Das Freizeit- & Sportzentrum Mehliskopf bietet seit 1972 eine der längsten Pisten im Nord-Schwarzwald: über 900 Abfahrtsmeter mit 36° Gefälle auf dem 1 009 m hoch gelegenen Mehliskopf direkt an der Schwarzwaldhochstraße. In dem familienfreundlichen Naherholungsgebiet von Baden Baden fühlen sich nicht nur Anfänger, sondern ganz oben auch hochalpine Ski- u. Snowboarder wohl. Um wirtschaftlich überleben zu können, hat sich die Destination seit 2001 sukzessive in Richtung Outdoor-Ganzjahresbetrieb weiter entwickelt. GF Andreas Kern sprach mit dem MM über die Herausforderungen der „Kleinen Skigebiete“ und seine Strategie.

Andreas Kern, GF Freizeit- & Sportzentrum Mehliskopf (D)

MM: „Herr Kern, schildern Sie bitte zunächst Ihren (unkonventionellen) Werdegang in die Seilbahnbranche.“Andreas Kern: „Mein Patenonkel DI Werner Krämer, ein Bauunternehmer, hat 1970 die Initiative zur Gründung einer Gesellschaft für einen Skibetrieb am Mehliskopf ergriffen. 8 Gesellschafter zeichneten Stammeinlagen, darunter u. a. die Gemeinden Bühl und Forbach. Ich bin von Beruf Rechtsanwalt, spezialisiert auf Genehmigungsrecht für Stein- und Erdenindustrien. Als 2000 ein komplexes Genehmigungsverfahren zur Errichtung der Alpine Coaster Ganzjahresbobbahn erforderlich wurde, wurde mir die Geschäftsführung der Mehliskopf-Lifte übertragen. Es war ein Planfeststellungsverfahren mit einer UVP (Umweltverträglichkeitsprüfung) und integrierten Verträglichkeitsprüfung auf den Schutzzweck und Erhaltungsziel eines Vogelschutzgebiets notwendig. Wir liegen am Rande eines Naturschutzgebietes, des Nationalparks Schwarzwald, des Naturparks Schwarzwald Mitte/Nord und eben einem damals in Ausruf befindlichen potenziellen europäischen Vogelschutzgebietes. Es stellte sich heraus, dass unser Vorhaben letztlich dem Naturschutz nicht widerspricht. Später habe Ich dann auch die Gesellschafteranteile von Werner Krämer übernommen.“

Das Skigebiet am Mehliskopf im Schwarzwald (D). Fotos: Freizeit- und Sportzenrum Mehliskopf

MM: „Skizzieren Sie kurz die Eckdaten sowie die Geschichte Eures Skigebietes im Schwarzwald von den Anfängen in den 70er Jahren bis zum heutigen Status.“Kern: „Bereits um 1900 hat es hier eine Gemarkungsschneise gegeben, auf welcher die Leute hochgelaufen und anschließend mit Skiern abgefahren sind. Diese Schneise hat man breiter schlagen lassen und 1971 die ersten beiden Schlepplifte 1 + 2 installiert. 1973 folgten im unteren (leichteren) Abschnitt der Lift 3 und 1978 noch der Lift 4. Insgesamt stehen auf 16 ha Fläche drei Pistenkilometer zur Verfügung, der Höhenunterschied beträgt 175 m (von 1 007 m auf 832 m). Unser Skigebiet eignet sich sowohl für Anfänger als auch Fortgeschrittene sowie Cracks. An unserem ca. 70 m langen Seillift können „blutige Anfänger“ sicheres Stehen auf Skiern u. Snowboards erlernen. Wird das „Stehenbleiben“ auf den Brettern während des Bergauftransports beherrscht, kann an unseren Lift 3 (ca. 350 m Länge) gewechselt werden. Von hier aus kann das Bergabfahren im flachen Gelände geübt werden. Die Bergabstrecke von Lift 4 (ca. 400 m Länge) enthält zu Beginn eine kurze steilere Strecke u. läuft über den Hang 3 flach aus. Die ca. 900 m langen Lifte 1 u. 2 führen in Folge bis auf 1 000 m Höhe hinauf und bieten bis zu 36 Grad Gefälle.Aufgrund der relativ niedrigen Höhenlage von unter 1 000 m waren wir frühzeitig gezwungen, Schneemaschinen zur Flächenbeschneiung einzusetzen. Der Startschuss fiel hier 1986 mit einer Anlage von Dr. Wechsler und drei SUFAG-Doppelaufbauten auf Pistenbully sowie 1 LENKO. Vor 30 Jahren gehörten wir zu den ersten Betrieben, die sich dieser Hilfsmaßnahme bedienten! Inzwischen wurde die Flotte auf 5 neuere Demaclenko, 3 SUFAG, 2 Bächler-Lanzen und Visualisierung modernisiert. Je nach Wetterbedingungen können bis zu ca. 100 m3 Wasser pro Stunde zu Schnee verblasen werden. In der Saison erzeugen wir bis zu 50000 m3 Schnee. Mit zwei Pistenbullys (PB 300 und PB 300 W) präparieren wir nachts die Abfahrtspisten.Allerdings trug sich trotz der maschinellen Beschneiung das Wintergeschäft am Mehliskopf in den 90ern wirtschaftlich nicht mehr allein. Deshalb haben wir uns zur Jahrtausendwende entschieden, auch ein schneeunabhängiges Angebot zu schaffen, um sukzessive ein Ganzjahresbetrieb zu werden.“

