Dr. Ing. Mark Winkler GF Sextner Dolomiten AG – „Weg vom Kirchturmdenken!“
In den Sextner Dolomiten/Pustertal hat man in der Wintersaison 2014/15 mit der Verbindung der Skiareale Helm-Rotwand aufhorchen lassen. Der MOUNTAIN MANAGER hat das zum Anlass genommen, Dr. Ing. Mark Winkler, GF der Sextner Dolomiten AG, nach seinen Erfahrungen und den künftigen Zielen zu befragen.
Dr. Ing. Mark Winkler, GF Sextner Dolomiten AG
MM: „Wie waren Sie mit der Wintersaison 2014/15 zufrieden?“Dr. Ing. Mark Winkler: „Wir waren sehr zufrieden. Es war zwar witterungsbedingt ein schwieriger Beginn – das hat aber alle Südtiroler Skigebietsbetreiber betroffen, die mit ihren Liften nicht auf Gletscherhöhe hinaufreichen. Deshalb ist der erste Höhepunkt der Saison, der üblicherweise vom 6. bis 8. Dezember wäre, komplett ausgefallen. Der restliche Winter war dann durch viele Sonnentage und relativ milde Temperaturen gekennzeichnet. Davon haben wir in unserer Höhe extrem profitiert.“MM: „Neu war für diese Saison die Verbindung Helm-Rotwand, wie hat sie sich bewährt?“Winkler: „Wir haben für die Wintersaison 2014/15 die beiden größten Areale Helm-Rotwand durch zwei 8er-Kabinenbahnen skitechnisch verbunden. Dieses Angebot ist sehr gut angekommen und hat unsere Erwartungen weit übertroffen. Es ist gelungen, allein bei den Bahnen ein Plus von 25 % zu erzielen. Insgesamt konnten wir mit allen Neuigkeiten ein Plus von 32 % einfahren. Wir haben allerdings auch für unsere Verhältnisse eine Jahrhundertinvestition getätigt, nämlich 38 Mio. Euro.“MM: „Der Weg zur Realisierung war nicht leicht, nennen Sie bitte Eckdaten.“Winkler: „Der Weg war wirklich nicht leicht. Ich denke aber, es wäre eine Illusion zu glauben, dass ein solches Projekt nur bei uns schwierig ist. Nach den Schwierigkeiten und vielen Diskussionen im Vorfeld ist es mir deshalb jetzt eine Genugtuung von vielen zu hören, dass das Projekt sehr gut und umweltschonend umgesetzt worden ist.Begonnen habe ich im Herbst 2008 mit den Gesprächen mit den 67 betroffenen Grundbesitzern. Den Konsens hatten wir relativ schnell. Dann kamen die Planung und das Einreichverfahren, wobei die Umweltverträglichkeitsprüfung im Anschluss negativ ausgefallen ist. In der Folge wurde die strategische Entscheidung getroffen, das ganze Projekt zurückzuziehen und ein gänzlich neues Projekt auszuarbeiten. Dabei wurde jeder der in der vorhergehenden UVP negativ bewerteten Punkte aufgearbeitet und eliminiert. Dieses Projekt wurde wieder eingereicht, hat anschließend sämtliche Genehmigungsverfahren inklusive Umweltverträglichkeitsprüfung positiv durchlaufen und 2013 wurde dann wirklich die Baukonzession ausgestellt, sodass wir mit den Baumschlägerungen begonnen haben. Zu diesem Zeitpunkt gab es dann einen Rekurs, ein Baustopp wurde verfügt. Alles wurde nochmals überprüft und gemessen und im Endeffekt für rechtskonform -befunden. Letztlich konnten wir dann 2014 mit den Bauarbeiten weitermachen. Diese Verfahren haben uns insgesamt aber rund 1 Mio. Euro gekostet.Umso mehr freut es uns jetzt, dass alles so gut läuft und wir als Skidestination wirklich einen Quantensprung hingelegt haben. Nach der ersten Saison sind wir sehr zufrieden.“MM: „Wie lange sind Sie Geschäftsführer der Sextner Bergbahnen und wie war Ihr Zugang zur Branche?“Winkler: „Ich bin seit Herbst 2008 Geschäftsführer der Sextner Dolomiten AG, damals noch als Generaldirektor‘. Ein Jahr später wurde ich in den Verwaltungsrat aufgenommen und habe dort dann die Berufung zum delegierten Geschäftsführer erhalten. Zu den Bergbahnen bin ich als Quereinsteiger gekommen. Hauptberuflich bin ich freiberuflicher Bauingenieur mit eigenem Ingenieurbüro. 2007 war ich z. B. Projektant und Bauleiter für eine der letzten Aufstiegsanlagen, die hier gebaut wurden. Vor diesem Hintergrund kannte ich das Umfeld schon ganz gut. Dazu habe ich während meiner Studienzeit als staatlich geprüfter Skilehrer gearbeitet, das Skifahren war und ist meine Passion. Es war immer ein Wunsch von mir, in diesem Sektor tätig zu sein, Entscheidungen zu treffen und umsetzen zu können.“
2014 wurde die Skiverbindung Helm-Rotwand umgesetzt.
