Ein Menschenleben reicht nicht für alle Ideen

Kaum jemand hat die Seilbahnbranche in den letzten 50 Jahren so geprägt wie TR DI Michi Manhart aus Lech. Manhart, der „Schneipapst“ war und ist ein technischer Visionär, hat viel Pionierarbeit geleistet – vor allem im Bereich Umwelt und Beschneiung sowie Lawinenschutz. Seine Expertisen sind nach wie vor unverzichtbar und er ist auch mit 77 noch aktiv, sei es in Ausschüssen der OITAF oder bei den Skiliften Lech!

Im Gründungsjahr unserer Vorgänger-Zeitschrift (Motor im Schnee) 1969 warst Du 27 Jahre alt. Warst Du damals schon mit der Seilbahnbranche in Kontakt – 1972 bist Du ja bereits bei den Skiliften Lech angestellt worden…

Michael Manhart: Ich bin ab 1945 in Lech in der Familie meines Großvaters und Skiliftpioniers Dipl. Ing. Sepp Bildstein und meiner Mutter Adelheid Schneider-Bildstein, seiner Nachfolgerin als Skigebietschefin und Schöpferin des Arlberg-Skipasses (übrigens auch stv. Vorsteherin des österr. Seilbahnverbandes), aufgewachsen. Skilifte und Skigelände waren ständige Themen. Sepp Bildstein, bis zum Kriegsende technischer Leiter von Daimler Benz Mannheim hatte schon ab 1938 „so nebenbei“ die ersten Schlepplifte in Lech und Zürs erbaut. Mit Chefredakteur Hans Dieter Schmoll von MiS hat mich eine jahrelange Freundschaft verbunden.

Wie hast Du die Zeit damals als Skifahrer erlebt? Gab es eine Aufbruchs- und Pionierstimmung?

Zur Schule bin ich im Winter mit Ski gefahren, nach Hause zurück über den Schlegelkopflift. In Lech gab es betreffend Wintertourismus nach dem Krieg mit sanierten Liftanlagen und in rascher Folge neuen Schlepp- und Sesselliften eine steile Aufwärtsentwicklung.

Beim Thema Beschneiung war Lech früh dran. Wie waren die Anfänge? Du hast dann 1983 den Arlberg Jet erfunden? Was war der Grund dafür und was kann dieses Gerät?

Ab 1973 habe ich mich intensiv mit Beschneiung befasst, nachdem ich im Winter 1972 / 1973 in Kanada und den USA Schneeanlagen gesehen hatte. Die Realisierung der ersten kleinen Schneeanlage am unteren Schlegelkopfhang wurde von der Lecher und Vorarlberger Politik nach Kräften, aber erfolglos, behindert und von den österreichischen Seilbahnkollegen belächelt, „Das ist ja ganz nett, aber Beschneiung wird man sich nie leisten können!“ – Mein erstes Test- Beschneiungsgerät war eine amerikanische SMI 320 Propellermaschine. Eine große Wasseruhr und meine Stoppuhr waren der Beginn des Prüfstandes für Beschneiungsgeräte in Lech. – Ich habe den Arlberg Jet Ende der 1970er Jahre erfunden, weil die Leistungen der Druckluftgeräte aus den USA nicht zufriedenstellend waren. Der Arlberg Jet ist leicht, mobil, kann wegen der Entspannungskälte der Druckluft bei Umgebungslufttemperaturen nahe 0 Grad C beschneien und wird von wechselnden Winden kaum beeinträchtigt.

Bereits 1982 hast Du eine Großbeschneiungsanlage gebaut. Was war das Besondere im Vergleich zu den Anlagen der Seilbahn-Kollegen?

Wir haben die Schneeanlage Lech von vorne herein hybrid konzipiert, mit Versorgungsleitungen für Wasser, Druckluft und Strom. Wasserfassungen im Lechfluss. Vorbild für die Druckluftbeschneiung war die Schneeanlage in Savognin. Propellergeräte wurden wegen gewisser Vorteile parallel eingesetzt. Meine Kollegen haben die Vorteile der Druckluftbeschneiung erst mit dem Aufkommen der Beschneiungslanzen verstanden.

Blumenwiese im Skigebeit Lech – der Beweis für eine üppige Vegetation. © Skilifte Lech

Blumenwiese im Skigebeit Lech – der Beweis für eine üppige Vegetation. © Skilifte Lech

Wie groß ist die Schneeanlage in Lech heute, dargestellt anhand eingesetztem Gerät, Sekundenliter-Leistung, erzeugter Schneemenge pro Saison und Anteil an der gesamten Pistenfläche?