Die Ganzjahres Bobbahn von Wiegand wurde 2013 erweitert.

MM: „Mit dem Ganzjahres-Bob ist es dann 2001 mit dem schneeunabhängigen Angebot losgegangen. Warum hat man sich gerade dafür entschieden?“Kern: „Die milder werdenden Winter bzw. schwierigen Wetterlagen seit Ende der 80-ziger Jahre haben kein auskömmliches Ergebnis trotz Beschneiungstechnologie mehr ermöglicht. Wir haben uns daher im Jahr 2001 zur Errichtung einer ganzjahresbetriebenen, schienengeführten Allwetter-Bobbahn, einem Alpine Coaster von Wiegand, entschlossen und uns wie o.e. einem UVP-Verfahren gestellt. Diese Bobbahn wurde im Jahr 2013 um 30% auf 1300 m Gesamtlänge verlängert. Eine Einrichtung wie das Sportzentrum am Mehliskopf hat nur eine Zukunft, wenn neue Attraktionen dazukommen. Die Gemarkungsgemeinde Forbach und Bühl begleitet unsere Investitionen von Anfang an positiv, zumal sie den Mehliskopf als touristisches Markenzeichen betrachtet, das es zu unterstützen gilt. Die Entscheidung für den Alpine Coaster war wirtschaftlich richtig, um vom reinen Saison-Betrieb wegzukommen. Trotzdem waren und sind nicht unbedeutende Winterumsätze nötig, um zumindest ein ausgeglichenes Ergebnis erzielen zu können!“MM: „Warum hat es 2013 noch eine Erweiterung der Ganzjahres-Bobbahn gegeben und was charakterisiert die Anlage?“Kern: „Durch die Erweiterung wurde die Anlage deutlich spannender und damit wieder attraktiever. Der Mehliskopf-Bob weist heute neben 12 Steilkurven, 8 Wasserübergängen, 5 Tunneldurchfahrten und einen 360° Kreisel auch mehrere Jumps (vertikale Kurven) auf. Die Schlitten sind für zwei Personen, hintereinander sitzend, konstituiert. Während der Fahrt sind die Passagiere mit Sicherheits-Gurten angeschnallt. Bei Regen ist die Bahn deutlich schneller. Damit die Gäste auch dann noch ungetrübten Fahrspaß erleben können, halten wir für sie Regenhauben bereit. Durch die Ständerbauweise ist auch ein Winterbetrieb möglich.“

Seit Frühjar 2009 gibt es eine Strecke für DownhillCarts. Foto: Achim Meurer/Schwarzwald Plus GmbH

