In der Schweiz praktizieren die Bergbahnen Titlis Rotair mit ihren Gastronomiebetrieben und dem eigenen Hotel den amerikanischen Weg „one mountain, one company“. Welche Möglichkeiten sich daraus ergeben, wie die eigene Positionierung aussieht und was man von der Zukunft erwartet, erklärte Geschäftsführer Albert Wyler im Gespräch mit dem Mountain Manager.

Albert Wyler, GF Bergbahnen Titlis Rotair. Fotos: BB Titlis Rotair

MM-FRAGE: „Wann wurde die 1. Bahn auf den Titlis gebaut und wie hat sich das Bergbahnunternehmen Titlis Rotair weiterentwickelt?“Albert Wyler: „Unser Unternehmen ist sehr alt. So wurde die 1. Bahn, eine Standseilbahn, 1911 gebaut, also zu Urzeiten des Bergbahnbaus. 1927 gab es dann die erste Luftseilbahn und 1941 den ersten Skilift. 1967 sind wir erstmals zum Gletscher hochgefahren. Seit 1965 haben wir eigene Restaurationsbetriebe und seit 1999 ein eigenes Hotel.“MM-FRAGE: „Liegt der Hauptumsatz im Sommer oder im Winter?“Wyler: „In den Anfängen war unsere Bahn sicher sommerbezogen, das hat sich dann mit der Entwicklung des Wintersports verändert, sodass der Umsatz in den 50er und 60er Jahren sehr stark winterlastig war. Seit 1975 und dann vor allem in den 90er Jahren ist der Sommer wieder stärker geworden, weil wir den Berg zu dieser Zeit als Ausflugsberg ausgebaut haben. Heute machen wir rund 40% unseres Umsatzes im Sommer und 60% im Winter. Damit ist der Winter am stärksten, aber der Sommer ist auch sehr wichtig für uns. Im Sommer 2004/05 hatten wir etwa einen Umsatz von 14,8 Mio. sfr und im Winter 2005/06 rund 22,2 Mio. sfr. Diese Zahlen schließen die Gastronomie und den Hotelbetrieb ein.“MM-FRAGE: „Wie sind Sie mit der laufenden Sommersaison zufrieden?“Wyler: „Die Sommersaison läuft sehr gut. Wir hatten einen fantastischen Juli – der August war wetterbedingt natürlich nicht mehr so gut. Ende Juli war der Gletscher stark ausgeapert, Anfang August hat es dann kompakt ca. 50 bis 60 cm geschneit. Dieser Schnee ist liegen geblieben. Darauf hat es dann Ende August nochmals rund 70 cm geschneit, sodass der Gletscher jetzt wieder sehr gut aussieht und wir Ende September mit dem Herbstskilauf starten können. Insgesamt schätzen wir, dass es dieses Jahr die beste Sommersaison geben wird, die wir jemals hatten.“

Die Bergbahnen Titlis Rotair verkaufen Ferien.