MM: „Was ist Ihnen in Ihrer Funktion wichtig, worauf legen Sie Wert?“Winkler: „Wichtig ist ein super Team zu haben und eine gute Verteilung der Zuständigkeitsbereiche, damit alle Arbeiten gut delegiert und bewältigt werden können. Die einzelnen Mitarbeiter sollen dabei so selbstständig wie möglich arbeiten können. Natürlich ist es auch wichtig, dass sich alle Mitarbeiter mit dem Unternehmen identifizieren und stolz sind, Teil der Mannschaft zu sein. Das soll auch so gelebt werden. Unsere Mitarbeiter sind nahezu ausschließlich aus der Umgebung. Wir sind mit 240 Mitarbeitern in der Hochsaison der größte Arbeitgeber in Sexten. Uns ist es deshalb auch ein Anliegen, Arbeitsplätze in der Region zu schaffen und zu halten, und das wird auch gut angenommen. Wir werden in der Region als verlässlicher Arbeitgeber geschätzt.“MM: „Stellen Sie das Skigebiet bitte kurz vor.“Winkler: „Die Sextner Dolomiten AG betreibt 4 Skigebiete, das sind der „Haunold“ in Innichen, die Skidestination „Helm“, die „Rote Wand“ und in der Provinz Belluno das Skiareal „Val Comelico“. Wir führen selbst 23 Aufstiegsanlagen, mit denen rund 93 km Pisten erschlossen werden. Dazu betreiben wir 5 Gastronomiebetriebe und sind am Dienstleistungssektor u. a. mit Skidepots oder Skiverleih aktiv. Mit dem neu eröffneten Bahnhof in Vierschach und dem Ski Pustertal Express sind wir im Halbstundentakt direkt mit dem Nachbarskigebiet Kronplatz verbunden, sodass dadurch den Gästen des Pustertales über 200 km Pisten zur Verfügung stehen. Da beide Skigebiete zum Konsortium Dolomiti Superski gehören, gibt es für dieses Großraumskigebiet „Sextner Dolomiten – Kronplatz“ auch einen gemeinsamen Skipass. Dabei sind wir sehr unterschiedlich ausgerichtet. Der Kronplatz spricht den sportlich ambitionierten Skifahrer an, wir haben uns dem Naturerlebnis-Skifahren verschrieben. Ein besonderes Angebot haben wir mit dem „Giro delle Cime“, einer 32 km langen Ganztages-Skirunde von Vierschach über Sexten, den Stiergarten, die Rotwand und den Kreuzpass bis in die Nachbarprovinz Belluno in die „Skiarea Val Comelico“. Dabei ist die Natur ein Highlight, aber auch die kulturelle Vielfalt der einzelnen Gebiete.Grundsätzlich ist es uns ein Anliegen, den Gästen eine Vielzahl an Produkten anzubieten, sodass sie ihre Wahl treffen können und begeistert nach Hause fahren und wieder kommen. Aus diesem Grund ist unser Angebot auch nicht nur auf Ski Alpin ausgerichtet, wir bieten z. B. drei Rodelbahnen und mehrere Winterwanderwege und auch Loipen. Ich denke, es ist eine Illusion zu glauben, dass sich der Gast heute damit zufrieden gibt, sich in einer einzigen Ferienregion aufzuhalten. Der Gast möchte immer wieder Neues erleben und diese Möglichkeit bieten wir ihm mit dem Ski Pustertal Express.“MM: „Wie sieht die Gästestruktur im Winter aus?“Winkler: „Unsere Gäste sind bisher hauptsächlich aus Italien und Deutschland gekommen. Die vielen Gäste aus Italien lassen sich u. a. aus der Präsenz von Kasernen in Innichen erklären, wo viele junge Leute ihren Militärdienst ableisten und dann natürlich immer wieder, auch in späteren Jahren, zum Skifahren kommen. Dazu haben wir in den letzten Jahren immer mehr polnische, tschechische und Schweizer Gäste, durch die räumliche Nähe auch Österreicher, Slowenen und Kroaten. Uns freut es, wenn wir so breiten Zulauf finden, weil uns das auch in Krisenzeiten hilft. Was den soziodemographischen Hintergrund betrifft, kommen viele Familien und Best Agers zu uns. Bei den jungen Gästen haben wir Handlungsbedarf, da fehlt auch die Struktur bei den Beherbergungsbetrieben. Da möchten wir uns in Zukunft aber auch vermehrt bemühen, damit wir Schüler und Jugendgruppen zu uns bekommen.“
Nachtskilauf in Innichen.
