Das Thema Bergsommer genießt in der Seilbahnbranche steigende Aufmerksamkeit. Mag. Arnold Oberacher, ehemals Consulent bei der Edinger Tourismusberatung und inzwischen Geschäftsführer bzw. Partner der Firma Con.os.Tourismus Consulting, berät und betreut seit dem Start 1999 die Initiative „Sommerbahnen“ des Fachverbandes der Österreichischen Seilbahnen sowie die Tiroler Sommerbahnen und diverse Bergbahnen direkt. Con.os unterstützt die Bahnen z. B. dabei, das grundsätzliche Konzept zu definieren, die relevanten Themen herauszufiltern und die geeignetsten Flächen auszuwählen bzw. die betriebswirtschaftlich sinnvolle Projektdimension abzustecken und auf ihre Machbarkeit zu prüfen. Grund genug für den Mountain Manager, Herrn Mag. Oberacher um eine Expertise zu bitten.

Interviewpartner Mag. Arnold Oberacher ist Geschäftsführer & Partner der Firma con.os tourismus. consulting gmbh oberacher, schumacher & partner in Wien, vielen bekannt als langjähriger Mitarbeiter der Edinger Tourismusberatung. Fotos: conos

MM-FRAGE: „Wie und wohin entwickelt sich die Bergsommerszene seit Jahren?“Oberacher: „Von der Einstellung ,Wir müssen halt der Gemeinde/Region zu Liebe auch im Sommer fahren – aber Geschäft ist es kaum?’ sind wir heute – einige Jahre und viele engagierte Ideen und Konzepte später – bei der Erkenntnis angelangt, dass der Sommer ein ,Geschäft’ sein kann. Von den ersten Spielplätzen und Elementen kommen wir immer mehr zu runden und schlüssigen Gesamtkonzepten. Vom Verkauf einer ,Berg- und Talfahrt’ kommen immer mehr Betriebe auch im Sommer zum Verkauf von ,Erlebnis-Zeit bzw. Erlebnis-Tagen’ – und damit einer viel besseren Preis-Leistungs-Wahrnehmung beim Kunden, denn 14,– Euro für eine Berg- und Talfahrt ist nicht gerade günstig, für einen ganzen Tag ,Abenteuer’ aber fast ein Schnäppchen, denn so viel kosten eineinhalb Stunden Kino auch! Vom Sommer-Konzept kommen wir außerdem immer öfter auch zu ,Ganzjahres-Konzepten’: Die Sommeransätze sind oft geniale Impulse und Ideengeber auch für Winter-Projekte mit denen man sich unterscheiden kann.“MM-FRAGE: „Worauf kommt es bei erfolgreichen Umsetzungen an?“Oberacher: „Aus meiner Sicht vielleicht mit den 6 Todsünden für ein Bergsommer-Konzept am besten beschreibbar:1.) Zu wenig breit angelegt: d. h. für eine Nischenzielgruppe entwickelt, die vielleicht noch dazu derzeit noch nicht in der Region ist (z. B. Trendsportarten, etc.). Ein gutes Konzept muss die ,Türen’ für möglichst viele Zielgruppen öffnen.2.) Kopieren statt Innovieren: Kopien sind immer schlechter als das Original: Wir haben jetzt schon das x-te …-Wasser – aber nur ein ,Original’ .3.) ,Patchwork’ statt roter Faden: Das wahllose Aneinanderreichen von Stationen, Geräten und Effekten wird zum Fleckerlteppich; Erfolgreich sind die Konzepte mit einem Thema und einer Story; Wenn der Gast nicht mehr zur Bergbahn XY sondern zum Thema (z. B. Hexenwasser, Alpinolino, Berg Kodok, Holzfällerland, etc.) fährt, ist das geschafft.4.) Keine Entwicklungs-Möglichkeiten vorgesehen: Sowohl inhaltlich als auch räumlich sollte man bereits am Beginn wissen, was und wo man sich weiterentwickeln könnte.5.) Konzept von außen: Keines der erfolgreichen Konzepte wurde nur von einem externen Konzeptionisten entwickelt – vielmehr wurden sie (oftmals unter Anleitung eines Themen- und Branchenkenners) gemeinsam mit jenen entwickelt, die damit arbeiten, leben und es verkaufen müssen. Und in den meisten Fällen entstand dann auch nach anfänglicher Skepsis bei Bergbahn-Mitarbeitern oftmals eine tolle Eigendynamik, welche diese Sommer-Konzepte noch heute jährlich weiterentwickelt (z. B. ,Coolster Berg Salzburgs’ am Kitzsteinhorn).6.) Trend- oder Allerweltsthema: Erfolgreich ist, was speziell ist und letztlich eine Besonderheit, Spezialität oder Einzigartigkeit des jeweiligen Berges authentisch hervorhebt (und nicht was jederzeit auch überall anders stehen könnte).“

Beispiel für ,Spaß & Sport – Kombination’ (Geschicklichkeits-Station im Alpinolino – Bergbahn Westendorf).