MM: „Welche Investitionen haben nach der Bobbahn dazu beigetragen, den Mehliskopf zum Ganzjahresbetrieb weiter zu entwickeln?“Kern: „Um die Gäste ganztägig beschäftigen zu können, war ein größeres Angebot nötig. Zuerst wurde 2002 die bestehende Zelt-Gastronomie durch einen Gastronomiepavillon mit einer Holz-Glaskonstruktion ersetzt und 2003 dazu die Außenanlage, Freiterrassen und ein Kinderspielplatz erstellt. Die Schwankungsbreite der schwer kalkulierbaren Winterumsätze zwangen uns dann zur Prüfung und Aufnahme weiterer unterjähriger Attraktionen. Ein im Jahr 2004 erarbeitetes Konzept zur Entwicklung des Mehliskopf mündete in einen vorhabensbezogenen Bebauungsplan für das Gesamtgelände, der 2006 rechtskräftig wurde. Auch in diesem Verfahren wurde erneut eine UVP samt integrierter Verträglichkeitsprüfung auf den Schutzzweck und das Erhaltungsziel des Vogelschutzgebietes notwendig. Das Verfahren kam zum Ergebnis, dass die Umweltverträglichkeit mit den sensiblen Schwarzwald-Höhen gegeben ist. Erneut (nach 2001) wurden durch eine touristische Nutzung auf vorbelasteten Flächen angrenzende sensible Naturschutzflächen durch Ausgleichsmaßnahmen aufgewertet! Konkret bedeutete dies grünes Licht für den 1. Bauabschnitt des Abenteuerklettergartens. Dieser ist als touristisch orientierter Klettergarten derart gestaltet, dass jede Person ab 6 Jahren, die nicht an einer Krankheit, einer psychischen oder physischen Beeinträchtigung leidet, die Welt aus Tauen, Balken, Brücken, Netzen und Seilbahnen entdecken kann. Derzeit werden insgesamt 7 Parcoure in verschiedenen Schwierigkeitsstufen angeboten. Am Boden des Abenteuerklettergartens ist ein Info-Pfad entstanden, der auf die sensible Umwelt der Schwarzwaldhöhen und weitere Attraktionen der Region hinweist. Damals wurde auch ein Abenteuerwaldspielplatz mit Wasserspiellandschaft, Baumhaus, Tarzan-Brücke, Wendelrutsche, Seilbahn und Kletterwurzeln miterstellt.Im Frühjahr 2009 ist zwischen den Liften auf dem Hauptgelände eine Downhill-Strecke angelegt worden, so dass man mit dreirädrigen Spezialfahrzeugen, sogenannten Downhill-Carts, mit Lift Nr. 4 ca. 400 m bergauf befördert wird um anschließend auf einer vorgegebenen Downhill-Strecke ca. 600 m schwerkraftbeschleunigt bergab zu sausen. Die großen, schräg gestellten Reifen der 13 Bullcarts garantieren dabei gute Geländegängigkeit bei größtmöglichem Fahrspaß. Scheibenbremsen sorgen für gute Verzögerung und ein sicheres Fahrgefühl. Die Downhill-Anlage ist so wie das Bungee-Trampolin zwar eine notwendige Ergänzung, aber kein wirkliches Profitcenter.“

Eine der ersten Maßnahmen war die Errichtung einer zeitgemäßen Gastronomie.

