Wie Phönix aus der Asche ist das Vorarlberger Brandnertal in der Saison 07/08 gestiegen. Nach veränderter Gesellschafterstruktur hat der seilbahntechnische Zusammenschluß zwischen Brand und Bürserberg endlich geklappt (Doppelmayr 8 EUB und 60er Pendelbahn von Steurer bzw. Carvatech-Kabinen, Planung Melzer & Hopfner), was eine neue Positionierung erlaubt. Der Modernisierungsschub betrifft aber auch die Software-Facts Dienstleistungsbewußtsein, Auftritt, ein Destinationsmanagement-System von SKIDATA und das ganzheitliche Agieren als Talschaft in Hinblick auf ein 365-Tage-Angebot. Verantwortlich für die qualitative Aufwertung zeichnet der neue Geschäftsführer Eugen Nitsch, der sich seine Sporen u. a. bei der Silvretta Nova und der Skihalle Wittenburg verdient hat.

Eine Pendelbahn und eine 8 EUB verbinden seit der Saison 07/08 die Skigebiete Brand und Bürserberg.

MM-FRAGE: „Schildern Sie bitte zunächst Ihren Werdegang in der Branche.“Nigsch: „Mein erster Kontakt zur Wintersportbranche war bei der Firma Head in Kennelbach, anschließend bei Sport Strolz in Lech. Weitere Stationen waren die Firma CSA in Schruns, eine Skilehrerausbildung, 1996 ein Uni-Lehrgang über Marketing, dann von 1997–1999 bei den Silvretta Nova Bergbahnen als Mitarbeiter im Marketing (konnte viel von DI Kurt Bitschnau lernen), Projektentwicklung und Geschäftsleitung für den Snowfunpark Wittenburg bis zur Eröffnung im Dezember 2006 und schließlich Geschäftsführer der Bergbahnen Brandnertal seit September 2006.“MM-FRAGE: „Was waren die Highlights der Entwicklung des Brandnertales bzw. der Bergbahnen bis heute?“Nigsch: „Das Wintersportgebiet umfasst 53 Pistenkilometer, 14 Anlagen und 8 Bergrestaurants, der erste Lift wurde 1951 errichtet. In der jüngeren Vergangenheit waren zwei wesentliche Highlights der Rückkauf von der Pfänderbahn AG 1998 und dass 2006 die Gesellschaftsanteile der Raiffeisenbank je zur Hälfte an die Gemeinden Brand und Bürserberg übergingen und somit die ganze Gesellschaft wieder in Talschaftsbesitz gekommen ist. Der wichtigste Schritt waren die Neubauten der Dorfbahn (8 EUB Doppelmayr 1 049 m lang, 390 m Höhendifferenz) sowie zeitgleich der Panoramabahn (Steurer- Pendelbahn, 1 500 m freies Seilfeld) für die seilbahntechnische Verbindung zwischen Brand und Bürserberg.

Interviewpartner Eugen Nigsch ist seit September 2006 Geschäftsführer der Bergbahnen Brandnertal. Fotos: BB Brandnertal

