Vom 27. September bis 1. Oktober 2005 trafen sich rund 450 Experten aus Europa, den USA, Indien, Marokko oder Hongkong zum 9. Weltseilbahnkongress in Innsbruck. Im Mittelpunkt der Referate und Diskussionen standen dieses Jahr nicht nur technische Highlights, sondern vor allem auch die touristische Entwicklung in den Berggebieten, die eng mit der Seilbahnbranche verbunden ist.

Dr. Horst Kühschelm, Präsident der O.I.T.A.F. Fotos: dwl

In der „Internationalen Organisation für das Seilbahnwesen“ O.I.T.A.F. mit Sitz in Rom sind derzeit 31 Staaten weltweit vertreten. Gegründet wurde sie 1959 in Mailand, wobei sich ihre Mitglieder zum Ziel setzten, „Seilbahnbetreiber, Seilbahnhersteller und staatliche sowie regionale Behörden, aber auch alle im Seilbahnwesen tätigen und interessierten Institutionen und Personen an einem Tisch zusammenzubringen, um die anstehenden Probleme des Seilbahnwesens zu diskutieren“. Dazu werden in regelmäßiger Folge Seminare über technische und wirtschaftliche Themen und alle 6 Jahre der Weltseilbahnkongress organisiert. Entsprechend groß war daher auch das Interesse von Experten und Entscheidungsträgern aus 26 Nationen am diesjährigen Meeting, das in Innsbruck abgehalten wurde. Thematisch wurde zu dieser Veranstaltung der Bogen weiter gespannt als bisher üblich. Dazu Dr. Heinrich Brugger, Generalsekretär der O.I.T.A.F.: „Bei diesem Kongress wurde zum Unterschied zu anderen Tagungen die touristische Komponente besonders  hervorgehoben.Das Organisationskomitee hat im Gegensatz zu den Themen der vorangegangenen Tagungen neben rein technischen Aspekten speziell auf wirtschaftliche Bereiche Wert gelegt, die insbesondere auch die im Tourismus tätigen Experten interessierten. Daher wurden auch all jene Personen angesprochen, die im Bereich der Tourismusorganisationen, in den Gemeinden und überall dort tätig sind, wo es um die Zukunft des Winter- aber auch Sommerfremdenverkehrs in Skigebietsorten geht.“
 
Die Eröffnung der Tagung, die in Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch simultan übersetzt wurde, nahmen Ministerialrat Dr. Horst Kühschelm als Präsident der O.I.T.A.F., Österreichs Vizekanzler Hubert Gorbach und Tirols Landeshauptmann Dr. Herwig van Staa vor. Für Innsbruck übermittelte Bürgermeisterin Hilde Zach Grußworte, für den Österreichischen Seilbahnverband Dr. Ingo Karl und für die FIANET Präsident Dr. Sandro Lazzari. Die europäische Einbindung erfolgte schließlich durch den EU-Repräsentanten Daniel Brunch. In ihren Ansprachen hoben sie unisono die Bedeutung der O.I.T.A.F. und ihre Bemühungen hervor, alle Experten zu unterschiedlichen Themen zum Gespräch zusammenzuführen.

Visionen, Trends und Lifestyle erörterten (v. l.) Dr. Erik Wolf, GF FV der Seilbahnen Österreichs, Reinhold Messner, Vizekanzler Hubert Gorbach, Georg Lamp, GF Congress Innsbruck, und Dr. Ingo Karl, Vorstand FV der Seilbahnen Österreichs.

Trends und LifestyleDas Impulsreferat zu dieser Thematik lieferte Reinhold Messner, Grenzgänger, Autor und Bergbauer, der durch viele Erstbegehungen und die Besteigung aller 14 Achttausender seine besondere Beziehung zur Bergwelt aufzeigte. Da die größten Seilbahnhersteller der Welt aus Österreich und Südtirol kommen würden, hätten diese Länder auch eine Vorreiterrolle im verantwortungsvollen Umgang mit den Bergen inne. Grundsätzlich sprach sich Messner dafür aus, all jene Gebiete, die bereits touristisch erschlossen wären, den Gästen auch entsprechend zugänglich zu machen. Großraumerschließungen in unberührten Regionen lehnte er hingegen kategorisch ab.David Bosshart, Gottlieb Duttweiler Institut für Wirtschaft und Gesellschaft, Zürich, ortete 6 wesentliche Trends:
Information ist überall erhältlich.
Alles wird immer billiger.
Real Time ist überall.
Erfolgsfaktoren sind künftig weiblich besetzt.
Suche nach dem Echten wird wichtiger.
Unterhaltung gibt es überall.

