Die Arosa Bergbahnen blicken heuer auf bewegte 75 Jahre Geschichte zurück. Aus dem ehemaligen Transportunternehmen wurde ein leistungsfähiger Komplettanbieter in Sachen Tourismus am Berg, der sich mit einem großen Engagement in Beherbergung und Gastronomie erfolgreich im internationalen Markt positioniert. Seit 2001 führt Direktor Thomas Gurzeler die Arosa Bergbahnen. Der gelernte Bauingenieur und Betriebswirt verfolgt eine konsequente Qualitätsstrategie in gästeorientierten Bereichen seines Unternehmens.

Thomas Gurzeler, Direktor Arosa Bergbahnen, fördert die Qualität und Motivation seiner Mitarbeiter in der Gästebetreuung. Foto: tb

MM-FRAGE: „Im zurückliegenden Jahr begingen die Arosa Bergbahnen ihr 75jähriges Jubiläum. Welches waren aus Ihrer Sicht die markantesten Entwicklungsschritte und wie sehen sie Ihr Unternehmen heute aufgestellt?“Gurzeler: „Unsere Anfänge lagen ganz klar im Personentransport mit Bussen und Raupen im Dorf sowie im Umland. Recht früh ab Mitte der vierziger Jahre kamen dann die Skilifte hinzu, vor allem weil bereits früh der Ausbau der Hotellerie in Arosa einsetzte. Das Unternehmen entwickelte sich danach Schritt für Schritt weiter, der Schwerpunkt lag allerdings noch rein auf dem Bahnsektor. In einer zweiten Stufe kamen einige Gastrobetriebe hinzu, die jedoch teilweise noch von Dritten betrieben wurden, wie zum Beispiel die Hörnlihütte oder die Sattelhütte, die zum Skiclub gehörten. Der große Entwicklungsschritt in der Unternehmung, die echte Verbreiterung der Basis also, erfolgte eigentlich erst in den letzten Jahren. Die eigene Gastronomie wurde etwa zwischen 1980 und 2000 ausgebaut, der nächste Schritt kam dann um die Jahrtausendwende mit der Beherbergung. Zunächst wandelten wir das ehemalige Kurhotel Florentinum zu unserem heutigen Backpacker-Hotel Mountain-Lodge mit fast 300 Betten um. 2002 kauften die Bergbahnen das Hotel Hohenfels, das bis heute in zwei Schritten zum Drei-Sterne-Angebot ausgebaut wurde. Als ehemaliges 100-% Transportunternehmen erwirtschaften wir heute nicht einmal mehr 60% des Umsatzes mit den Bahnen – der Rest kommt aus den Nebenbetrieben und unseren Liegenschaften, vor allem den Personalwohnungen, mit denen wir alleine 1 Million Franken nur an Mieteinnahmen umsetzen.“

Wohlfühldestination: Bewusst setzt Arosa nicht nur auf Sport und Thrill – der gute Generationenmix unterstreicht die erfolgreiche Strategie. Fotos: Arosa Bergbahnen