MM-FRAGE: „Es heißt, das Brandnertal sei wie der Phönix aus der Asche aufgestiegen. Wie hat sich der Aufstieg abgespielt, welche Maßnahmen wurden ergriffen – auch auf der Software Seite?“Nigsch: „Wichtig war die Attraktivierung vom Dorfzentrum aus, um in 3 Minuten bequem und trockenen Fußes auf den Berg zu gelangen. Vom Management her gesehen haben wir die Betriebsabläufe optimiert und uns um die Motivation der Mitarbeiter gekümmert. Dies bleibt auch weiterhin im Fokus. Wir haben auch relativ flache Managementstrukturen, einen klaren Führungsstil und viel Spaß bei der Arbeit. Dies spüren auch die Gäste und geben uns oft positives Feedback über unseren Auftritt, die Freundlichkeit usw. Hier steckt für mich auch eines der größten Potenziale in einem Dienstleistungsbereich, also wie man mit dem Faktor Mensch umgeht. Auch in punkto Marketing hat sich einiges verändert. Früher hat man sich als Bergbahnen Brandnertal verkauft,jetzt steht nur noch der Begriff ,Brandnertal’ im Vordergrund. Wir wollen alle zusammen die Talschaft vermarkten, die Bergbahn sieht sich als Teil der Dienstleistung, die der Gast in Anspruch nimmt. Diese Strategie, sich als Ganzes zu verkaufen, ist mittlerweile auch in allen Köpfen verankert – bis hin zur Skischule, den Hoteliers, den Gemeinden, dem Golfklub etc. Dadurch ist eine Dynamik entstanden, die bereits sehr viel Positives ausgelöst hat und noch auslösen wird.“MM-FRAGE: „Es hat endlich ein Zusammenschluß mit Bürserberg stattgefunden. Wie verändert sich der Auftritt nach außen, welche Zukunftsperspektiven ergeben sich dadurch?“Nigsch: „Man hat schon vor 30 Jahren begonnen, darüber zu diskutieren, aber erst die neue Gesellschafterstruktur hat den technischen Zusammenschluss ermöglicht. Man hat klare Worte gesprochen, was passiert, wenn man es nicht tut. Gesellschaftsmäßig gehören wir ja schon seit Anfang der 70er Jahre zusammen, aber die seilbahntechnische Verbindung war einfach nicht vorhanden. Nach längeren Diskussionen mit der Naturschutz-Anwaltschaft über einen Skiweg, der zur Bergstation der Panoramabahn geführt werden musste, gab es Anfang 2007 auch grünes Licht von dieser Seite. Nun kann endlich ein zusammenhängendes Skigebiet vermarktet werden, was uns in die Liga der mittleren Größe bringt. Darauf sind wir auch stolz. Der Aufsichtsrat – vor allem der Vorsitzende Walter Huber – hat das Ganze jahrelang vorangetrieben, die Feinjustierung darf ich auf meine Fahnen heften.Mit Blick auf die Zukunft werden wir weiter an der Qualität arbeiten, ältere Anlagen erneuern, die Beschneiung ausbauen sowie im Bereich Gastronomie aufholen. Da wir mit größeren Frequenzen rechnen, muss das gastronomische Angebot dementsprechend angepasst werden.“MM-FRAGE: „Helfen Ihnen Ihre Erfahrungen mit der Skihalle Wittenburg im jetzigen Marketing, wie ist überhaupt Ihre Einschätzung der Marketing-Rolle für ein Bergbahnunternehmen?“Nigsch: „Ich bin vielleicht kein typischer Seilbahner, weil ich nicht von der Technik-Seite her komme. So gesehen hat mir die Projektentwicklung und die Kundenstromanalysen, die wir in Zusammenhang mit Indoor-Projekten erstellt haben, sehr viel gebracht. Man sieht dadurch alles ganzheitlicher, denn bei einer Skihalle hat man das ganze Bündel mit Skibetrieb, Beschneiung, Verleih, Skischule, Gastronomie und Hotel sozusagen unter einem Dach in komprimierter Form! Wenn man das 5 Jahre lang gemacht hat, dann entwickelt man viel Verständnis für die Bedürfnisse der einzelnen Dienstleister sowie für ein Gesamtprodukt, das der Gast immer als solches wahrnimmt. Eine Bergbahn bleibt zwar nach wie vor ein technischer Betrieb, aber das Denkenwird in eine andere Richtung gehen (müssen). Denn der technische Standard ist in allen Skigebietenso hoch, dass man sich dadurch kaum mehr unterscheiden können wird. Hingegen bei Softfacts wie Freundlichkeit, Erscheinungsbildoder kleinen Goodies wie da und  dort eine Bank aufstellen oder, dass man den Leuten die Skier aus der Hand nimmt und in den Köcher stellt, kann man sich differenzieren. Mit einem Wohlfühlklima, das der Gast ja letztlich sucht.“

Blick auf die 1541 m lange Strecke der neuen 60er-Panoramabahn „Burtscha“ von Bürserberg, die von Steurer Doren und Carvatech realisiert wurde.

MM-FRAGE: „Wie kooperiert ihr mit den anderen touristischen Dienstleistern?“Nigsch: „Es gibt sehr konstruktive Gespräche, einen guten Gemeinschaftsgeist und Zusammenhalt in der Talschaft. Wir packen etwas gemeinsam an und wenn wir scheitern, dann scheitern wir alle zusammen, oder wir sind zusammen erfolgreich. Das ist eigentlich eine sehr gute Basis.“MM-FRAGE: „Das ,neue Brandnertal’ erscheint dynamisch und pfiffig. Welche Ideen haben Sie eingebracht? Sind Sie ein Querdenker? Was ist das Entscheidende bei der Umsetzung?“Nigsch: „Ich bin ein konsequenter Verfolger von gewissen Punkten, die mir wichtig sind wie z. B. Dienstleistung. Ich habe auch den Mut, einmal etwas Neues zu probieren und nehme es in Kauf, dass es daneben gehen könnte. Als Querdenker sehe ich mich in gewissen Bereichen ganz bestimmt. Wir arbeiten jetzt z. B. an neuen Vertriebswegen mit gewissen Partnern, was vielleicht vorher noch niemand angegangenist. Ich halte mich auch für einen Netzwerker, weil das Wissen aus einem guten Netzwerk heraus entscheidend ist, um gewisse Projekte angehen zu können und Erwartungen und Bedingungen an Partner formulieren zu können. Das Entscheidende bei der Umsetzung sind für mich die Klarheit und dieAusdauer, das ergibt dann eine Konsequenz.“

Die neue Dorfbahn ersetzte die altbewährte Niggenkopfbahn I und befördert 1695 P/h komfortabel in drei Minuten vom Ortskern Brand auf den Berg

