Die Jungfraubahn-Gruppe kann nach dem Rekordjahr 2008 mit dem höchsten Verkehrsertrag und Cash Flow der Geschichte auch auf ein erfolgreiches erstes Semester im Krisenjahr 2009 zurückblicken. Die Top-Marke der Schweiz erntet die Früchte einer langfristigen Strategie. Trotz der Finanzund Wirtschaftskrise investieren die Jungfraubahnen gezielt in zukunftsgerichtete Projekte mit hohem Kundennutzen. Die Hauptattraktion, das 3454 Meter hohe Jungfraujoch „Top of Europe“ besuchen bereits über 600.000 Personen jährlich. Urs Kessler, seit nunmehr 2 Jahren Vorsitzender der Geschäftsleitung, hat diese Entwicklung über 20 Jahre maßgeblich mitgeprägt.

Die Idee einer Bahnstrecke auf die Jungfrau kam dem bedeutenden Schweizer Industriellen Adolf Guyer-Zeller 1893. Eröffnet wurde die höchste Bahnstation Europas auf 3’454 m am 1. August 1912 nach 16 Jahren Bauzeit.

MM-Frage: „Herr Kessler, Sie sind seit einem Jahr Vorsitzender der Geschäftsleitung der Jungfraubahn Holding AG. Wie sieht Ihr Werdegang in der Branche aus, welche Funktionen und Aufgaben haben Sie bisher ausgeführt, welche Ausbildungen absolviert?“Kessler: „Ich arbeite seit 1987 mit Leidenschaft für die Jungfraubahnen, seit 1993 als Leiter der Marketingabteilung. Vor zwei Jahren wurde ich zum Vorsitzenden der Geschäftsleitung gewählt. Nach dem Abschluss der Handelsschule absolvierte ich Ausbildungen zum Betriebsdisponenten, Marketingplaner, Marketingleiter sowie eine Ausbildung in Unternehmensführung (SKU). Auch während eines Sprachaufenthalts in Oxford habe ich wertvolle Erfahrungen sammeln können.“

Bei der Firstbahn wurde der Erlebnisberg First markant ausgebaut mit First-Flieger (im Bild), Alpenspielplatz auf Bort und Trottibike-Fahrtenin Grindelwald- First mit demEiger im Hintergrund. Fotos: Jungfraubahn Holding AG

MM-Frage: „Schildern Sie bitte kurz die Highlights der langen Geschichte der Jungfraubahnen bzw. in jüngerer Vergangenheit auch der Holding AG.“Kessler: „Der Zürcher Eisenbahnpionier Adolf Guyer-Zeller plante 1893, eine Bahn auf den Gipfel der Jungfrau zu bauen. Nach anfänglichen Finanzierungsschwierigkeiten wurde die Jungfraubahn 1912 eröffnet. Sie führt ihre Gäste von der Kleinen Scheidegg zum Jungfraujoch auf 3454 Meter über Meer. 1936 wurde das Sphinx-Observatorium eingeweiht. Einen Tiefschlag erlebte die Jungfraubahn, als 1972 das Berghaus niederbrannte. Dieses wurde später wieder aufgebaut. Die aktuelle Unternehmensform basiert auf der Gründung der Jungfraubahn Holding AG im Jahr 1994. Zwei Jahre später wurden die Aktien der Gruppe an der Schweizer Börse kotiert. 2004 fusionierten die Jungfraubahn Holding AG und die Bergbahnen Grindelwald First.“MM-Frage: „Die Jungfraubahn hat bekanntlich einen sehr hohen Marktanteil in Asien (60 %). Wie haben Sie diese Positionierung seinerzeit aufgebaut und auf welche Besonderheiten bzw. Bedürfnisse muss man achten, um in diesem Segment erfolgreich sein zu können?“Kessler: „Wir verfolgen klar eine langfristige Strategie und setzen diese konsequent um. Wir wollen nicht nur kurzfristiges Wachstum, sondern langfristig Vorteile. Das Krisenjahr 2009 läuft für uns bisher erstaunlich gut. Wir verzeichnen zwar einen Einbruch bei den Gruppenreisen. Neben der Wirtschaftskrise hält auch die Schweinegrippe viele Asiaten davon ab, nach Europa zu reisen. Mit Sonderaktionen, die vor allem auf einheimische Gäste zielen, können wir aber einen großen Teil des Einbruchs kompensieren. Zudem machen viele Leute wegen der Wirtschaftskrise Tagesausflüge in unsere Region statt mit dem Flugzeug ins Ausland zu reisen. Im ersten Semester diesen Jahres erzielten wir einen Gewinn von 8,2 Millionen Franken. Damit liegen wir nur knapp unter dem Halbjahresergebnis 2008, in dem wir einen Rekordgewinn erzielten.“

Interviewpartner Urs Kessler arbeitet seit 20 Jahren bei der Jungfaubahn und ist seit 2 Jahren Vorsitzender der Geschäftsleitung.

