Das Stuhleck bei Spital am Semmering ist in der Steiermark mit 1783 m der höchste Berg am Ostrand der Alpen und mit 25 km Pisten auf 18 Abfahrten das größte Skigebiet im Osten Österreichs. Die Familie Girardoni hat seit 1992 ca. 40 Mio. Euro in die Modernisierung des beliebtesten rot-weiß-roten Tagesskigebietes investiert (Ranking laut Bergfex). Alleine 2008 wurden 11 Mio. Euro für eine neue 6SBK mit Hauben und das Panoramarestaurant W11 aufgebracht. Die MM-Redaktion unterhielt sich mit Dr. Mario Girardoni, der gemeinsam mit Sohn Fabrice die Geschicke am Stuhleck lenkt, über Geschichte, Innovationen und Perspektiven des Weltcup-Gebietes.

Dr. Mario Girardoni (l.) und Fabrice Girardoni führen seit 2005 gemeinsam die Geschäfte der Bergbahnen Stuhleck. Im Bild bei der Verleihung des Kreativ Award 2011 durch den Ski Guide Austria. Fotos: Stuhleck Bergbahnen

MM-Frage: Herr Dr. Girardoni, schildern Sie bitte kurz Ihren Werdegang zur und innerhalb der Seilbahnbranche bzw. eventuelle Funktionen. Seit wann ist Ihr Sohn Fabrice Mitglied der Geschäftsleitung und hat er besondere Aufgabenbereiche?Girardoni: Schon während meines Studiums an der WU Wien sammelte ich Erfahrungen durch Tätigkeit in der österreichischen Zuckerindustrie. Da mein Interessensgebiet jedoch vornehmlich das Marketing war, wechselte ich nach meiner Promotion in die Markenartikelindustrie, konkret zu Henkel, ins Produktmanagement. Zu dieser Zeit blühte das Waschmittelgeschäft und Marketingbudgets von 5 bis 10% vom Umsatz waren keine Seltenheit. Nach dem Tod meines Vaters 1979 entschloss ich mich, mich ganz dem Seilbahnbetrieb zu widmen, der bis dahin etwas im Schatten der Zuckerfabrik stand.Zusammen mit dem Grafiker von Henkel, W. Gsell, begannen wir für das Tagesskigebiet Stuhleck eine konsequente Markenartikel-Strategie zu entwickeln und sind bis jetzt gut damit gefahren. (Hohe Produktqualität  damit verbunden eine für die Lage des Skigebietes relative Hochpreispolitik und, im Vergleich zum damals üblichen Marketingaufwand von Skiregionen, hohem Werbeaufwand.) Ich war von 1979 bis 2005 alleiniger Geschäftsführer des Betriebes, dann stieß mein Sohn dazu, erst in Teilzeit, während seines Studiums der Internationalen Betriebswirtschaft an der Universität Wien, dann von Jahr zu Jahr selbstständiger, und jetzt führt er den Betrieb praktisch alleine. Ich habe mich sozusagen auf die Position des Präsidenten des (nicht vorhandenen) Aufsichtsrates zurückgezogen.Von 1990 bis 2010 war ich Mitglied des Ausschusses der Fachgruppe Seilbahnen in der WK Steiermark. Auch dort ist nun die nächste Generation gefordert.MM-Frage: Was waren die wichtigsten Stationen in der Geschichte der Berglifte Stuhleck, die 1959 mit dem Bau der Einsesselbahn begonnen hat?Girardoni: Der 1959 gebaute Einsessellift hatte eine stündliche Förderleistung von 350 Personen (theoretisch). Man hatte damals in erster Linie den Sommerbetrieb im Auge, der Winter war die schwächere Saison. Kein Wunder bei einer im ersten Jahr 25 Meter breiten, in der Lifttrasse verlaufenden Skiabfahrt. Zu der Zeit wurden auch die beiden damals einen halben Kilometer langen Schlepplifte Schieferwiese und Sonnenlift errichtet. 1967 stellte der Bau des Weißenelf-Schlepplifts, der später zu einem 1,8 Kilometer langen Kurvenlift umgebaut wurde, den ersten Schritt zur Erschließung der höher gelegenen Pisten dar. 1969 wurde parallel zum Einsessellift ein Doppelsessellift gebaut. Die Doppelschlepplift-Anlage Kaltenbach (1,8 Kilometer lang, 500 Meter Höhenunterschied) erschloss 1976 eine neu angelegte FIS-Abfahrt, die für alle Rennen mit Ausnahme einer Herren-Abfahrt homologiert ist. Damit konnten nun auch die sportlicheren Skifahrer zufriedengestellt werden.Richtig ernst genommen wurde das Stuhleck als Skigebiet aber erst mit dem Bau der Beschneiungsanlage 1990 bzw. mit der dadurch erst wirtschaftlich möglichen Errichtung der kuppelbaren 4-SB Stuhleck 1992 (L= 2,7 km, H = 500 m). Später wurden hier Wetterschutzhauben im Porsche Design nachgerüstet. Unser Bestreben ist es, dem Gast nicht nur höchste Sicherheit, sondern auch höchste Bequemlichkeit zu bieten. Dazu gehören auch bestens gepflegte und beschneite Pisten.Aber wir investierten auch in gute Architektur. Seit damals hilft uns Mag. arch. Sylvia Fracaro zu beweisen, dass moderne Architektur sehr wohl in den alpinen Raum passt, wenn sie nur gut ist. Vor 20 Jahren war diese Ansicht noch nicht sehr verbreitet. Wir erhielten dafür renommierte Architekturpreise.Weitere Faktoren für den Erfolg waren der Ersatz des Schlepplifts Kaltenbach durch die 4-KSB Promibahn (1998) sowie die Neuerschließung der Steinbachalm durch eine 6-KSB (Erste UVP Österreichs für ein Seilbahnprojekt). Dadurch entstand praktisch ein neues Skigebiet in der schneesicheren Zone von 1400 bis 1800 Meter. Von dort überblickt man an schönen Tagen das ganze östliche Voralpenland.Als bislang letztes großes Investitionsprojekt wurde die 6-KSB Weissenelf mit Orange Bubbles und in der Bergstation das Panoramarestaurant ,W 11 gebaut.

