„Wenn Kinder keinen Kontakt zum Wintersport finden, sind sie als Gäste verloren“

Foto: KMW

„Das Wichtige an Marken ist, dass sie eine Bedeutung, einen speziellen Faktor enthalten, der genau mit diesem Produkt, diesem Angebot in Verbindung gebracht wird“, so Dr. Helene Karmasin, eine der führenden Motivforscherinnen in Österreich. Mit dem MOUNTAIN MANAGER hat sie sich über das Image des Wintersports, Zielgruppen und den Zugang zu jungen Leuten unterhalten.MM-FRAGE: „Welches Image hat der Wintersport heute?“Karmasin: „Der Wintersport hat im Prinzip immer noch ein gutes Image. Er gehört für viele Leute zum Leben dazu – ist also eine Art, wie sie im Winter gerne ihren Urlaub verbringen wollen. Er ist interessant, ganz anders als ein Sommerurlaub, hatmit Kälte, Natur, Berge und Skifahren zu tun. Für all jene, die nicht in Österreich leben, und vor allem für die dortigen Elitegruppen, hat Wintersport eine hohe Anziehungskraft, weil sich das nur wenige Leute leisten können.Natürlich ist das Image aber nicht nur positiv. Es gibt auch Aspekte, die den Winterurlaub als teuer, gefährlich und unsicher vom Wetter her qualifizieren. Dazu gilt der Winterurlaub immer wieder als Domäne für die bürgerliche Mittelschicht, die etwas älter ist. Die Bilder, die vielen Menschen beim Thema Wintersport durch den Kopf gehen und von den Medien geprägt werden, sind vom Rennsportbeeinflusst. Der Rennsport ist zwar etwas, was den Nationalstolz einiger anspricht, aber durchaus nicht alle begeistert. Man kann also zusammenfassen, dass der Wintersport im Kern positiv besetzt ist, aber dass man doch aufmerksam sein muss, weil es durchaus problematische Aspekte gibt.“

Eine ganze Region sollte sich als stimmiges Paket anbieten, Bergbahnen spielen darin eine vorrangige Rolle. Foto: SLT GmbH

MM-FRAGE: „Für welche Zielgruppen ist er damit interessant?“Karmasin: „Die Zielgruppen, die am positivsten zum Wintersport, zum Skifahren und zum Skifahren Lernen stehen, sind die so genannte bürgerliche Mittelschicht und die Eliten. Es sind damit nicht jene Zielgruppen, die heute auf anderen Märkten die vorrangige Rolle spielen. Ich gebe aber zu bedenken, dass es sich hier um eine Einschätzung handelt, die nicht ins Detail geht. Die jungen Leute stehen dem Wintersport nicht unbedingt so positiv gegenüber – er findet einfach in der Kälte statt, ist gefährlich, teuer und man muss sich auch noch anstellen. Einschränkungen hinsichtlich der Beliebtheit findet man auch bei Frauen und bei all jenen Gruppen, die sehr gesundheitsbewusst sind. Bei letzteren zeigen sich zwei Aspekte. All jene, die schon in der Kindheit mit Wintersport begonnen haben, sind auch später bemüht, ihn weiter auszuüben – außer sie bekommen gesundheitliche Probleme. Eine zweite Gruppe sieht zwar den sportlichen Nutzen, ist aber nur im Ansatz bereit, ausgerechnet Wintersport auszuüben – hier müsste man noch stärker ansetzen.“„Man muss jungen Leuten das Gefühl geben, dass sie willkommen sind!“

Für Kinder ist es wichtig, so bald wie möglich Zugang zum Wintersport zu bekommen. Foto: Snow Sport