MM-FRAGE: „Was bieten Sie im Sommer, gab es dieses Jahr Neues?“Wyler: „Sommer- und Wintergäste sind bei uns völlig unterschiedlich, beide benutzen aber die gleichen Bahnen. Natürlich passen wir das Angebot wie z. B. die Gastronomie dann entsprechend an. Am Berg gibt es dazu eine Reihe von Tourismusangeboten, vom Fotostudio, wo man nostalgische Fotos machen kann, bis zum Uhrenladen. Für das ,Uhren-Shopping’ hat der größte Schweizer Uhrenhändler Bucherer bei uns auf der Bergstation einen respektablen stylisch schönen Uhrenladen eingerichtet. Besonders schön ist auch die Gletschergrotte, wo man das Eis anfassen und in stimmungsvoller Umgebung bewundern kann.In den letzten Jahren haben wir die Outdoor-Aktivitäten stark ausgebaut. Wir haben eine Sesselbahn ,Ice Flyer’, die im Sommer über den Gletscher zum Gletscherpark führt. Dort kann man mit Gummireifen rutschen oder mit kleinen Schlitten fahren. Ein Förderband bringt die Gäste dann wieder zurück zum Ausgangspunkt. Das ganze Angebot ist natürlich wetterabhängig, wobei aber schon sehr schlechtes Wetter sein muss, damit die vielen jungen Gäste auf diese Möglichkeiten verzichten. In diesen Bereich haben wir dieses Jahr auch wieder viel investiert. So haben wir das Angebot neu gestaltet und stark ausgebaut. Das hat sich sehr gut bewährt, sodass wir auf dieser Schiene weiterfahren werden.“„Wenn das Klima wärmer wird, gibt es für die Berge viel Potenzial“MM-FRAGE: „Welchen Stellenwert hat für Sie der Sommer generell im Bergbahngeschäft, denken Sie, dass der Sommer in der Schweiz schon genügend genützt wird?“Wyler: „Wir haben in der Schweiz einige traditionelle Sommer-Ausflugsberge, die ihr Geschäft praktisch nur im Sommer machen wie z. B. den Pilatus, die Rigi, das Jungfraujoch oder am Säntis wird auch nicht Ski gefahren. Ich denke aber schon, dass man bei einigen geeigneten Bergen im Sommer noch mehr machen kann. Wenn ich mir die Entwicklung ansehe und wenn es stimmt, dass sich das Klima erwärmt, werden Ferien in den Bergen attraktiver werden. Man sehnt sich im Sommer nach der Wärme und wenn man das wie etwa im letzten Juli bei uns auch findet, muss man nicht unbedingt in den Süden. Da fühlt man sich bei 30° in den Bergen doch viel wohler. Da gibt es für die Berge und die Alpen noch viel Potenzial.Ich finde es deshalb schade, dass sich viele Bergbahnen und Orte einseitig auf den Winter konzentrieren und im Sommer passiert relativ wenig, obwohl die Gegend schön ist. Die Infrastruktur liegt dann einfach brach. Natürlich werden in einigen Orten schon Anstrengungen unternommen, um dagegen anzukämpfen – aber es ist natürlich nicht einfach. Vielfach ist es so, dass eine einzelne Bahn oder ein Hotel allein nichts machen kann, da muss schon der ganze Ort mitmachen.“

Mit 60% des Umsatzes ist der Winter besonders wichtig für die Bergbahnen Titlis Rotair.

MM-FRAGE: „Welche Gäste sprechen Sie im Sommer, welche im Winter an? Gibt es Unterschiede in der Struktur, dem Einzugsgebiet?“Wyler: „Sommer und Winter sind für uns völlig unterschiedlich. Im Winter kommen hauptsächlich Wintersportler, Skifahrer, Snowboarder usw. für eine Woche oder auch nur einen Tag. Unsere Gäste kommen dabei aus Europa, der Schweiz, Deutschland, Holland, Schweden, Norwegen – einige Gäste auch aus Amerika. Dabei hatten wir in den letzten Jahren auch keine großen Änderungen zu verzeichnen. Im Sommer haben wir internationale Ausflugsgäste aus Übersee, Amerika und Südamerika. Mehrheitlich kommen unsere Sommergäste aber aus Südostasien – Indien oder China.“MM-FRAGE: „Wie sieht das Winterangebot aus, gibt es Neues für 2006/07?“Wyler: „Im Winter gibt es das umfangreiche Angebot, für das wir bekannt sind. Neu für die Saison 2006/07 sind die Erweiterungen in der Beschneiung. Wir investieren diesen Sommer rund 6 Mio. sfr in den Bau von Schneeanlagen, mit denen dann ca. 8 bis 9 km Pisten zusätzlich beschneit werden können. Bisher hatten wir zum Großteil eine punktuelle Beschneiung, was natürlich etwas mühsam ist. Jetzt werden Teile davon erneuert und ergänzt. Bei den Bauarbeiten sind wir auf gutem Weg, wobei es im August Verzögerungen gegeben hat – aber wir werden rechtzeitig fertig werden. Wenn die Arbeiten im Oktober abgeschlossen sind, werden rund 39% unserer Pisten schneesicher sein. Das ist für die Schweiz sehr viel, für Österreich weniger. Bei der Beschneiung sind wir in der Schweiz im Rückstand. Das hat u. a. auch damit zu tun, weil grüne Gruppierungen sich lange Zeit dagegen ausgesprochen haben. Heute wird aber immer offensichtlicher, dass die Beschneiung auch für die Natur Vorteile hat. Wenn man über eine saubere Grundbeschneiung verfügt, wird die Grasnabe geschützt. Der Widerstand gegen eine Beschneiung ist nicht mehr so groß. Natürlich braucht man die notwendigen Bewilligungen, aber die Haltung hat sich doch verändert. In zwei Jahren wird es dann eine weitere Etappe zum Ausbau der Beschneiung geben.“MM-FRAGE: „Welche Rolle spielen Events, worauf legen Sie Wert bei der Auswahl?“Wyler: „Generell werden im Moment sehr viele Events gemacht, da herrscht fast schon so etwas wie eine ,Eventitis’. Aber natürlich gibt es auch bei uns unterschiedliche Veranstaltungen, die wir gemeinsam mit Organisationen oder Einzelpersonen durchführen. Wir legen dabei Wert auf lustige Sachen. Diejenigen, die wollen, sehen zu oder machen mit. Andere Gäste, die sich nicht dafür interessieren, sollen aber nicht gestört werden. Das ist unser Motto. So gibt es u. a. den Waterslide-Contest, das Ice Festival oder Rock & Pop Veranstaltungen. Das größte Event ist aber das FIS Weltcup Skispringen vor Weihnachten. Das hat auch starke Aus- bzw. Folgewirkungen, die Presse ist vor Ort, Fernsehstationen sind da.“