MM-FRAGE: „Hat das Sommergeschäft in den Alpen eine Chance, eine namhafte Größe zu werden?“Oberacher: „Betriebswirtschaftlich brauchen wir uns nichts vormachen – für eine klassische Winterbahn wird der Sommer immer nur ein (vergleichsweise) bescheidener Umsatzanteil sein. Aber er hat das Potenzial:- ordentliche Frequenzen für einen Berg zu stimulieren,- die nötigen Investitionen meist deutlich schneller zu rentabilisieren als die meisten Winter-Investitionen,- ertragswirtschaftlich positive Deckungsbeiträge für den Gesamtbetrieb zu liefern,- und sich damit als eigenständiges Profit-Center einer Bergbahn zu etablieren. Regional- und Volkswirtschaftlich bieten aber gerade die Sommerbahnen für die Alpen die Chance:- DIE Einzigartigkeit der Alpen – nämlich die Berge und alles rund um sie herum – besonders aufzubereiten und zu zelebrieren und dann einfach, bequem und unterhaltsam mit einer Bergbahn zugänglich zu machen (nicht die Bahn ist dabei die Attraktion, sondern die Besonderheit, zu der mich die Bahn möglichst einfach bringt);- Damit ein Alleinstellungsmerkmal, Verkaufsargument und letztlich einen möglichen Wettbewerbsvorteil der Berge gegenüber anderen Destinationen herauszuarbeiten und zu verstärken.“

Beispiel für eine einfache ,Panorama-Inszenierung durch Focus-Station’ (Ahorn – Bergbahn Mayrhofen).

MM-FRAGE: „Welche Erfahrungen haben Sie selbst gemacht? Welche Themen sind im Kommen und wie gehen Sie mit den Interessenten/Kunden vor?“Oberacher: „Für die Vorgangsweise gibt es kein Patentrezept, weil die Rahmenbedingungen bei fast jedem Berg anders sind, aber sehr oft machen wir es wie folgt:1.) Sensibilisierung möglichst vieler Partner, Verantworlicher, Mitarbeiter und Touristiker rund um eine Bergbahn zum Sommer im Rahmen eines Impulsvortages (Thema: Warum sollen wir eigentlich im Sommer was tun?)2.) Animation der (dann hoffentlich) Interessierten, gemeinsam eine ,Fact Finding Mission’ (Exkursion) zu Kollegen und Umsetzungsbeispielen zu machen;3.) Recherche und Erhebung:- auf welches Einzugs- und Zielgruppenpotenzial (z. B. Sommergäste in der Region) zurückgegriffen werden kann,- welche räumlichen Flächen und Varianten es gibt (Gelände, Grundstückseigentümer, etc.),- welche Themen- und Ideenansätze schon vorhanden sind;4.) Ausarbeitung eines Ideen-Grob-Konzeptes bzw. von Konzept-Varianten;5.) Durchsprache und gemeinsame Entwicklung eines Rohkonzepts in einer Arbeitsklausur mit einer Arbeitsgruppe der Bergbahn;6.) Gemeinsame Festlegung, wer dann die Detailplanungen und Detailkonzeptionen macht. Hier kann angefangen von den Mitarbeitern der Bahn über professionelle Inszenatoren und Szenographen bis hin zu Architekten und Landschaftsplanern dann oft ein buntes Planungs- und Umsetzungsteam entstehen.“

Beispiel für die Thematisierung von klassischen Spielgeräten (,Kaiserland’ – Bergbahn Scheffau).

MM-FRAGE: „Welche Fehler soll man vermeiden?“Oberacher: „Von vornherein zu glauben, es funktioniere nur mit viel Geld. Aus meiner Sicht langt es, für den Start ,das Kapital für eine Pistenraupe einmal in den Sommer zu stecken’, um etwas zu bewegen – vorausgesetzt man investiert dieses Geld eben in Innovationen und neue Ideen und nicht in einen Abklatsch oder eine Kopie.“MM-FRAGE: „Wie kann man die Wetterabhängigkeit reduzieren?“Oberacher: „Ich meine, dass ohne ein ,Bergsommer- Konzept’ die Wetterabhängigkeit am größten ist – denn dann fahre ich nur auf den Berg, wenn’s schön ist! Mit jedem Bergsommer-Konzept reduziere ich die Wetter-Abhängigkeit schon ein wenig, denn wenn sich der Gast vorgenommen hat, ein interessantes ,Berg-Angebot’ jetzt ,endlich mal’ zu besuchen, kann ihn oft auch schlechter werdendes Wetter nicht davon abhalten. Dennoch kann man die Wetterabhängigkeit durch einige Maßnahmen noch weiter reduzieren wie z. B. u Inclusive-Konzepte (wie in Aros, Serfaus-Fiss-Ladis oder Schladming), wo es auch bei schlechtem Wetter spannend ist, auf den Berg zu fahren und Kaffee zu trinken; u Schlechtwetter-Bespielungen wie z. B. das ,Schwebende Kaffeehaus’ n der Ahorn-Bahn (Bergbahn Mayrhofen); u Nutzung von Indoor Flächen am Berg (oft stehen Ski-Verleihs, Ski-Depots, etc. im Sommer leer und könnten mit wenig Aufwand zu Indoor-Welten am Berg verwandelt werden).“

Beispiel ein ,Schlechtwetter-Angebot’: das ,schwebende Kaffeehaus’ am Ahorn in Mayrhofen.

MM-FRAGE: „An welchen Projekten arbeitet ihr gerade?“Oberacher: „Wir arbeiten gerade an der laufenden Betreuung der ,Österreichischen Sommerbahnen’ d. h. wir führen die ,Qualitäts-Zertifizierungen’ von Neuen und ,Nach-Zertifizierungen’ der bestehenden Mitglieder dieser mittlerweile 43 Bergbahnen umfassenden Kooperation durch. Weiters arbeiten wir an der Etablierung einiger Bergsommer-Marketing-Kooperationen wie z. B. in der Ski-Welt Wilder Kaiser-Brixental, Ski Amadè oder in Kärnten und schließlich an einigen Bergsommer-Neuentwicklungen (dazu darf ich leider nicht zu viel verraten). Und wir betreuen regelmäßig einige Sommer-Bergbahnen bei ihrer kontinuierlichen Weiterentwicklung wie z. B. das ,Alpinolino’ in Westendorf, den Schöckl, etc..MM: „Herr Mag. Oberacher, wir danken für das Gespräch.“