MM-FRAGE: „Es wird bei euch in Zukunft auch ein Destinations- Management System von SKIDATA eingesetzt. Welche Überlegung steck dahinter, was erhofft man sich dadurch? Seid ihr hier bei den ,Frühen’ dabei, also eher Pioniere.“Nigsch: „Mit diesem Instrument wollen wir das Produkt Brandnertal noch besser verkaufen und über neue Vertriebskanäle mehr Kunden erreichen als bisher. Und wir möchten dadurch auch gewisse Annehmlichkeiten für den Gast schaffen. Wenn ein Familienvater am Urlaubsziel ankommt, hat er ja die ersten eineinhalb Tage nur Arbeit (einchecken, Skipässe, Ausrüstung besorgen etc.). Das Urlaubsgefühl soll aber von der ersten Minute an da sein, daher wollen wir von dieser Arbeit möglichst viel abnehmen. Das sind Serviceleistungen, mit denen man sich gegenüber dem Mitbewerb einen Vorsprung herausarbeiten kann. Tatsächlich sind wir hier bei den Ersten, die das zur Saison 08/09 anwenden werden.Momentan läuft ein Probebetrieb mit einigen teilnehmenden Partnern und wir sind überzeugt, ass dies der richtige Weg ist.“MM-FRAGE: „Welche langfristige Vision haben Sie von der Destination Brandnertal? Es soll angeblich ein Ganzjahresangebot werden? Wie kann man sich das konkret vorstellen?“Nigsch: „Unser Ziel ist es schon, die 365-Tage-Strategie zu fahren, um das ganze Jahr Wertschöpfung zu generieren. Es kann ja nicht sein, dass man das Geld, das im Winter verdient wird, im Sommer wieder drauflegt. Es gehört sicherlich eine große Konsequenz dazu, um hier zu reüssieren, aber wir sehen das Potenzial. Wir denken z. B. über Ganzjahres-Saisonkarten ,Skifahren-Golfen’ nach und führen eine Erhebung durch, ob so ein Produkt nachgefragt würde. Die Kunden sind überrascht und finden die Kombination höchst interessant. Golfen nimmt zu, das bemerken auch wir an der Auslastung, und jetzt möchten wir die Zeiten zwischen Sommer- und Wintersaison oder umgekehrt mit Produkten füllen, die am Markt verkaufbar sind. Das ist das Entscheidende beim Kreieren neuer Produkte. Das Brandnertal hat das Potenzial dazu, dementsprechende Produkte zu schaffen. Ab Ende März kann man jedenfalls schon Golf spielen und viele Golfer sind auch Ski-affin.“

Snow & Golf ist eine der neuen Positionierungen des Brandnertales.

MM-FRAGE: „Soll durch die 365-Tage-Strategie auch die Schneeabhängigkeit der Bergbahn-Umsätze etwas verringert werden? Wie stehen Sie überhaupt zum Thema Klimawandel?“Nigsch: „Wenn man dadurch die Abhängigkeit von Temperaturen, sprich technischer Beschneiung, verringern kann, tut man sich sicherlich leichter. Man hat nicht alljährlich diese große Zitterpartie. Durch solche Produktentwicklungen kann man sich ein wenig entlasten, zur Gänze sicherlich nicht, da brauchen wir uns nichts vormachen. Die Faszination des Schnees ist einfach das Zentrum, davon sollten wir uns auch nicht zu sehr wegbewegen. Wir können künftig aber auch noch andere Potenziale verkaufen wie z. B. die Ruhe der Berge. Ruhe ist heute ein Gut, das die Leute bewusst suchen – nicht nur Halli Galli. Wir glauben oft, wir sollten noch weiß Gott was in die Berge raufbauen. Das muss nicht unbedingt der richtige Weg sein. Walt Disney spielt sich wo anders ab. Die faszinierende Bergwelt, die wir haben, sollen wir gut verkaufen, aber nicht überpinseln. Der Berg an sich hat immer eine Faszination, Sommer wie Winter.“MM-FRAGE: „Die Münchner ISPO hat aufgezeigt, dass es derzeit einen starken Outdoor-Trend in der Bevölkerung gibt, jedoch Skifahren seit langem stagniert. Wird sich eine Bergbahn langfristig vom ,Transporteur für Skifahrer’ wegentwickeln müssen, ein neues Selbstverständnis und neue Geschäftsfelder aufbauen müssen?“Nigsch: „Wintersport bleibt mittelfristig das Kerngeschäft. Sicher wird man auf andere Sportarten und Trends schnell reagieren müssen. Aber das ist nur eine Frage der Flexibilität. Man soll sich dabei aber nichts verbauen, denn Trends sind oft nach einer gewissen Lebensdauer auch wieder vorbei. Wichtig ist, sich nicht dagegen zu verwehren. Als Transporteur alleine sehen wir uns sowieso schon längst nicht mehr. Schön wäre es, wenn man als Bergbahn die ganze Wertschöpfungskette schließen könnte. Das bleibt im Moment aber eher den Großen vorbehalten. Hingegen ist Berggastronomie für uns auf jeden Fall ein Thema und wir werden ein eigenes Projekt verwirklichen. Man könnte sich gedanklich sogar ein Engagement der Bergbahnen im Bereich Unterkunft vorstellen. Allerdings braucht man dazu die Fachleute für das operative Geschäft und einen starken Vertrieb. Ich denke, dass die Bergbahnbranche in den nächsten Jahren hier die Initiative noch stärker ergreifen wird.“MM: „Herr Nigsch, wir danken für das Gespräch.“