MM:“Gibt es im Sommer im Vergleich mit dem Winter Unterschiede?“Winkler: „Im Prinzip gibt es im Sommer die gleiche Gästestruktur wie im Winter, wobei im Sommer traditionell der Wandergast im Fokus steht. Im Sommer sind die deutschen Gäste eher noch stärker vertreten, aber auch Gäste aus Italien sind viele hier. Auch bei den Osteuropäern stellen wir fest, dass Wandern glücklicherweise immer beliebter wird. Wir haben z. B. Aufstiegsanlagen wie die Bahn in die „Rote Wand“ oder „Haunold“, welche im Sommer rund 120 000 Fahrten machen.“MM:“Welche Bedeutung hat der Sommer für die Region Sexten?“Winkler: „Unser Ziel ist die Ganzjahresdestination. Der Sommer ist bei uns schon heute sehr wichtig. Allein im Bereich der Bergbahnen erwirtschaften wir rund 20 % des Gesamtjahresumsatzes im Sommer. Unsere Zielsetzung geht grundsätzlich in Richtung Ressort mit einem entsprechend umfangreichen Angebot zu den unterschiedlichen Jahreszeiten.Das Nächtigungsverhältnis beträgt in der Ferienregion Hochpustertal über 60 % im Sommer und lediglich 40 % im Winter. Das sind für unsere Bahnen natürlich die besten Voraussetzungen, noch stärker zu werden. Unser Ziel ist es, durch entsprechende Investitionen ein ausgewogenes Nächtigungsverhältnis von 50:50 zu schaffen. Das werden wir auch erreichen. Wir haben es auch geschafft, die Saisonen nach vorne und nach hinten zu verlängern, seit 2008 um jeweils ca. 3 Wochen. Dabei steht nicht nur der Gewinn im Fokus, wir wollen ganz bewusst Wirtschaftsmotor der Region sein.“MM: „Sind Neuerungen für diesen Sommer geplant?“Winkler: „Diesen Sommer wollen wir entsprechend bewerben, dass wir mit der Verbindung Helm-Rotwand einen Berg dazugewonnen haben. Von den zwei neuen 8er-Kabinenbahnen wird die ,Drei Zinnen-Bahn‘ im Sommer von Ende Mai bis Ende Oktober in Betrieb sein. Dort werden die Almen für leichte Wanderungen erschlossen. Als besonderes Highlight kann hier der Blick auf die ,Sextner Sonnenuhr‘ und die weltbekannten ,Drei Zinnen‘ erwähnt werden. Ein weiteres Highlight ist dann auch die Giro Bike-Tour. Da werden unsere Gäste durch Bikeguides begleitet und im Rahmen einer Ganztagestour auf einer gesamten Länge von 62 km durch die Sextner Dolomiten geführt. Kleine Steigungen sind integriert, die großen werden mit Hilfe unserer Bergbahnen bewältigt. Neu sein wird auch die Sommervariante des Ski Pustertal Express‘ rund um die Ferienregion Kronplatz. Durch einen Beitrag aus der Kurtaxe soll für den Gast die Benutzung aller öffentlichen Verkehrsmittel in Südtirol ohne Kosten möglich werden. Das finde ich eine ganz tolle Sache – zum einen fördern wir die green mobility‘, zum anderen ermöglichen wir dem Gast eine große Bandbreite an verschiedenen Möglichkeiten, die er ganz bequem erreichen und nutzen kann, so auch unsere Bergerlebnisangebote in den Sextner Dolomiten.“MM: „Wie sieht das Angebot im Sommer aus?“Winkler: „Mit dem Sommerangebot starten wir bereits Ende Mai (bis Ende Oktober) und bieten vier Berge, die eine unterschiedliche Ausrichtung haben. Das reicht vom ,Haunold‘, dem Familienberg, über den Aussichts- & Wanderberg ,Helm‘, den ,Stiergarten‘, wo tolle Almwanderungen erschlossen werden mit gleichzeitiger Sicht auf die weltbekannten ,Drei Zinnen‘ bis zum Dolomi-tenerlebnis auf der ,Rotwand‘. Somit betreiben wir im Sommer insgesamt 5 Aufstiegsanlagen, 4 Gastronomiebetriebe und eine 1,75 km lange Sommerrodelbahn. Im Sinne des Ressortgedankens haben wir für die Gäste jeden Tag ein neues Angebot wie z. B. den Techniktag, geführte Wanderungen, Rentierfütterungen, Sonnenaufgangsfahrten und Kinderfeste. Darüber hinaus gibt es eine enorm attraktive Sommerrodelbahn bis ins Tal, eine Tubing Bahn, den Kinder-Kletter-Parcours, Riesenhüpfburg, Relaxzone mit Fußabdruckseen, Freilichtmuseum des 1. Weltkrieges, Almdorfspielplatz oder wie schon erwähnt die Giro Bike-Tour. Dazu bieten wir unseren Gästen als Pendant zur Dolomiti Super Ski Card die Dolomiti Super Summer Card, mit der man mit einem Ticket rund 100 Bergbahnen des Verbundes nutzen kann.“
Mit dem Bahnhof Vierschach wurde die Anbindung an die Ski-Bahn-Verbindung „Ski Pustertal Express“ realisiert.