MM-FRAGE: „Wie verteilt sich das „Jahresgeschäft“ für Ihr Unternehmen?“Gurzeler: „Der Winter ist eindeutig die Cash-Cow des ganzen Jahres, da erwirtschaften wir am meisten. Speziell im Bahnsektor liegt der Winteranteil bei etwa 94 bis 95% auch die Hotellerie am Ort ist dann sehr gut ausgelastet. Die Wintersaison dauert etwa bis Ostern, dann reißt es trotz unserer Schneesicherheit allerdings immer sehr stark ab, bis etwa Mitte/Ende Juni, wenn die ersten Hotels wieder öffnen. Der Sommertourismus hat sich allerdings in den letzten Jahren stabilisiert. Die letzten drei, vier schönen Sommer brachten für unser Unternehmen eine Steigerung von 15%, was auch auf das ,All-Inclusive’-Sommerprogramm in Arosa zurück zu führen ist. Die Steigerung gilt allerdings nicht für die Beförderungseinnahmen, die blieben konstant. Allerdings ist der Bahnbetrieb im Sommer sehr wichtig für unsere eigenen und die Gastronomiebetriebe am Ort. Wir selbst öffnen im Sommer nur noch zwei Restaurants unmittelbar an der Weisshornbahn – diese haben dann allerdings volle Auslastung und Kostendeckung. Auch die anderen Betriebe am Berg, etwa die Hörnlihütte, machen gute Sommerumsätze. Und für die Hotellerie am Ort ist das Sommergeschäft angesichts unserer kurzen Winter-Hochsaison auch sehr wichtig. Mit dem Sommerbetrieb der Bahnen stützen wir also die Betriebe, die wir im Winter brauchen – insofern ist er für mich auch eine Art Marketinginstrument.“MM-FRAGE: „Wie stellt sich Ihre Gästestruktur dar? Welche Gäste erreichen Sie im Winter, wer verbringt wie in Arosa den Bergsommer?“Gurzeler: „Grundsätzlich ist Arosa keine Tagesdestination, das ,Tagesgeschäft’ macht nur etwa 6 bis 10% unseres Umsatzes aus. Wichtig für uns ist der Wochenendgast, also Freitag bis Sonntag, und natürlich die Wochenaufenthalte. Dabei haben wir für die Wochenenden erfreulich lange Vorbuchungenund unsere typischen Wochenurlauber in Arosa kommen oft zwei bis drei Mal pro Jahr, wohl gemerkt Hotelgäste – keine Ferienwohnungsbesitzer. Unser Haupteinzugsgebiet ist recht groß. Die Mehrheit kommt aus der Schweiz und dem süddeutschen Raum. Aber auch aus weiter entfernten Großstädten, wie Berlin oder Hamburg, kommen viele unserer Gäste, aber das liegt stark an der Gruppenund Alterstruktur respektive an den zur Verfügung stehenden Mitteln. Im Winter sind wir eine echte Familiendestination. Für uns ist sehr wichtig, dass die Familie möglichst lange zusammen bleibt. Das war zum Beispiel der Grund, warum wir sehr viel in den ganzen Snowboard-Bereich investiert haben. Wir haben einen der größten Freestyle-Parks, wir haben natürlich eine Superpipe und so weiter. Wenn wir das nicht anbieten würden, dann reisen die Jungen bereits mit 16, 17 Jahren in andere Orte und bleiben nicht bei der Familie. Interessant ist, dass diese Jungen im Erwachsenenaltermit der eigenen Familie nach Arosa zurück kommen. Allerdingsfehlen sie uns dazwischen, also im ,wilden’ Segment 20 bis 28 Jahre, hier sind wir anscheinend nicht attraktiv genug. Wir haben aber auch sehr viele ältere Gäste. Dieses Segment bearbeiten wir speziell: heute zahlen über 75jährige bei uns Jugendpreise, wir ,schenken’ ihnen gewissermaßen 60 Jahre. Auch im Sommer machen die älteren Gäste einen großen Anteil aus, der Schwerpunktliegt aber wieder auf den Familien und den 30–35jährigen in Erholungsferien. Die wichtigste Aktivität ist das Wandern, wobei jedoch auch unser ,All-Inclusive’-Angebot mit freier Nutzung aller Bahnen und der Aroser Freizeiteinrichtungen bei allen Altersgruppen gleich erfolgreich ist. Wir waren damit Vorreiter in der Branche und tatsächlich ist das Angebot leicht zu kommunizieren.“

Familie wird in Arosa großgeschrieben: wer einmal hier war, kommt mit den eigenen Kindern wieder.