Seilbahnen-Hersteller und -Betreiber stellten interessante Projekte aus Österreich, Südtirol, der Schweiz und Frankreich vor.

Als Konsequenz dieser Entwicklungsspirale näherten sich die Tourismusmärkte immer mehr dem Finanzmarkt an, wobei die immer größere Konkurrenz einen immer größeren Preisdruck erzeuge. In Zukunft werde es daher darum gehen, Kunden als Partner wahrzunehmen und mit Hilfe aller Möglichkeiten immer besser zu unterhalten. Martin Lindstrom, Experte für Markenbildung, New York, präsentierte den Einfluss der Kinder auf Kaufentscheidungen der Erwachsenen. Aus dem gänzlich anderen Blickwinkel, den Kinder haben, entwickelte er ein Jugendmarketing der Zukunft, das vor allem stabile Werte, Humor, Markenironie, Fantasie und Liebe beinhalten müsse. Peter Keller, Staatssekretariat für Wirtschaft/Chefressort Tourismus, Bern, stellte der Anziehungskraft der Berge zwar noch immer ein gutes Zeugnis aus, warnte aber vor dem Verblassen des Mythos. Die Freizeitgesellschaft sei heute hypermobil, daher seien auch Entwicklungen wie der Hang zu immer mehr Attraktionen, der Trend zu großen Unternehmungen oder Tourismus als Teil der Erlebniswirtschaft nicht mehr rückgängig zu machen. Als wichtigen Schritt müsse es in der Zukunft gelingen, den „Traum vom Paradies“ wieder zu erfinden. Andreas Reiter, Future Office, Vienna, untersuchte die Auswirkungen von Freizeit-Trends und Lifestyle auf Skigebiete und kam zum Schluss, dass es künftig eine größere Differenzierung der Skigebiete, ein diversifiziertes Portfolio und eine touristische „Champions-League“ geben werde. Das Motto würde lauten: maximum kicks in minimum time. Dazu würden im Kundensegment Kinder und „Greying Agers“ an Bedeutung gewinnen (vgl. dazu Meinungsinterview auf S. 6 ff.).
Visionen und SkihallenRobert G. Cooper, Product Development Institute Inc., Hamilton, Kanada, stellte in seinem Vortrag die Rolle neuer Produkte & Dienstleistungen für Betriebswachstum und Wohlstand in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Dabei konnte er belegen, dass sich nur die besten Innovationen am Markt positionieren würden, 40 % der neuen Dienstleistungen würden fehlschlagen. Grundsätzlich komme es nämlich  nicht nur auf das Produkt selbst an, sondern auf exakt abgestimmte Rahmenbedingungen und positive Werte, die letztendlich zu größerer Kundenloyalität und höheren Kapitalerträgen führen würden. George Vialle, Transmontagne, präsentierte den SkiDome Dubai als ein Skihallenprojekt der Superlative. Im neuen Teil Dubais platziert, wird man dort nicht nur die Möglichkeit zum Wintersport haben, sondern eine ganze Reihe an Unterhaltungsangeboten nutzen können. So wird es allein auf einer Fläche von 2 400 000 m2 Geschäfte geben, dazu Restaurants und 14 Kinos. Für den Winterbereich hat man eine moderne Beschneiungsanlage gebaut, einen Sessel- und einen Schlepplift und ein modernes Ticketsystem installiert. Die Eintrittspreise decken nicht nur den reinen Zutritt ab, sondern inkludieren Ausrüstung und Versicherung. Berechnet wird mit rund 1,5 Mio. Besuchern im Jahr.

Martin Leitner gab erste Infos zum Bau der Nordkettenbahn in Innsbruck.