MM: „Wird es noch Ausbauten der Attraktionen geben und wie sieht überhaupt das langfristige Ziel des Freizeit- und Sportzentrums Mehliskopf aus?“Kern: „Ich bin grundsätzlich immer auf der Suche nach neuen Ideen und wir haben auch noch Erweiterungsmöglichkeiten. Etwa für eine Überschlag-Schaukel („Kiiking“) oder einen Ganzjahres Rodelhang für Tubing sowie einen Flow-Trail für Mountainbiking. Als Beirat des Vereins der Nationalpark-Region e.V. spreche ich für die Skiliftbetreiber an der Schwarzwaldhochstraße bzw. die touristischen Leistungsträger insgesamt und plädiere da für Entwicklungsmöglichkeiten. Es ist zu wenig, nur den Bestand zu schützen. Wenn keine Entwicklung für ortsansässige Betriebe möglich ist, haben diese in Wahrheit keine Zukunft. Wir müssen der technischen Entwicklung folgen dürfen und das ein oder andere auch neu machen dürfen.Unser Ziel ist, dass am Mehliskopf eine notwendige Symbiose von Naturschutz und Bewegung entsteht. Die Menschen suchen heute ja beides. Der bewegungsorientierte Outdoor-Bereich ist ein Zukunftsmarkt, den wir am Mehliskopf das ganze Jahr über bedienen möchten. Dabei versuchen wir auch, die Wetterabhängigkeit etwas abzufedern.“MM: „Was waren die größten Herausforderungen für Sie – die UVP Verfahren, die Klimaveränderung, die Aufbringungen von Finanzmitteln, ein verändertes Marketing oder…?“Kern: „Genau genommen von allem etwas. Man braucht Fremdmittel für die Investitionen und sollte für die Rückzahlung positiv bilanzieren, obwohl das alles entscheidende Weihnachtsgeschäft immer öfter ausfällt… Wenn man erst im Jänner starten kann, bringt die Saison schon Verluste. Durch die Einführung der Sommerattraktionen zielte ich darauf ab, wenigstens mit einer ausgeglichenen ,0′ in den Winter zu gehen. Durchschnittlich können wir mit 55 Betriebstagen im Winter rechnen, die Bandbreite schwankt jedoch von 20 bis 120 Betriebstagen. Wir setzen jetzt mehr auf Fixtermine bei den Gästen in Form von Eventtagen. Da kommen Firmen mit 150 und mehr Gästen und absolvieren ein Ganztagesprogramm mit allen unseren o. e. Angebotsbausteinen plus Wandern, Teamtraining, Teambuilding, Bogenschießen und Geo-Caching. Für Schlechtwetter steht auch Indoor-Klettern zur Verfügung. Das Motto ist: Bewegungsorientierter Sport im Freien bringt’s.“

Ein touristisch orientierter Klettergarten wurde im Jahr 2006 realisiert.

MM: „Wie ist Eure Positionierung grundsätzlich angelegt – als Anfängergebiet oder für jeden etwas? Welches Einzugsgebiet und welche Frequenzen habt Ihr?“Kern: „Viele fangen bei uns im Kindesalter mit dem Skifahren an und können sich auch bei uns zum Fortgeschrittenen weiterentwickeln. Später frequentieren sie häufig auch große und hochalpine Skigebiete – insofern verstehen wir uns durchaus als ‚Breeder‘-Destination für den Skisport-Nachwuchs allgemein. Für Jugendliche bieten wir auch, in Zusammenarbeit mit ThePinStipes e.V. den größten Snowpark im nördlichen Schwarzwald mit abwechslungsreichen und sich ändernden Obstacles.Skibetrieb ermöglichen wir mittels Flutlicht bis 22 Uhr, damit auch die Berufstätigen unter der Woche kommen können. Unser Einzugsgebiet umfasst ca. 3 Millionen Einwohner bis hinunter nach Frankfurt, Darmstadt, Saarland Pfalz und teilweise Stuttgart, wenn die Schwäbische Alb keinen Betrieb hat. Im Süden Straßburg, Offenburg bzw. das Elsaß.Über das gesamte Jahr verzeichnen wir ca. 200 000 Gäste, davon kommen im Winter je nach Bedingungen 10 000 bis 100 000. Mit der Bobbahn schaffen wir ca. 270 Betriebstage und 150 000 Bewegungen, mit dem Kletterpark ca. 150 Betriebstage und 13 000 Gäste.Ohne Komplettangebot samt Skischule, Verleih und Shop sowie Gastronomie plus Ganzjahresattraktionen könnten wir sicher nicht mehr überleben.“MM: „Haben Sie auch eine Vision für die fernere Zukunft am Mehliskopf?“Kern: „Ja, würde man z. B. ganz oben einen Aussichtsturm bauen, damit der Gast das einzigartige 360° Panorama bis in die Rheinebene, Vogesen, Pfälzerwald, Odenwald, Schwäbische Alb und Nationalpark Schwarzwald in vollen Zügen genießen kann, dann hätten wir nicht nur eine regional/nationale Attraktion hier, sogar eine Weltattraktion! Als Aufstiegshilfe dazu könnte man sich einen 4er-Sessellift vorstellen. Allerdings müsste die Finanzierung mithilfe der öffentlichen Hand geschehen, denn wir selbst müssen uns jetzt erst einmal konsolidieren.“