Bibiane Hromas, Vorstandsvorsitzende von pla’tou, der Plattform Architektur im Tourismus, und Lehrbeauftragte an der TU Wien hat im Auftrag des Wirtschaftsministeriums und Vorarlberg Tourismus die Grundlagenstudie „Architektur macht Gäste“ verfasst. Hier wurde der Zusammenhang zwischen Architektur und Wirtschaftlichkeit bewiesen. Hromas wurde auch von Congress & Messe Innsbruck zu einem Impulsreferat während der FAFGA 08 eingeladen, um über (Gastro)Architektur am Berg zu sprechen. Mountain Manager gibt hier ihre wesentlichen Statements wieder.

Bibiane Hromas, Vorstandsvorsitzende von pla’tou, der Plattform Architektur im Tourismus, verfasste die Studie „Architekturmacht Gäste“. Foto:mak

Das Erlebnis Architektur„Wenn wir über Architektur sprechen, geht es immer auch um das Erlebnis. Wir müssen unseren Gästen ein Erlebnis bieten. Und Architektur tut das immer, Architektur kommuniziert immer eine Idee. Bis vor kurzem ging es darum, die technischen Leistungen auch herauszustellen. Die Menschen sind in der Lage, die Natur zu bezwingen, wir können jeden Berg bebauen und besteigen und bereisen. Die Technik wird zelebriert. Auf der anderen Seite gibt es eine Gastronomie, die sehr rückwärts gewandt ist und eine sehr rustikale Nostalgie inszeniert. Die sich an einer Bäuerlichkeit orientiert, die es ja eigentlich schon lange in dieser Form nicht mehr gibt. Die Frage ist, ob das in der Zukunft noch wünschenswert ist? Es geht nicht darum, etwas Altes abzureißen oder vollkommen umzustellen. Aber wenn man vor der Frage steht, neu zu bauen, dann glaube ich muss eine andere Erlebnisqualität in Zukunft in den Vordergrund gestellt werden. Gerade um die Ansprüche der neuen Gästegruppen der postmodernen Gesellschaft zu erfüllen.

Beispiel Addis Abeba{r} in Galtür: die urban-apine Skihütte ist ein Statement moderner Architektur an der Piste. Foto: Albrecht Schnabel

Tourismusarchitektur folgt dem WandelLaut Trendforschern wie Matthias Horx vollzieht sich derzeit eine Wende von der ,Spaßgesellschaft zur Sinngesellschaft’. Die Tourismusarchitektur folgt diesem Wandel. Ganz neue Zielgruppierungen stellen sich nun in der postmodernen Gesellschaft aus sozialen Milieus zusammen, die oft auch als LOHAS bezeichnet werden. Sie pflegen einen Lifestyle of Health and Sustainability. Das heißt, Werte wie Ökologie, Gesundheit, Selfness rangieren sehr hoch im Erleben und den Ansprüchen. Es geht ihnen um eine ausgeglichene Work-Life-Balance, um natürliche und gesunde Ernährung etc.Wenn man das Wertesystem dieser Zielgruppe anschaut, dann sieht man, dass da Themen und Ansprüche vereint sind, die bisher eigentlich als unvereinbar angesehen worden sind. In den 70er-Jahren gab es den Konsum-Boykott, das hat sich gewandelt zu den Yuppies in den 80ern, die sehr selbstbestimmt gesagt haben: ich konsumiere, daher bin ich. Und das Ganze wandelt sich jetzt wieder in ein strategisches, ökologisch ausgerichtetes Konsumverhalten. Also Geld und Ressourcen umweltbewusst einzusetzen. Das heißt, soziale ökologische Verantwortung wird bei den neuen Zielgruppen durchaus mit Genuss gleichgesetzt! Und Design, Ambiente, Umgebung, Natur wird zusehends nachgefragt. Das gehört einfach dazu für diese neuen Werte bei unseren Gästen und sollte daher in dieser Form auch berücksichtigt werden. Also wir müssen die Technik nicht mehr so zelebrieren und wir können durchaus mit zeitgemäßer Gestaltung brillieren.

Beispiel Panorama-Plattform „Top Mountain Star“ in Hochgurgl zum Thema: „Das Gefühl der Weite, am Gipfel die Bergwelt zu überschauen.“ Foto: TVB Sölden