MM-Frage: „Das wichtigste eurer 6 Standbeine ist das „Jungfraujoch – Top of Europe“. Wie haben sich hier die Besucherfrequenzen entwickelt und hat sich das Marketing bzw. auch die Attraktion selbst verändert?“Kessler: „In den letzten Jahren besuchten ständig mehr Menschen das Jungfraujoch. Dieses soll aber ein exklusives Ausflugsziel bleiben. Wir setzen nicht auf Quantität, sondern auf Qualität. Deshalb haben wir in diesem Jahr entschieden, dass nicht mehr als 5000 Besucher pro Tag zum Jungfraujoch hochfahren. Im Hinblick auf das Jubiläum „100 Jahre Jungfraubahn“ im Jahr 2012 werden wir dafür sorgen, dass die Reise aufs Jungfraujoch noch spannender und erlebnisreicher wird.“

Um den vielen indischen Gästen Rechnung zu tragen, gibt es auf dem Top of Europe das indische Restaurant Bollywood

MM-Frage: „Ihr habt auch Funsport-Akttivitäten im Angebote wieden First Flieger (Europapremiere Dez. 2008) oder Trottibike. Was kann man sich darunter vorstellen und wie werden sie angenommen? Was waren die Beweggründe?“Kessler: „Wer auf dem First Flieger am Seil mit 80 km/h durch die Luft saust, erfährt einen Adrenalin-Schub. Es hat sich gelohnt, dass wir diese Attraktion als Erste in Europa anbieten. Die Leute haben mächtig Spaß und die Nachfrage ist riesig. Auch das Trottibiken von Bort nach Grindelwald zieht viele Gäste an. Beide Angebote sprechen jüngere und ältere Menschen an. Unser Ziel ist es, den Leuten ein Erlebnis zu bieten: Geschwindigkeit vor einer herrlichen Bergkulisse.“

Im Eispalast

MM-Frage: „Was steckt hinter der Vision „10 Monate Hochsaison?“Kessler: „Das Wachstumspotenzial in der Hochsaison – zu Weihnachten und Neujahr, im Februar, Juli und August – ist gering. Wir haben aber im Herbst, Dezember und Frühling ein großes Potenzial, dass ich vermehrt nutzen möchte. Einen Schritt in die richtige Richtung machen wir mit der Starnacht, einem Schlagerevent, der in der Nebensaison zusätzliche Gäste anziehen wird und als Winterauftakt dient. Auch der erstmalige Event „Interfolk Jungfrau“ entwickelt sich positiv.“

Auf dem Jungfraujoch, dem „Top of Europe“ erschließt sich dem Besucher eine Welt aus Eis und Schnee. Zu den Attraktionen gehören die Sphinx-Aussichtsterrasse mit Observatorium, der Eispalast, eine Tonbildschau, Skilift, Hunde – schlittenfahrten und verschiedene Restaurants

MM-Frage: „Welche Masterpläne gibt es für das Jubiläumsjahr 2012?“Kessler: „Das Jungfraujoch wird herausgeputzt. Wir haben viele tolle Projekte lanciert. Es ist aber noch zu früh, diese zu verraten. Uns ist wichtig, dass wir den Schwung aus dem Jubiläumsjahr mitnehmen. Deshalb planen wir weitere Attraktionen.“

Adventure Top of Europe: Disk Run

MM-Frage: „Wie sehen Sie allgemein die Zukunftstrends und Entwicklungsperspektiven Ihrer Destination bzw. auch schweizweit? Welche Rolle wird der Heimmarkt spielen?“Kessler: „Die Jungfraubahn und das Jungfraujoch sind ein nationales Gut, auf das wir stolz sind. Unser Ziel ist, dass jede Schweizerin und jeder Schweizer mindestens einmal aufs Jungfraujoch reist. Wir sprechen die einheimischen Kunden mit gezielten Aktionen an. Es ist ein Markt, der vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wichtig ist, weil dann viele Schweizer die Ferien in ihrer Heimat verbringen.“MM-Frage: „Sie halten auf dem 7. MM-Symposium einen Vortrag mit dem Thema „Fit für die Zukunft“. Was wird die zentrale Aussage sein?“Kessler: „Die Markenpolitik ist eine langfristige Strategie. Eine Top-Marke ist kein Zufall, sondern das Resultat jahrelanger, konsequenter Investitionen in Produkte und Marke. Statt nur an kurzfristiges Wachstum zu denken, sollte man sich langfristig Vorteile erarbeiten.“MM-Frage: „Last but not least: gibt es aktuelle News von Bahn-Bauten bzw. Investitionen im Wintersport- Bereich? etc.“Kessler: „Wir werden im Dezember eine neue 6er-Sesselbahn einweihen (1740 m Länge, Förderleistung: 1800 P/h, Fahrzeit 6 min. 39 sek.). Diese bauen wir direkt unterhalb der Eigernordwand. Als erste Sesselbahn der Schweiz wird die „Eigernordwand“ mit orangen Hauben, sogenannten Orange Bubbles, ausgerüstet. Auf keiner anderen Bahn werden die Menschen die Faszination, die von der Eigernordwand ausgeht, stärker spüren. Die Sesselbahn Eigernordwand verbindet neu die Station Arvengarten mit dem Eigergletscher und rundet damit das Pistenkarussell Kleine Scheidegg-Eigergletscher-Lauberhorn ab. Gleichzeitig verfolgen wir konsequent unsere Wintersport-Strategie 2020 – dabei werden u. a. die Beschneiungsanlagen im Gebiet Kleine Scheidegg-Eigergletscher vervollständigt.“MM: „Herr Kessler wir danken für das Gespräch!“