MM: „Die Region gehört zum UNESCO Weltnaturerbe, welche Anforderungen/Verpflichtungen ergeben sich daraus?“Winkler: „Wir kommen mit Ausnahme eines Skiweges, der 1976 gebaut wurde, also noch bevor die Region als Naturpark ausgewiesen wurde, nicht in das geschützte Areal. Deshalb haben wir keine direkten Auflagen zu erfüllen. Wir sind uns aber unseres Vorbildcharakters als Grenzregion bewusst, ein Umgang mit dem Weltnaturerbe muss vorgelebt werden. Deshalb setzen wir Akzente im nachhaltigen Wirtschaften. Wir verwenden zu 100 % grünen Strom aus der Wasserkraft. Die Beschneiung wurde so ausgelegt, dass wir mit Nachtstrom große Wassermengen auf den Berg pumpen können, um diese dann am Tage mit geringerem energetischem Aufwand verteilen bzw. beschneien zu können. Wir haben 2011 den ersten Prinoth Leitwolf Italiens angekauft, der die Abgaswerte IIIB 4i erfüllt hat. Im Moment arbeiten wir außerdem mit dem TIS Bozen an einem Pilotprojekt, um die Energieflüsse im Skigebiet zu analysieren, die Energiefresser‘ zu eliminieren und effizienter mit dieser kostbaren Ressource haushalten zu können.“MM: „In der Region gibt es seit der letzten Wintersaison die Anbindung des Skigebietes an die Bahn, der Bahnhof Vierschach wurde in Betrieb genommen. Wie wird das Angebot angenommen?“Winkler: „Durch den Bahnhof Vierschach sind wir Teil der Ski-Bahn-Verbindung ,Ski Pustertal Express‘ geworden und damit z. B. auch direkt mit dem Kronplatz verbunden. Das hat wirklich eingeschlagen, unsere Erwartungen sind bei weitem übertroffen worden. Der Gast weiß es zu schätzen, dass er viele Ziele erreichen kann, ohne im Stau zu stehen oder das Auto benutzen zu müssen.“MM: „Wo sehen Sie die größten Herausforderungen der nächsten Jahre?“Winkler: „Die größte Herausforderung wird es sein, die fiktiven Grenzen der Tourismusregionen abzubauen und vom Kirchturmdenken wegzukommen, den Gast für sich behalten zu wollen. Man muss dem Gast größtmögliche Mobilität ermöglichen und ein entsprechendes Angebot in Form von exzellenten Produkten anbieten, dann wird er wiederkommen. Mitbewerber ist nicht das Skigebiet nebenan, sondern der Anbieter von Kreuzfahrten oder der Ferntourismus. Eine weitere Herausforderung für uns wird es auch sein, den Ressortgedanken voranzutreiben und die Abgrenzungen Sommer und Winter aufzuheben bzw. die Entwicklung eines stimmigen Ganzjahresangebots voranzutreiben. Da muss man bereit sein, Änderungen im Denken zuzulassen, damit man handeln kann. Für unser Unternehmen wird es außerdem wichtig sein, unsere Visionen voranzubringen. Eine Vision, die 2017 Wirklichkeit werden kann, ist die skitechnische Anbindung unseres Skigebietes ,Val Comelico‘, das heute über eine Busverbindung erreichbar ist. Hier sollen rund 45 Mio. Euro investiert werden und zwei 8er- oder 10er-Kabinenbahnen und die entsprechenden Pisten samt Beschneiungsanlage gebaut werden. Eine weitere Vision ist die Verbindung mit Österreich/Sillian, sodass sich eine 3er-Schiene Pustertal-Belluno-Österreich ergibt. Das würde die Attraktivität des Angebotes enorm erhöhen.“ dwl