Natur erleben lassen, ohne sie auszubeutenIch glaube, dass in Zukunft Themen nachgefragt werden, die den Menschen, den Besucher, den Gast mit der Natur in Einklang bringen, ihn Natur erleben lassen, ohne sie aber auszubeuten oder unterjochen zu müssen. Das Teilhaben im Einklang mit der Natur ist ganz sicher ein wesentliches Thema für die LOHAS und in Zukunft daher ein Erfolgsfaktor.Dazu gibt es schon Beispiele über Assoziationsketten. Womit kann man ein Gebäude verbinden? Wie kann man die vorhandenen Naturressourcen oder poetische bzw. archetypische Ideen der Menschen zum Mythos Berg in Architektur umsetzen? Das wäre z. B. die Kette ,Berge– Abendrot–Schnee’. Daraus wurde das Addis Abeba{r} in Galtür, eine interessante, stylistische Skihütte von den Ventira-Architekten, die Après Ski in modernem Ambiente auf 1 700 m bietet. Hier hat man sich auf den Spagat zwischen alpin und urban eingelassen (vgl. Kasten).Eine andere Kette ist das Thema Fels–Holz. Es führte z. B. zu einem Entwurf für die Olperer Hütte für Bergsteiger in den Zillertaler Alpen;Das Thema ,Der Mensch in der Luft, freies Bewegen unter dem Himmel auf dem Gipfel’, assoziiert man, wenn man auf einem sogenannten Skywalk steht (z. B. die 3 Plattformen der Ötztaler Gletscherbahnen in Sölden etc.) und durch den Glasboden auch nach unten schauen kann. Ein origineller Einfall, die Menschen einerseits mit dem Gefühl von Unsicherheit in der Höhe und andererseits doch sicher stehen und hinunter schauen zu können, zu konfrontieren. Das macht Erlebnisqualität aus.Oder das Thema Gletscher–Eis. Dies ist z. B. bei den Stationen der Hungerburgbahn in Innsbruck von der Architektin Zaha Hadid deutlich zu sehen. Wie die Gletscher sozusagen in die Stadt hineingreifen.Oder das Gefühl, am Berggipfel die Bergwelt zu überschauen, wie es die Panorama-Plattform Top Mountain Star in Hochgurgl auslöst.Sprungschanze Berg Isel (ebenfalls Zahid) hat etwas von einem Dinosaurier, der in der Landschaft steht. Ein wunderschöner Landmark, der in aller Welt bekannt ist und geschätzt wird! Und als solches stark eine geschichtenorientierte Architektur ausdrückt (story telling).“

Blick auf die Bar in Addis Abeba{r} und den Innenbereich aus Lärchenholz. Foto: Albrecht Schnabel

Rentiert sich die Investition in gute zeitgenössische Architektur?In einem hohen Maß, wie DI Bibiane Hromas bestätigte: Für 88 % der befragten Betreiber und Eigentümer hat sich die Investition in anspruchsvolle Architektur insgesamt rentiert. Mehr als die Hälfte der Befragten (51 %) gab an, dass ihre wirtschaftlichen Kennzahlen über dem Branchendurchschnitt liegen. Nur bei 7% liegen sie darunter.Bringt neue Architektur neue Gäste?Auch diesen Aspekt bestätigt die Studie. Zeitgenössische Architektur erschließt neue, einkommensstarke Gästegruppen. Zeitgenössische Architektur ist außerdem – wie 80 % der Befragten bestätigten – ein wichtiger Marketingfaktor. Sie gibt der Marke Profil und erweist sich als deutlicher Vorteil in der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. Für 97 % der Befragten hat sich die Erwartung der Differenzierung von Wettbewerbern erfüllt, für 95 % die Erwartung, nun für neue Gästeschichten attraktiv zu sein.Das Beispiel Addis Abeba{r}Das fast mediterran wirkende Après Skibar-Restaurant Addis Abeba{ r} mit insgesamt 170 Sitzplätzen liegt auf der Schipiste zwischen der Alpkogelbahn und der Birkhahnbahn in Galtür. Die Terrasse und damit der Zugang öffnet sich zur Piste hin. Es gibt eine offene Terrasse mit Holzpaneelen und eine windgeschützte Terrasse. Der Grundgedanke beim Entwurf war der Schneekristall. Die vorgehängten Fensterboxen fokussieren die überwältigende Landschaft von Außen nach Innen und sind so dimensioniert, dass man in ihnen Platz nehmen kann.„Für die monolithische Wirkung haben wir eine perlweiße Plattenfassade zum Einsatz gebracht, die sich auch übers Dach zieht. Die Fensterboxen in der Fassade und die Oberlichtboxen am Dach sind mit Kupfer verkleidet, um einen Kontrast der ,herauswachsenden’ Volumen zu erreichen. Im Gastraum dominieren Lärchenholz, dunkle MDF-Platten und rostroter Filz neben dem in erdigem Braun gehaltenen Holzofen“, verrät DI Wolfgang Juen von der Ventira Architekten Gmbh (St. Gallen) – ein gebürtiger Paznauner.Zur Optimierung des Energiehaushaltes wurde die Gebäudeoberfläche im Verhältnis zum umschlossenen Raum möglichst gering gehalten. Zugleich wurde die Gebäudehülle in hoher Qualität ausgeführt. Durch die große speicherwirksame Masse werden im Winter Wärmegewinne gemacht. Diese große Masse verhindert im Sommer gleichzeitig eine Überhitzung. Addis Abeba{r} ist eine Lounge-Interpretation des Themas Skihütte, das den Spagat urban–alpin bewusst aufgreift und sich gänzlich distanziert von den Klischees der althergebrachten Hüttenromantik. Trotzdem wärmt das Innenleben dieser Skihütte mit Lärchenholz, rostrotem Filz und einem rustikalen Holzofen. Und schließlich: Auch das Küchenkonzept ist hochklassig und zeitgemäß.