Die 6SBK Weissenelfbahn mit Orangen Bubbles ist die jüngste von vier Komfortsesselbahnen am Stuhleck.

MM-Frage: Das Stuhleck hat sich besonders in den letzten Jahren sehr gut entwickelt. Was waren die entscheidenden Maßnahmen bzw. Strategien dafür?Girardoni:. Größtes Augenmerk auf die Pisten (Leistungsfähigkeit und Effizienz der Beschneiung, genügend Schneiwasser, Präparierung). Moderne, sichere und komfortable Aufstiegshilfen (90% der Förderleistung des Skigebiets durch kuppelbare Sesselbahnen.MM-Frage: Die Beschneiung wurde 2010/11 abermals ausgebaut. In welchem Zeitraum kann nun die Grundbeschneiung erfolgen, wieviel Gerät und wieviel Pumpleistung stehen zur Verfügung. Wird es noch weitere Ausbaustufen geben  ihr beschneit ja bereits 100% der Pisten?Girardoni: In 72 Stunden können die Hauptabfahrten für alle Lifte grundbeschneit werden, 115 Lanzen, 57 Propellerkanonen, davon 10 auf Turm. Es sind neue Pisten für bestehende Anlagen geplant, gleichzeitig sollen die Wasserreserven/Teichvolumen erhöht werden.MM-Frage: Auch GPS-basierte Schneehöhenmessung ist bei euch ein Thema. Seit wann und warum ist dieses Tool im Einsatz, wie sieht der bisherige Erfahrungsbericht aus? Gibt es Vorteile, Einsparungen etc.?Girardoni: Seit heuer im Einsatz, funktioniert gut; wir wissen, wo wir wie viel Schnee haben und welche Einbußen wir durch Warmwettereinbrüche haben. Größere Einsparungen wird es nächstes Jahr geben, wenn wir das Ausaperungsverhalten an kritischen Stellen kennen.

Das neue Panoramarestaurant W11 beweist, dass moderne Architektur sehr wohl in den alpinen Raum passt.

MM-Frage: Seit 2009 können Skikarten auch online auf eurer Homepage gekauft werden. Welche Erfahrung habt ihr mit diesem Angebot gemacht und welche Rolle wird e-Commerce Ihrer Meinung nach künftig spielen? Ihr habt ja sogar eine Auszeichnung für innovatives Online-Marketing (Kreativ Award) vom Ski Guide Austria bekommen…Girardoni: Das Angebot ist gegenüber dem Vorjahr deutlich mehr nachgefragt worden. Wir glauben, dass im e-commerce noch ein großes Potential liegt. Wenn man am Parkplatz eine Schlange vor der Kassa sieht, kann man noch immer im Webshop sein Ticket kaufen. Man muss den Leuten die Angst vor dem Einkauf im Web nehmen.MM-Frage: Andere Neuheiten sind das Stuhleck Iphone-App und die Skiline. Welche Absicht steckt hinter diesem zusätzlichen Service und wie wird er angenommen?Girardoni: Das sind kleine Gadgets, die den Gästen aber Freude machen. Skitickets mit Mehrwert.MM-Frage: Wie sieht die generelle Positionierung des Skigebietes Stuhleck aus  euer Slogan lautet ja ,Nah genug für jeden freien Tag  damit sind die Ballungsräume Wien und Graz gemeint. Hat sich das Gästeklientel verändert und welche Rolle spielt bei der Positionierung der Nachtskilauf?Girardoni: Daran ändert sich nichts. Für unsere Gäste aus den östlichen Nachbarländern sind wir das nächste größere Skigebiet auf ihrem Weg nach Westen und somit auch ,Nah genug! Mittlerweile sind unsere Gäste zu je ca. 14% aus Ungarn und der Slowakei, zu ca. 2% aus Tschechien. Der Nachtskilauf bringt zwar Deckungsbeiträge, ist aber faktisch nur ein Serviceangebot für die Snowboarder im beleuchteten Snowpark.

