Mag. Karl Weber, GF Annaberger Lifte – Wir haben unsere Nische gefunden
Mag.Karl Weber hat als Quereinsteiger 2012 die Geschäftsführung der Annaberger Lifte in Niederösterreich übernommen. Seither hat sich eine beeindruckende Entwicklung vollzogen, die nun im Ausbau zur Ganzjahresdestination gipfelt.
Herr Mag. Weber, wie war Ihr Werdegang in die Seilbahnbranche, seit wann sind Sie GF und welche Funktionen bekleiden Sie eventuell sonst noch?
Weber: Seilbahntechnisch war ich eigentlich ein Quereinsteiger, als ich 2012 die Geschäftsführung der Annaberger Lifte übernommen habe. Meine Voraussetzungen waren ein abgeschlossenes Studium der Betriebswirtschaft, dreizehnjährige Selbstständigkeit in einer Tourismusgastronomie, jahrelange Erfahrung als staatlich geprüfter Skilehrer, sehr gute Vernetzung in und die Verbundenheit zur Region.
Zur Vertiefung in die Materie Seilbahn habe ich das fünfsemestrige, berufsbegleitende Masterstudium „Seilbahnen – Engineering & Management“ an der FH Vorarlberg besucht und heuer erfolgreich abgeschlossen.
Neben meiner Tätigkeit als GF der Annaberger Lifte bin ich Sprecher der ARGE Tourismusentwicklung Annaberg, BIN-Koordinator für das Bergerlebniszentrum Annaberg (BIN = Bergerlebnis in Niederösterreich), Mitglied des Projektentscheidungsgremiums der Leader Region Mostviertel-Mitte, Vorstandsmitglied im Naturpark Ötscher-Tormäuer und Ausbildungsleiter der Bergrettung Mitterbach.
Seit Ihrem Engagement hat sich die Destination gut entwickelt. Schildern Sie die wichtigsten Stationen, Herausforderungen und die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung.“
Weber: Als ich im September 2012 zu den Annaberger Lifte gekommen bin, begann gerade die Umsetzung des ersten massiven Ausbaues der Beschneiung, mit der es erstmals möglich war, binnen 72 Stunden einen Großteil des Skigebietes mit Maschinenschnee zu beschneien. Die Pumpleistung wurde von 30l/s auf 120l/s erhöht. Im darauffolgenden Winter gab es dann auch erstmals eine Ski- und Boardercross-Strecke, den „Anna-Park“ am Annaberg. Ebenso haben wir zu dieser Zeit das Kinderland, unser sogenanntes „Anna-Land“ neu aufgestellt und um eine lustige und gemütliche Pausenhütte erweitert.
2014 wurde von meinen Eigentümervertretern ein neues JUFA-Hotel entwickelt und als Ski-in/Ski-out Hotel mit 208 Betten direkt im Einstiegsbereich in unser Skigebiet gebaut. Dies ermöglichte eine gewisse Grundauslastung der Lifte auch in den ruhigeren Zeiten.
Eine der tiefgreifendsten Entscheidungen war die Restrukturierung der Annaberger Lifte im Jahr 2016. Der Skigebietsteil „Pfarrboden“ war nicht mehr wirtschaftlich zu führen und musste daher stillgelegt werden, wodurch das Skigebiet auch den direkten Anschluss an den Ortskern Annaberg verloren hatte. Im Gegenzug wurde der Skigebietsteil „Reidl“ um die „Mathias-Zdarsky-Piste“ erweitert und für den Rennlauf optimiert.
In den Jahren 2017/18 haben wir auf 1.300m Seehöhe im Bereich Hennesteck einen neuen Beschneiungsteich mit einem Volumen von 50.000m³ errichtet. Somit stehen nun in Summe rund 70.000m³ an Speichervolumen zur Verfügung. Im Zuge dessen wurde auch das Schnei-Leitsystem verbessert, zusätzliche Schneekanonen angeschafft und die Pumpleistung auf 240l/s verdoppelt, was eine massive Verbesserung der Beschneiungssituation bedeutet. Der Beschneiungsteich Hennesteck wurde so angelegt, dass er auch für einen Sommerbetrieb genutzt werden kann.
Ebenfalls 2017 haben wir mit der ARGE Tourismusentwicklung Annaberg den Mini-Bikepark im Bereich des Liftareals gebaut und eröffnet. Dieser ist ein frei zugängliches Mountainbike-Trainingsareal mit Pumptrack, Skillstrack, Flowline und Skillsline. Die Anlage ist für alle Könnensstufen gedacht, für Kinder und Erwachsene, vom Laufrad bis zum Profibike, um Fahrgefühl, Gleichgewicht und das Mountainbiken im Gelände zu trainieren.
Welches Ergebnis brachte die letzte Wintersaison? Haben sich die Investitionen gelohnt?
Weber: Die letzte Wintersaison brachte ein Rekordergebnis für die Annaberger Lifte mit rund 100.000 Ersteintritten. Daraus ist eindeutig ersichtlich, dass sich die Investitionen und Bemühungen gelohnt haben. Speziell der in den letzten Wintern immer weiter entwickelte „Anna-Park“ hat mittlerweile drei Areale und wurde zum wahren Publikumsmagneten.
Welche Pläne zum Ausbau der Infrastruktur gibt es noch?
Weber: Aktuell setzen wir als erstes Skigebiet in Österreich das visionäre System eines Self-Service-Stores für Ticketverkauf und Kundenbindung um, welches auch für CRM und Dynamic Pricing genutzt wird. Der Winterbetrieb läuft sehr gut. Hier ist es unser Ziel, die vorhandenen Attraktionen bestmöglich und in bewährter Qualität dem Gast zur Verfügung zu stellen.
