken sehe man den Effekt der Wirtschaftsförderung in der Region, gesicherte Beschneiung und ein besseres Rating für die Bahnen, die somit andere Investitionen vorziehen können, betonte Casutt. Nicht zuletzt steigere sich dadurch die touristische Attraktivität. Umgekehrt wurde die Weisse Arena Bergbahnen AG verpflichtet, über 25 Jahre alle Beschneiungsanlagen zu pachten sowie den Betrieb/Unterhalt der Beschneiungsinfrastruktur auszuführen. Auch Zinsaufwand und jährliche Amortisationskosten müssen die WAB berappen. Andererseits reduziert sich das Fremdkapital durch diese Lösung um 14,8 Mio. Franken.Für Österreich, das in den letzten 10 Jahren 100 Mio. Euro in die Beschneiung investierte, dachte schließlich Helmut Lamprecht laut über einen „Beschneiungscent“ nach und präsentierte verschiedene Wege aus Vorarlberg, Kärnten oder Tirol. Von einem Patentrezept hielt er nichts. Allerdings sei das Bewusstsein der Nutznießer an der „Schneeversicherung“, welche fast immer ausschließlich die Bergbahnen bezahlen, noch nicht genug ausgeprägt. Andererseits müssten sich die Bahnen fragen, ob sie ein Mitsprache-/Einspruchsrecht der Mit-Zahler akzeptieren würden, wie es bei Zuschüssen, Beiträgen oder Förderungen durch Dritte üblich ist?

Wer soll die Beschneiung bezahlen? Die Referenten (v. l.n. r.) Dr. Helmut Lamprecht (GF der Tiroler Fachgruppe der Seilbahnen), Moderator Zegg, Silvia Casutt (Gemeinderätin Flims und Vorstand Weisse Arena AG) und Dr. Jon Domenic Parolini (Gemeindepräsident Scuol) standen anschließend am Podium Rede und Antwort.

Architektur am BergAls Referenten zum zweiten, spannenden Schwerpunkt „Architektur am Berg“ beeindruckten das Publikum:
– Valentin Bearth: „Alpine Interventionen“- Matteo Thun: „Nachhaltigkeit – Gedanken zur touristischen Belastbarkeit im Alpenraum“- Bettina Plattner-Gerber: „Architektur als Wegbereiter für Emotionen und Erlebnisse – das Beispiel Hotel Castell Zuoz“- Manfred Jäger: „Pardorama Bergrestaurant in Ischgl, erbaut auf Permafrost“- Heinz Julen/Christen Baumann: „Orbit 4000 – Revolutionäre Ausbauprojekte auf dem Klein Matterhorn“.Abgesehen von den theoretischen Inputs wurden außergewöhnliche Bauten und Projekte vorgestellt wie das „dreampeak“ auf dem Klein Matterhorn. Die Macher dieser extra-orbitalen Schöpfung, Heinz Julen (Künstler) und Ueli Lehmann (Architekt), sehen darin vor, die bestehende Infrastruktur auf dem „kleinen Bruder des Matterhorns“ mit unterirdischem Zugang zum Gletscherpalast, attraktivem Restaurant sowie Übernachtungsmöglichkeiten zu ergänzen. Die wirklich atemberaubende Neuigkeit des „dreampeak“ liegt jedoch in der Erstellung zweier Aussichtsplattformen, welche mit Vertikalliften erschlossen werden – eine liegt direkt über dem Gletscher, die andere auf einer schwindelerregenden Höhe von 120 Metern über dem Berggipfel auf exakt 4 000 Metern über dem Meer!Ebenfalls außergewöhnlich war das Beispiel „Pardorama“ in Ischgl, das auf Permafrost mittels Hydraulikzylindern errichtete Bergrestaurant, sowie das neue Hotel Castell in Zuoz. Die Vertikale wurde augenscheinlich…

Architekt Manfred Jäger realisierte das Bergrestaurant „Pardorama in Ischgl“ mit großen Glasund Fensterfronten, das auf Permafrost erbaut ist. Es bietet neben einem Bedienungsrestaurant auch einen einzigartigen Kongress- und Veranstaltungsbereich in 2620 m Höhe.