MM-FRAGE: „Mit zahlreichen eigenen Nebenbetrieben decken die Arosa Bergbahnen einen Großteil der Aufgaben im Technischen Betrieb und in der Gästebetreuung selbst ab. Was steckt hinter diesem Ansatz?“Gurzeler: „Ganz klar die Qualität. Wir können in der ganzen Dienstleistungskette die gleiche Qualität anbieten, sie sehen das ja unter anderem an unserer Auszeichnung mit dem Qualitätsgütesiegel Stufe II des Schweizer Tourismus. Grundsätzlich gilt: alles, was direkt mit dem Gast zu tun hat, machen wir selbst, das wird nicht outgesourct. Das gilt für den direkten Empfang und die Betreuung an der Bahn, in der Gastronomie und unseren Hotels, aber auch für die technischen Leistungen bei Pisten und Bahnen, die verantwortlich für Komfort und Sicherheit unserer Gäste sind. Entsprechend hoch sind unsere Investitionen in die Qualität unserer Mitarbeiter. Wir haben für unsere rund 60 Jahresmitarbeiter und 220 Saisonangestellten ein Patensystem eingerichtet, in dem verschiedene Jahresangestellte für die Ausbildung und Führung von 8 bis 12 jungen Saisonniers zuständig sind. Schwerpunkt ist dabei ist dabei neben der fachlichen Qualifikation natürlich vor allem das korrekte und freundliche Auftreten gegenüber dem Gast in allen Bereichen. Der Erfolg zeigt sich darin, dass wir zum wiederholten Male im Benchmarking der internationalen Gästebefragung Mountain-Quality-Check Bestnoten in den Bereichen Erscheinungsbild, Mitarbeiterkompetenzund Freundlichkeit erhielten. Aber es gibt noch ein anderes Argument: wir fördern Ausbildung und Motivationunseres Personals branchen- und bereichsübergreifend. Die Zusammenarbeit unserer Mitarbeiter aus Gastronomie, Hotellerie, Mechanik und Verkauf wird dadurch vor allem auf der Führungsebene gezielt verbessert. Gleichzeitig erhöht sich die Vielseitigkeit und Einsetzbarkeit des Einzelnen, wovon wir im Unternehmen direkt profitieren. Wir sparen Personal und müssen keine Reserven vorhalten – wenn mal jemand ausfällt wird das übergreifend organisiert. Und deshalb haben wir trotz mehr Betrieben und größerer Organisation heute weniger Mitarbeiter, dafür aber ein hoch motiviertes Personal.“MM-FRAGE: „Ungewöhnlich groß ist Ihr Engagement im gastronomischen Bereich. Neben den eigenen Hotels betreiben die Arosa Bergbahnen gleich vier Bergrestaurants in Eigenregie. Welchen Stellenwert hat dieses Engagement und welche Entwicklungen sind hier zu erwarten?“Gurzeler: „Die Berggastronomie ist ein ganz wichtiger Image-Punkt für uns als Bahn und überhaupt für Arosa. Man kommt ja nicht zu uns, um superweit und lange Ski zu laufen. Unser guter Ruf liegt im guten Hüttenverhältnis, und der hochwertigen Gastronomie begründet. So haben wir grundsätzlich nur bediente Bereiche, denn Selbstbedienung ist für mich keine Qualität. Unser größtes Restaurant, die Tschuggenhütte, spricht dabei alle Generationen und Interessen an. Vom Standard-Restaurant mit großem Tellerset, über die Raclettestube bis hin zu unserem ,Mountain- Mac’ für die jungen und schnellen Esser findet jeder seinen Anspruch erfüllt. Das gilt auch für die Außenbereiche, die wir in Ruheräume, in Spielzonen für die ganz Kleinen und etwas lärmigere Bereiche für die Jungen gegliedert haben. Unsere anderen Betriebe bieten höhere Gastronomiekultur, mit dem feineren Restaurant im Gipfel, der Sattelhütte mit einheimischen Spezialitäten oder der Brüggerstuba mit ihrem umfangreichen Pasta-Angebot. Was uns noch fehlt, ist der Ausbau des Weisshorn-Gipfelrestaurants. Es wurde 1994/95 ja nur erneuert, ist damit eines der ältesten Restaurants und im Raumangebot einfach nicht mehr zeitgemäß.“

Der Siegerentwurf „Cappa“ des Züricher Architektenbüros Tilla Theus vereint Praktikabilität und futuristische Formgebung für das neue Weisshorn-Gipfelrestaurant.

MM-FRAGE: „Zur Realisierung des Projekts haben Sie einen Architekten-Wettbewerbausgelobt. Das jetzt vorgestellte Siegerprojekt ,Cappa’ hat viel Aufsehen erregt. Was zeichnet den Entwurf aus und wie geht es mit der Realisierung voran?“Gurzeler: „Wir sind natürlich heute stolz, dass wir mit Tilla Theus ein renommiertes Architekturbüro beauftragen konnten. Nach der Bekanntgabe des Siegerprojekts haben wir jedoch zunächst wie alle anderen selbst erst mal gestaunt. Tatsächlich nutzt das Cappa-Projekt die Fläche am Gipfel am besten aus und erfüllt alle unsere Raumvorgaben. Sämtliche gastbezogenen Bereiche liegen auf einer Ebene, was einem rationellen und personalarmem Betrieb entgegen kommt. Zusätzlich wird alles in einem zentralen Komplex zusammengefasst. Gegenüber der ehemaligen Gipfelverbauung mit mehreren Gebäuden ist das jetzt auch ein wichtiges Aspekt für den Natur- und Landschaftsschutz. Wir sind jetzt voll in der Projektierungsphase und möchten im nächsten Sommer mit dem Bau beginnen. Wenn es ganz optimal läuft, könnten wir bis auf Teile des Innenausbaus auf den nächsten Winter fertig sein. Auf jeden Fall wird das alte Restaurant erst abgerissen, wenn das neue fertig ist..“MM-FRAGE: „,Arosa schneesicher’ ist einer der Slogans im örtlichen Tourismusmarketing. Wie die zurückliegenden Winter und auch der aktuelle Saisonstart zeigt, sind auch Sie auf die ,Schneeversicherung’ der technischen Beschneiung angewiesen. Wie ist der derzeitige Ausbaustand?“Gurzeler: „Wir können im Moment etwa ein Viertel unserer Pistenfläche beschneien, für den weiteren Ausbau der Beschneiung auf etwa 60% müssen wir allerdings die Wasserversorgung sichern. Der geplante, vom Volk verabschiedete und bereits ausgeschriebene Neubau eines Speichersees ist jedoch im letzten Moment an unerwarteten geologischen Problemen gescheitert. Wir haben jetzt einen neuen geeigneten Standort gefunden, allerdings auf dem Grund der Bürgergemeinde Chur, auf deren Bescheid wir in den nächsten Wochen warten. Dann muss der gesamte Instanzenweg nochmals durchschritten werden. Ich hoffe, dass wir noch im nächsten Sommer mit dem Bau des rund 50 000 m3 großen Reservoirs beginnen und ab Sommer 2008 unsere Beschneiung weiter ausbauen können. Wir sind mit 1800 m ja schon relativ hoch, deshalb entwickeln wir unsere Beschneiung immer in Achsen zum Tal. Derzeit können wir die Weisshornachse bedienen, haben teilweise eine Mittelachse und können alles von der Mittelstation runter ins Tal beschneien. In Zukunft kommen noch die Carmenna-Achse und die Plattenhorn-Achse hinzu, so dass das gesamte Gebiet ab der Sesselbahn Plattenhorn bis ins Tal beschneibar sein wird. Weiterhin nichts installiert wird in unserem schneesichersten Bereich, dem Hörnli-Gebiet.“