Der Sommerbetrieb ist eine neue Herausforderung für uns. Hier gibt es aber auch bereits Pläne in den Schubladen, die nur mehr darauf warten, umgesetzt zu werden. Die Hauptzielgruppe wird hier, ebenso wie im Winter, auf Familien gerichtet sein. Mit der neuen 1,3 km langen ‚Zipline Annaberg‘ wollen wir als Ganzjahresdestination reüssieren. Im Oktober findet dazu ein Soft-Opening mit „Probebetrieb“ statt, richtig durchstarten werden wir ab Mai 2020 mit einer großen Eröffnungsfeier.
Was sind Eure Stärken? Wie können / sollen sich kleinere Bergbahnunternehmen in niedrigeren Lagen angesichts der Klimaänderung positionieren?
Weber: Winterurlaub mit der Familie in Niederösterreich verbringen heißt kleiner Preis, aber großer Komfort, was Angebot und Leistung angehen. Auch unser Skigebiet Annaberg bietet beste Familien-Infrastruktur: Kinderskikurse, acht Lifte, auf denen Kinder bis sechs Jahre gratis fahren, Anna-Park, sowie Anna-Land und nicht zuletzt faire Urlaubsangebote. Und abseits der Piste sorgen die Winterwanderwege und Pferdekutschenfahrten für unvergessliche Erlebnisse.
Annaberg ist ein klassisches Familienskigebiet und sieht sich neben der Ferienregion vor allem auch als „Nahversorger“ für den Großraum Bratislava/Wien/St. Pölten – nah genug für einen Tagesausflug.
Winter heißt in Zukunft nicht mehr automatisch, dass der Gast jeden Tag auf der Piste zu finden ist. Der Klimawandel ist unbestritten und fordert von den Bergbahnen Anpassungsstrategien. Diese können technischer und nicht-technischer Natur sein. Schneesicherheit (mittels technischer Beschneiung) wird mittlerweile vorausgesetzt. Mit Diversifikation im Wintertourismus und zusätzlicher Ausrichtung auf vier-saisonalen Tourismus können bzw. müssen von den Bergbahnen neue Geschäftsfelder besetzt werden. Speziell die kleineren Skigebiete können hier Nischen finden, die außerdem ihren familiären und damit übersichtlichen Charakter ebenso betonen müssen, wie die besondere Freundlichkeit ihrer Mitarbeiter.
Wesentlich für einen wirtschaftlich nachhaltigen Betrieb eines Skigebietes ist die Ausrichtung auf ein wettbewerbsfähiges Angebot. Für Anpassungen müssen vielfach völlig neue Wege eingeschlagen werden. Es bedarf individueller und maßgeschneiderter Alternativkonzepte. Welche Anpassungsstrategien erfolgversprechend sind, kann pauschal nicht festgestellt werden. Diese sind individuell für jede Destination zu definieren. Eine echte Alternative zum Massenphänomen Skifahren konnte allerdings bis dato noch nicht gefunden werden.
Die Konkurrenz der Skigebiete und des Skifahrens liegt per se nicht im Alpenraum, sondern in den Fern-, Städte- und Thermendestinationen.
Was können Sie uns zu den Attraktionen „Anna-Park Familiy“ und „Anna-Park Cross“ sagen. Die sind ja noch relativ jung. Wie wurden sie angenommen?
Weber: Der „Anna-Park Family“ ist der Funpark für die ersten Freestyle-Versuche, optimal auf kleine Freestyler und jeden abgestimmt, der seine ersten Slides und Jumps wagen möchte. Der „Anna-Park FunCross“ sorgt für Action mit Steilkurven, Schneewellen und Sprüngen. Auf einer Länge von 800 Metern finden Anfänger und Profis zwei verschiedenen Lines: nach einem gemeinsamen Startbereich und einigen Schneewellen und zwei Steilkurven teilt sich die Strecke in eine „Easyline“ und eine „Sportline“. Die blaue Easyline geht über Wellen und Steilkurven, einen Boost Kicker und einen kleinen Sprung über eine Funbox. Am Ende wartet „Slopy“, eine gepolsterte Figur der man vor dem Abschwingen ein „High Five“ geben kann. Die rote Sportline geht rasanter über größere Schneewellen und Steilkurven zu zwei 6 Meter-Kickern und einen 8 Meter-Zielsprung. Diese Strecke wird auch für Skicross- und Snowboardcross-Rennen genutzt und kann zu diesem Zweck verlängert werden. Durch die geteilte Streckenführung bleibt auch bei Rennbetrieb die Easyline für den Tagesgast befahrbar. Neu hinzu gekommen ist im Winter 2018/19 der „Anna-Park Waveride“ im Bereich des Tellerliftes, eine riesige Wellenbahn, bei der Tempo und Geschicklichkeit geschult werden können.
Wo soll die Reise Eures Natur- & Erlebnisberges künftig hingehen?
Weber: Die Herausforderungen für die Zukunft kleiner Skigebiete sind mannigfaltig. Für Annaberg wird es heißen, den hohen Qualitätsstandard des Winterbetriebes erhalten und den Ganzjahresbetrieb auf- bzw. auszubauen. Die Eröffnung der neuen Zipline fordert naturgemäß auch entsprechende Infrastrukturadaptierungen.
Das Bergerlebnis soll für den Gast noch intensiver erlebbar werden, wozu es bereits einige neue Konzepte gibt. Ein respektvoller Umgang mit der Natur kann hier spielend erlebt und erlernt werden. Die Fahrt mit der neuen Zipline bildet den actionreichen Abschluss eines gemeinsamen Familienausfluges.