Markendesign und Strukturwandel – Südtirol sticht Graubünden ausDer zweite Forumstag startete mit dem Vortragsblock „Markendesign und Strukturwandel“ und ließ die Funken sprühen! Dabei zeigte sich, dass man als Nachbarn mit denselben Herausforderungen konfrontiert ist.„Beim Strukturwandel ist darauf zu achten, dass die (Dach-)Marke von den Produktträgern konsequent getrennt wird, sagte Christoph Engl, Direktor der Südtiroler Marketing Gesellschaft (SMG), welche unter der Dachmarke Südtirol (mit gebündelten Mitteln) Obst, Milch, Speck und Urlaub verkauft. Engl will mit dem Genussland Südtirol einen Platz in den Top-10- Marken Europas erreichen. Südtirol setzt somit um, was in Graubünden möglich wäre – so die Erkenntnis bei der TFA-Podiumsmdiskussion.Dem gegenüber äußerte sich der Ischgler Alfons Parth, Obmann des fusionierten Tourismusverbandes Ischgl-Paznaun, kritisch zu (Zwangs-)Strukturreformen. Zwar sei dank des Zusammenschlusses mit Galtür, Kappl und See im Paznaun eine Erhöhung der Marketingmittel um EUR 2 Millionen auf EUR 5,5 Millionen möglich geworden, jedoch werde Ischgl dadurch in seiner Entwicklung und als Zugpferd massiv abgebremst.Auch Gerhard Föger, Leiter der Tourismusabteilung des Landes Tirol, forderte, dass bei hoheitlichen Reformen vermehrt auf lokale Werte und bestehende Tourismusstrukturen eingegangen werden müsse. Dennoch glaubt er an den langfristigen Erfolg der Bündelung der Marketingmittel (100 Mio. € für Tirol), zumal Lenkung von oben auch Unterstützung für die Kleinen garantiere.Auch in der Schweiz sind solide Voraussetzungen für einen erfolgsversprechenden Strukturwandel vorzufinden, war Guglielmo Brentel, Präsident von Hotelleriesuisse, in seinem Referat „Warum die Schweizer Hotellerie trotzdem gewinnt“ überzeugt. Die weltbekannte Schweizer Markenlandschaft sei eine einmalige Chance, eine Trendwende bei den stagnierenden Logiernächtezahlen herbeizuführen. Die Tourismusverantwortlichen hätten es nun selbst in der Hand, aus diesen Rahmenbedingungen das Beste zu machen und einen gemeinsamen Nenner (respektive Verkauf) zu finden.Vertical Integration im Tourismus – die neuen Goldgruben Der letzte Vortragsblock war dem Aspekt „Vertical Integration im Tourismus“ gewidmet. Unter diesem Credo stellen viele prominente Referenten ihre Gedanken und Geschäftsmodelle vor – z. B. der Laaxer Querdenker Reto Gurtner seine neue Produktstrategie zur Alpenarena „designed by customers“. Oder Christoph Bründl (GF der Intersport Bründl Gruppe), welcher die Emotionalisierung und Integration im Sporthandel nach dem Motto „no business without showbusiness“ erläuterte. Oder Albert Wyler, der zeigte, wie die Engelberg-Trübsee-Titlis AG neuerdings Skipass, Disco und Zimmerschlüssel aus einer Hand verkauft. Last but not least beschrieb der Forumsgründer Dr. Roland Zegg, wo die neuen Goldgruben des alpinen Tourismus liegen und wie sie entdeckt werden können. In diesem Zusammenhang griff er den hochaktuellen Reisetrend des Cheap&Chic auf und erklärte, woher er kommt und wohin er führt. Eindrückliche Vergleiche von Best-Practice-Betrieben, die schon seit Jahren (nicht zuletzt dank vertikaler Integration) mit Erfolg im Budget-Segment in der Schweiz operieren, würden die Wachstumschancen gegenüber der traditionellen Hotellerie unterstützen. „Die Tourismusberatung grischconsulta sieht in der vertikalen Integration die größten Chancen, das Hochpreisland Schweiz im internationalen Wettbewerb fit zu halten und empfiehlt den Bergbahnen, in Low-Budget-Unterkünfte zu investieren“, schloss Zegg das 17. TFA.Das 18. TFA wird übrigens vom 19. bis 21. März 2007 stattfinden. mak