Durch den Ausbau der Beschneiungsanlage auf 100% Beschneibarkeit hat sich das Stuhleck endgültig Respekt verschafft.

MM-Frage: Welchen Effekt hat das Ski-Weltcuprennen, wie sieht die Umwegrentabilität aus?Girardoni: Das Weltcuprennen mitten in den Weihnachtsferien stellt eine große Belastung für das Seilbahnunternehmen dar (tagelange Sperrung wichtiger Pisten). Es bringt einen sehr hohen Prestigefaktor mit sich, ich persönlich bezweifle jedoch, dass die Kosten für den Liftunternehmer durch den Werbewert aufgewogen werden (zu hoher Streuverlust), Umwegrentabilität insgesamt ist sicher gegeben.MM-Frage: Ihr habt auch alternative Angebote wie Snow Tubing, eine 5 km lange Natur-Rodelbahn, Langlaufen etc. Kann man dadurch auch Nichtskifahrer anlocken? Ist es eine Abwechslung auch für die Skigäste? Wie bedeutend ist diese Schiene für euch?Girardoni: Auch das ist eine Abrundung unseres Angebots für die Skigäste, die aber gerne genutzt wird. Sehr viele zusätzliche Gäste, die nur wegen dieser Angebote kommen, erreichen wir dadurch nicht.MM-Frage: Eure Berggastronomie hat 2008 mit dem Bau des Restaurants Weissenelf einen Schub bekommen. Was hat sich dadurch bezüglich des Images des Skigebietes verändert, wie ist das Gästefeedback?Girardoni: Wir wissen aus unseren Gästebefragungen, dass das W 11 sehr positiv beurteilt wird. Gleichzeitig wollten wir dadurch neue Maßstäbe setzen, die wiederum allen Gästen unserer Region etwas bringt.

Seit kurzem kann man alle Informationen zum Stuhleck auch problemlos aufs iPhone holen.

MM-Frage: Im Herbst wurde auch eine neue Außenbar errichtet mit herrlichem Ausblick auf Schneeberg, Rax und Ötscher. Muss man heute dem Aprés Ski-Vergnügen als Pistenbetreiber mehr Beachtung schenken? Wird da noch mehr kommen?Girardoni: Ja, ich glaube schon! Die Zeiten, in denen Skifahrer nur wegen des Sports gekommen sind, sind vorbei. Heute wollen die meisten einen schönen Tag erleben, wobei das Skifahren eine wichtige Rolle spielt, aber auch die Angebote rund herum immer mehr nachgefragt werden und in entsprechender Qualität zur Verfügung gestellt werden müssen.MM-Frage: Wohin kann und will sich das Skigebiet Stuhleck in mittelfristiger Zukunft noch entwickeln?Girardoni: Durch einige Abrundungen wollen wir unser Gebiet noch optimieren. Wichtig für uns und für die Region wäre ein Ausbau der Hotellerie, da das Angebot im Winter deutlich zu gering ist. Ein Betrieb nur in der Wintersaison ist jedoch nicht wirtschaftlich. Urlaubsgäste würden aber die oft starken Schwankungen in der Auslastung aller Betriebe dämpfen.Es bedarf daher der Anstrengung ALLER, die in der Region beheimatet sind, die Rahmenbedingungen für eine Sommersaison zu schaffen oder deren Schaffung zumindest nicht zu behindern.MM-Frage: Habt ihr auch Ambitionen bezüglich des Sommergeschäftes?Girardoni: Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, durchaus.

Nah genug für jeden freien Tag lautet der Slogan der Stuhleck Bergbahnen. Von Wien und Graz ist man jeweils 100 km entfernt.

MM-Frage: Was betrachten Sie als derzeit größte Herausforderungen für einen Mountain Manager?“Girardoni: Den Spagat zwischen Umwelt und Technik, zwischen unberührter Natur und touristischer Entwicklung zu schaffen und mit den Herausforderungen unserer Zeit fertig zu werden.MM-Frage: Welche Haltung haben Sie bezüglich der Klimadiskussion?Girardoni: Es ist sicher wichtig, sich damit auseinander zu setzen und möglichst viel gegen die ,men made  Komponentezu tun. Es ist aber auch zu bedenken, dass einige Wissenschaftler und einige NGOs ganz gut davon leben.MM: Herr Girardoni, wir danken für das Gespräch.