Blick auf die Sommer- und Winterdestination Engelberg.

„Bei uns kann man ,Ferien’ kaufen!“MM-FRAGE: „Ihr Unternehmen betreibt nicht nur Aufstiegsanlagen, sondern auch Gastrobetriebe und das Hotel Terrace – worin sehen Sie hier Vorteile?“Wyler: „Wir sind heute ein gesamtheitlicher Anbieter, da liegen die Vorteile auf der Hand. Bei uns kann man ,Ferien’ einkaufen. Der Gast kann ein fertig geschnürtes Paket bekommen und muss sich dann nur noch um die An- und Abreise kümmern. Übernachtung, Frühstück, Abendessen, Animation und der Skipass sind von einem Anbieter zu bekommen. Wir haben sogar Allinclusive-Angebote zusammengestellt. Dabei machen wir in Absprachemit dem Ort auch unsere eigene Akquisition. Bei unseren Unternehmen – Bahn, Hotel und Gastronomie – ist es uns wichtig, dass einer den anderen befruchtet. Wenn die Hotelbetten ausgelastet sind, gibt das Umsatz für die Bahn und die Gastronomie. Gute, früh eingeschneite Pisten sorgen für eine gut ausgelastete Hotellerie. Schlussendlich profitiert dann das ganze Unternehmen, wenn eine Abteilung der anderen helfen kann. Das kann man auch gut mitZahlen belegen, wie sich das verhält. Natürlich haben wir diese Vorgangsweise nicht erfunden, das ist der amerikanische Weg ,one mountain, one company’. Dort hat man sich ein Gebiet ausgesucht und alles aufgebaut. Bei uns ist die Entwicklung völlig anders abgelaufen. So ist das Hotel, das wir übernommen haben, nicht neu. Es stammt aus der Jahrhundertwende 19./20. Jhd und gehörte dem Club Méditerrannée, der das Hotel verkauft hat. Es stand dann lange leer, bis wir eingestiegen sind – wir haben also aus der Not eine Tugend gemacht. Grundsätzlich ist es nicht einfach, wenn man als Bergbahnunternehmen völlig unterschiedliche Betriebszweige führen muss. Aber wir haben dazu natürlich unsere Fachleute.“MM-FRAGE: „Wie sieht das Angebot in der Gastronomie aus, bodenständig oder international?“Wyler: „Das Angebot ist den jeweiligen Gästen entsprechend unterschiedlich. Im Sommer gibt es asiatische, also thailändische und indische Küche. Im Winter bieten wir bodenständige, gut bürgerliche Küche. Wir legen in jedem Fall Wert darauf, dass der Service gut ist und man sich wohlfühlt. Das Spektrum reicht vom Selbstbedienungslokal bis zum Restaurant mit Bedienung, sodass jeder Gast das Passende findet. Heute Nachmittag werde ich dazu einen weiteren Gastrobetrieb mieten, später kaufen. Dabei handelt es sich wieder um ein Hotel, das Sporthotel Trübseehof auf 1.800 m, das in Konkurs gegangen ist. Das werden wir adaptieren und in unser Gesamtangebot integrieren.“MM-FRAGE: „Seit 2003 ist der Zusammenschluss der Bergbahnen Meiringen-Hasliberg, Melchsee-Frutt und Titlis Rotair zum ,Schnee-Paradies Hasliberg-Titlis’ in Vorbereitung. Was spricht dafür?“Wyler: „Alle 3 betroffenen Skigebiete sind mittelgroß, dazu liegen wir im Einzugsgebiet von Luzern, Basel und Bern. Mit dieser Ausgangssituation kann man grundsätzlich gut arbeiten. Ein Problem, das wir allerdings alle haben, liegt im Ferientourismus, d. h. es ist eher schwierig, Gäste eine Woche zu uns zu bringen. Wir merken den Trend zu kürzeren Urlauben sehr stark, die Gäste kommen am Donnerstag und bleiben bis Sonntag. Am Sonntag wird es dann ruhig. Um gegen diesen Trend ankämpfen zu können, braucht es ein großes Skiareal. Das zeigen Beispiele in Frankreich, in Österreich oder Südtirol. Dort gibt es dann einfach