MM-FRAGE: „Wie müsste das Image aussehen/verändert werden, damit eine junge Zielgruppe angesprochen werden kann?“Karmasin: „Da muss man sich damit beschäftigen, was junge Menschen wollen und dann eine ganz spezielle Angebotsschiene für junge Leute schaffen. Das heißt nicht, dass alles in Richtung Fun, Fun, Fun laufen muss – aber um eine junge Zielgruppe anzusprechen, muss man spezielle Unterbringungsmöglichkeiten schaffen, eine ganz spezifische Infrastruktur und man muss den jungen Leuten das Gefühl geben, willkommen zu sein. Viele junge Leute haben den Eindruck, dass man sie gar nicht so gerne sieht.Junge Leute haben auch sehr viel mehr Lust Ski zu fahren, wenn sie schon als Kinder damit in Kontakt gekommen sind. Wenn sie als Kinder keinen Kontakt zum Wintersport gefunden haben, entschließen sie sich auch später nicht oder nur sehr schwer dazu, dann sind sie als Gäste eigentlich verloren. Es ist also sehr wichtig, dass man Kinder sehr früh mit dem Skifahren oder Snowboarden in Kontakt bringt.“MM-FRAGE: „Welchen Stellenwert können dabei Schulskiwochen haben?“Karmasin: „Schulskiwochen sind wirklich sehr wichtig, weil sie vielfach einen Einstieg in diese Materie darstellen. Gerade Kinder, deren Eltern keinen Draht zum Wintersport haben, können dabei für den Sport begeistert werden. Wenn die Schulskiwochen wegfallenwürden, fehlt von Anfang an ein wesentlicher Teil des jungen Publikums.“MM-FRAGE: „Wie müssten Schulskiwochen aussehen, damit sie motivierend auf die Jugendlichen wirken?“Karmasin: „Hier kommt es natürlich sehr viel auf die Lehrer an. Damit Schulskiwochen für Jugendliche attraktiv sind, müssen Lehrer gewonnen werden. Lehrer, die Schulskiwochen organisieren, bürden sich viel Arbeit auf, tragen viel Verantwortung und haben oft das Gefühl, sie werden damit allein gelassen und ihre Leistung wird nicht gewürdigt. Natürlich müssen Lehrer auch Angebote wählen, die für junge Leute motivierend sind und das ist nicht einfach. Ski fahren oder Snowboard fahren muss vielfach erst erlernt werden, wobei man sehr gutes Material und gute Lehrer braucht, die hier auch Know-how vermitteln können. Darüber hinaus darf die Unterhaltung nicht zu kurz kommen. Man zwingt die Jugendlichen während des Schulskikurses in Lebensumstände, die sie ansonsten nicht unbedingt kennen. Es gibt fixe Schlafenszeiten,die jungen Leute müssen sich in eine  Gruppe einfügen und können nicht einfach ausgehen, wann sie wollen, und natürlich dürfen sie auch keinen Alkohol trinken. Lehrer sind also gefordert, auch ein Unterhaltungsprogramm zusammenzustellen.Wir haben eine große Untersuchung zum Thema Schulskikurse gemacht und dabei festgestellt, dass es sehr wohl Lehrer gibt, die ganz ausgezeichnete Programme erstellen und damit auch die Schüler begeistern. Daneben gibt es aber natürlich auch Beispiele, die gar nicht funktionieren, wo sich Schüler langweilen und so in Zwänge gepresst werden, dass siesich nicht wohlfühlen können.Das entscheidende Kriterium bei Schulskikursen sind also die Lehrer. Gefordert sind daneben die Infrastruktur, die Industrie und die Bergbahnunternehmen mit ihrem Bemühen, was sie für Lehrer tun können.“

Bergbahnen müssen ihre gelebte Verantwortung für die Natur stärker in den Blickpunkt rücken. Foto: RV Dachstein Tauern

„A brand is more than a product“MM-FRAGE: „Wie kann es für Bergbahnunternehmen gelingen, aus der Angebotsmenge herauszutreten und aus Ihrem Produkt eine Marke zu machen?“Karmasin: „Jeder der ein besonderes Produkt oder eine Marke haben will, muss für etwas Spezielles einstehen. Es gilt die Maxime ,a brand is more than a product’. Die Angebotsleistung muss perfekt sein, die Erwartungen müssen erfüllt werden. Dann muss man sich einen Aspekt aussuchen, der darüber hinausgeht und mit dem man sich voll identifiziert, in dem man einzigartig ist. Dieser Aspekt muss dann entsprechend inszeniert werden, sodass sich in den Köpfen der Gäste die spezielle Leistung, die Verbindung zwischen Angebot und X festsetzt. Das ist für Bergbahnunternehmen natürlich nicht so einfach. Sie verkaufen kein Fruchtjoghurt, das es in verschiedenen Geschmacksrichtungen gibt. Vielfach haben Bergbahnunternehmen eine absolut dominierende Stellung im Ort, sodass man daraus vielleicht den Schluss zieht, auch ein absolut dominierendes Angebot zu haben. Man glaubt dann natürlich auch, die Gäste müssten das genauso sehen und ohnehin kommen.“MM-FRAGE: „Welche Rolle spielt in dieser Hinsicht Infrastruktur, welche die emotionale Qualität?“Karmasin: „Hier muss eine absolute Balance vorhanden sein. Man kann nicht Dinge versprechen, die man dann nicht vorfindet. Die Infrastruktur muss perfekt sein, und das in Hinsicht Komfort, Sicherheit und Freundlichkeit der Mitarbeiter. Die emotionale Qualität muss in der Folge noch dazukommen. Nur dann wird dem Gast auch das besondere Angebot bewusst werden, dann wird er Freude daran haben.“MM-FRAGE: „Was sehen Sie als die wesentlichen Faktoren für Bergbahnunternehmen, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein?“Karmasin: „Vorrang hat die Leistung, die von Beginn an perfekt sein muss. Diese Leistung muss dann in das Image, das Wertefeld einer Region eingefügt werden. Es geht also tatsächlich darum, eine ganze Region als stimmiges Paket anzubieten. Die Bergbahnen müssen darin eine vorrangige Rolle spielen. Der dritte Aspekt ist die Verantwortung. Bergbahnen tragen eine große Verantwortung, nicht nur für die Sicherheit der Gäste, sondern auch für die Natur. Wenn man Bergbahnen mit der Zerstörung von unberührter Natur in Zusammenhang bringt, und das hört man immer wieder – dann ist das ausgesprochen kontraproduktiv. Man muss hier sehr viel besser die Verantwortung und die Sorge um die Natur in den Blickpunkt rücken. Bergbahnen müssen diejenigen sein und alssolche auch erkannt werden, die sehr sorgfältig und sehr verantwortungsbewusst mit der Natur umgehen.“dwl