Mehr Qualität durch mehr Service: Arosa verzichtet in den eigenen Gastro-Betrieben konsequent auf SB-Bereiche.

MM-FRAGE: „Derzeit betreibt Ihr Unternehmen insgesamt 13 Aufstiegsanlagen mit einer Gesamtförderleistung von über 20 000 P/h. Sind in diesem Bereich Erweiterungen notwendig?“Gurzeler: „Im eigenen Gebiet werden die Prioritäten durch die auslaufenden Konzessionen gesetzt. Für unsere älteste Bahn, die Sesselbahn Brüggerhorn, liegt das Projekt fix und fertig auf dem Tisch, allerdings wollen wir hier zunächst die Beschneiung realisieren. Ein geänderter Verlauf soll neue Geländekammern erschließen, in Frage kommen dabei eine kuppelbare 4er- oder 6er-Sesselbahn mit einer Förderleistung um 2400 Personen. Das nächste sind dann jene Bahnen, bei denen die 25jährige Konzession abläuft: die Sesselbahn Innerarosa-Tschuggen und die Sesselbahn Tschuggen-Ost. Hier müssen wir noch entscheiden, was wir machen, erneuern wir lediglich die Konzession, suchen wir ein neues System oder modernisieren wir nur die Bahn. Wir haben dazu Untersuchungen zu den derzeitigen Gästeströmen gemacht. Über die Pendelbahn und Tschuggen-Ost steigen heute rund 60 Prozent ins Gebiet ein, Innerarosa-Tschuggen und die Gondelbahn Hörnli nutzen derzeit jeweils nur rund 14 Prozent. Und da ist natürlich dann die Frage, was baut man dorthin, wenn man nicht mehr Gäste in diese Bahn reinbefördert? Wir müssen dabei allerdings auch die Entwicklungen der Infrastruktur im Ort abwarten. Dazu zählen etwa der neue Zubringer des Tschuggenhotels, aber auch Ausbaupläne der Gemeinde in Innerarosa. Dort sollen ein Parkhaus und ein Skischulzentrum entstehen.“MM-FRAGE: „Welche aktuellen Entwikklungen gibt es in diesem Zusammenhang beim geplanten Skigebietszusammenschluss mit Lenzerheide/Valbella?“Gurzeler: „Da ist man mit den Vorprojekten sehr weit. Es sind Detailprojekte vorhanden für die ganze Erschließung mit zwei Sesselbahnen, also auf dem skifahrerischen Weg sage ich immer. Es liegt jetzt noch ein Vergleichsprojekt mit Gondelerschließung vor, das wird in nächster Zeit noch eingehend begutachtet. Alle Auflagen im kantonalen und eidgenössischen Richtplan sind erfüllt, der nächste Schritt sind jetzt die Volksabstimmungen in den betroffenen Gemeinden. Ich selber hoffe immer noch, dass wir 2008 mit dem Ausbau beginnen können, vorausgesetzt das Verfahren läuft reibungslos und die Einsprüche halten sich in Grenzen.“MM: „Vielen Dank für dieses Gespräch.“