eine Vielzahl an Möglichkeiten. Warum soll sich der Gast in seinen Ferien mit 20 km Pisten zufrieden geben, wenn er in anderen Destinationen 200 km vorfindet, wo er wählen kann? Hasliberg Meiringen, Melchsee-Frutt und Titlis Rotair haben die Möglichkeit, Gebiete zu verbinden und dadurch größer zu werden. Außerdem sehen wir durch den Zusammenschluss eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Dasmuss aber nicht heißen, dass alle Bahnen in einer Gesellschaft vereint sind, hier kann man sich am Beispiel Sella Ronda in Südtirol orientieren. Es braucht einfach den Willen zur Zusammenarbeit,dann ist schon sehr viel möglich.“„Das Projekt wird allen Beteiligten zugute kommen“MM-FRAGE: „Für diesen Zusammenschluss wurde die technische Machbarkeit überprüft – welches Ergebnis brachte diese Studie?“Wyler: „Von der technischen Seite her ist der Zusammenschluss problemlos zu machen. Wir haben heute ein Konzept, wo wir 8 Anlagen bauen müssen. Diese Anlagen sind logisch begründbar und nachvollziehbar. Unsere Skigebiete liegen in einer Höhe zwischen 1800 und 2500 m, es gibt gute Hanglagen, es ist nicht zu flach und nicht zu steil. Dazu ist das Gebiet gut besonnt. Von der Technik her, gibt das Ganze Sinn und lässt sich machen.“MM-FRAGE: „Welche Kosten werdenanfallen?“Wyler: „Der Kostenaufwand beträgt geschätzte 55 Mio. sfr, wobei die einzelnen Unternehmen die Kosten auch selber aufbringen sollen. Möglich ist das durch den Zeitraum von rund 7 Jahren, den wir uns geben. In dieser Zeit möchten wir das Eigenkapital so aufstocken, dass wir die Realisierung zum Großteil mit eigenen Mitteln bewerkstelligen können. Das ist natürlich abhängig davon, wie sich die kommenden Jahre wirtschaftlich entwickeln – im Moment sieht es gut aus. Diese Überlegungen sind auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass zu viel Fremdkapital entsprechende Risiken mit sich bringt, wenn dann alles nicht so gut läuft.“MM-FRAGE: „Wie ist der aktuelle Stand der Dinge?“Wyler: „Die aktuelle Situation zeigt eine sehr große Opposition gegen das Projekt. Das kommt vorrangig vom WWF oder Pro Natura, die kategorisch dagegen sind. Wir haben allerdings eine Gesprächsbasis gefunden, sitzen an einem Tisch und sprechen vernünftig miteinander. Wir versuchen also objektiv zu diskutieren. Die Tendenz geht im Moment dahin – wenn schon ein Zusammenschluss, dann unter anderen Vorzeichen. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten mit Vorund Nachteilen. Das bezieht sich z.B. auf die Linienführung, wobei das Einfluss auf die Anzahl der Anlagen hätte. Weniger Anlagen bedeuten, dass weniger Skigebiet erschlossen wird. Das ist im Endeffekt natürlich günstiger, wirtschaftlich attraktiver. Hier sind wir in Gesprächen – wie weit wir dabei kommen, ist schwer zu sagen. Wir werden das Projekt voraussichtlich überarbeiten. Parallel dazu müssen wir die kantonalen Richtpläne anpassen, also die planerischen Voraussetzungen schaffen, dass wir so etwas überhaupt machen können. Dazu muss die Politik zustimmen. Aber auch diese Seite will natürlich genaue Pläne, genaue Angaben zur Umweltverträglichkeit etc.Wir sind dabei und gehen Schritt für Schritt vorwärts. Es ist ein schönes Projekt und ich bin überzeugt, dass es allen Beteiligten und der ganzen Region zugute kommt, wenn wir es machen könnten. Der touristische Input im Winter, aber auch im Sommer wäre sehr stark.“ dwl