Seilbahnsysteme – quo vadis?Als Einstieg in die technischen Themen präsentierten Hersteller und Betreiber 4 interessante Aufstiegsanlagen. Als Leitner-Refer enzprojekt wurde die 2S-Bahn „Piz la Villa“ vorgestellt. Die Vorzüge dieses Bahntypus hatten sich im Vorfeld gegen jene einer EUB bzw. einer Pendelbahn durchgesetzt. Den Ansprüchen der Betreiber kamen dabei die hohe Förderkapazität, die Überbrückung hoher Spannfelder sowie Komfort und Windstabilität entgegen. Als Aushängeschild der Skiregion Savoyen und des Herstellers Poma wurde der „Vanoise Express“ präsentiert, der Les Arcs und La Plagne miteinander verbindet. Diese Pendelbahn punktet mit der Realisierung von zwei unabhängigen Strecken, die im einspurigen Pendelbetrieb geführt werden. Schlüsselpunkte in der technischen Durchführung waren die Anordnung der Seile, die Gestaltung der Stationen und doppelstöckigen Kabinen sowie das integrierte Bergesystem, deren Rückführungsbetrieb durch einen 3. Antrieb sichergestellt wird. Für Garaventa schickte man die Kombibahn 4 MGD/4 CLD Alt St. Johann – Selamatt ins Rennen. Die Betreiber wissen hier zu schätzen, dass die Wahl der Fahrbetriebsmittel je nach Witterung erfolgen kann und damit eine optimale Steuerung der Gästeströme möglich wird. Kitzbühel und Doppelmayr wussten mit der Weltneuheit 3S-Bahn zu überzeugen, die 2 Skigebiete verbindet und ein Tal überquert. Mit dieser Bahn wurde extremen Geländeanforderungen Rechnung getragen, dazu konnte eine ganze Reihe technischer Gustostückerl wie Kabine mit Glasboden, die Überbrückung eines 2 500 m langen Spannfeldes oder ein innovatives Bergekonzept realisiert werden. Wohin die technische Entwicklung geht bzw. welche Projekte gerade realisiert oder geplant werden, zeigten die Leitnergruppe und Doppelmayr/Garaventa in einem kurzweiligen Projektquerschnitt. Für Leitner steht die Nordkettenbahn zur Realisierung an, die in 3 Sektionen gebaut werden wird. Als Beispiel einer urbanen Bahn hatte Martin Leitner Daten und Fakten zur 2S-Bahn Hongkong mitgebracht. Dazu gab es einen Überblick über die wichtigsten Entwicklungsschritte kuppelbarer Leitner- Anlagen sowie einen Blick auf die Mini-Métro, die gerade in Perugia fertig gestellt w ird. Poma präsentierte den fixgeklemmten 4er-Sessellift der Skihalle Dubai, der über eine interessante Winkelstation mit innovativem Klemmenkonzept verfügt. Dazu waren die unterschiedlichen Anforderungen im Bereich von Bahnmodernisierungen und als Beispiel einer urbanen Bahn die „MetroCable Medellin“ in Kolumbien Thema.
Doppelmayr/Garaventa gewährte Einblick in das Bergesystem der 3S-Bahn in Kitzbühel, das auf einem Abschleppen der Kabinen  zur Station beruht. Um das zu gewährleisten verfügen Berg- und Talstation über je 2 Bergewagen mit 2 Bergewinden. Der Antrieb, der im Tragegerüst platziert wurde, erfolgt mit eigenem Dieselmotor. Ausgesprochen erfreuliche Verkaufserfolge kann die Sitzheizung für sich verbuchen. Nach der Einführung und Erprobung bei 5 Sesselbahnen in Vorarlberg, kann man schon nach der 1. Saison eine beachtliche Nachfrage verbuchen: Österreich 17 Realisationen, Schweiz 1, Slowakei 1, Rumänien 2, Korea 2. Hinterfragt wurde dazu die Praxistauglichkeit einer neuen Brandschutznorm prCENTR, die kein Kunststoff erfüllen könne. Dazu stellte Dipl.-Ing. Christoph Heidegger Versuche mit CEN-konformen Rollenbatterien und das Rope Position Detection-System (RPD) vor. Dieses System ist in der Lage u. a. einen Seilverlauf aus der Rille, eine verlorene Rolle oder eine Seilentgleisung über den Fangschuh zu erkennen, sodas s der Bahnbetrieb rechtzeitig gestoppt werden kann. Installiert wurde das System mittlerweile 62 Mal. Schließlich stellte Alessandro D’Armini noch eine Idee seines Vaters, Prof. Ing. Pietro D’Armini, vor: eine Seilbahn über die Straße von Messina, als Verbindung zwischen Sizilien und dem italienischen Festland. Neben den technischen Herausforderungen würde das Projekt zwar mit einem finanziellen Aufwand von 47 Mio. Euro zu Buche schlagen, doch wäre diese Seilbahn „nicht nur eine der beeindruckendsten Touristenattraktionen, sondern auch ein Musterbeispiel der Möglichkeiten heutiger Technik“.dwl