Wir haben mit allen 5 Schneeanlagen in Lech-Oberlech-Zürs zusammen 508 Schneeerzeuger, davon 146 Druckluftkanonen, 141 Propellermaschinen und 221 Lanzen. Die maximale Schneikapazität beträgt 825 Sekundenliter, die erzeugte Schneemenge pro Saison 1.192.000 m3. Die beschneite Pistenfläche umfasst 148,33 ha – das sind 60 % der gesamen Pistenfläche – ausgedrückt in Länge sind es 41.486 Meter.

Etwas später hast Du den nach wie vor weltweit einzigartigen Schneekanonen-Prüfstand entwickelt. Was war dafür ausschlaggebend?

Getestet habe ich Beschneiungsgeräte schon 1973 mit der besagten Wasseruhr in Verbindung mit einer Stoppuhr. Die Schneequalität wurde über das Schneegewicht und hinsichtlich der Schneestruktur beurteilt. Ich habe Anfang der 1980er Jahre bereits einen Arlberg Jet vollautomatisiert. Aus den dabei verwendeten Messfühlern habe ich dann gemeinsam mit Siemens einen vollelektronischen Prüfstand zur Messung aller relevanten Parameter entwickelt, der ständig auf dem neuesten Stand gehalten wird. Wir messen in Lech fast alle weltweit verfügbaren Beschneiungsgeräte, um immer up to date zu sein, was die Entwicklung der Beschneiungsgeräte anbelangt.

Auch beim Lawinenschutz hast Du Deine Spuren hinterlassen – Stichwort Lawinenorgel, die 1995 zusammen mit Doppelmayr entwickelt wurde. Was hat Dich dazu motiviert? Auch hier war Lech beim Einsatz 1997 weltweit Pionier.

Die immer noch aktuellen Sprengstoffwerfer „Lawinenorgeln“ bzw. „Lawinenwächter“ habe ich gemeinsam mit Dipl. Ing. Bernd Doppler und der Electronic-Firma Sommer entwickelt, um zu jeder Tageszeit und bei jeder Wetterlage ferngesteuert Lawinen auslösen zu können, mit im Gegensatz zur Gazex deutlich größerer Breitenwirkung und gleichzeitig mehreren Auslösepunkten von einem Standort aus. Parallel wurden auch Sprengmasten für die Detonation der Sprengladung über der Schneedecke entwickelt. Aktueller Hersteller dieser Geräte ist die Firma Inauen-Schätti, Schweiz. Ich war übrigens auch an der Lockerung des Lawinerlasses 2010 beteiligt…

Die Skigebietsverbindung Lech-Schröcken ist nach 40 Jahren mit dem 10 EUB Auenfeldjet (endlich) gelungen.

Die Skigebietsverbindung Lech-Schröcken ist nach 40 Jahren mit dem 10 EUB Auenfeldjet (endlich) gelungen.

Weitere Pioniertaten findet man bei Dir im Umweltbereich. Warum hast Du hier die Vorreiterrolle eingenommen? War Umweltschutz immer schon Teil Deiner Geschäftspolitik? Hängt das mit Deinem Verständnis von Qualitätstourismus zusammen?

1996 wurden die Skilifte Lech nach ISO 9001 zertifiziert, sodann auch nach ISO 14001 und 1999 nach EMAS. Umweltschutz im Seilbahnbereich war schon beim Skiliftpionier Sepp Bildstein oberste Maxime, in der Folge auch bei mir. Mein Umwelt-Engagement hat sich in vielen Funktionen niedergeschlagen.

Einige Beispiele:

  • Vorsitzender des Umweltforums des Fachverbandes der Seilbahnen in der WKÖ von 1989 bis 2000..
  • Meine Tätigkeit im ÖWAV (Österreichischer Abfall- und Wasserwirtschaftsverband) begann 1995 mit dem „Regelblatt Beschneiungsanlagen“, 1999 fortgesetzt mit „Regelblatt Skipisten“
  • Dem Österreichischen Normungsausschuss für Leitsysteme in Skigebieten gehörte ich direkt von 1983 bis zum Jahr 2000 und wieder seit 2018 an.
  • Dem Umweltforum der O.I.T.A.F., dem Internationalen Seilbahnverband, Studienausschuss VII, gehöre ich seit Anbeginn im Jahre 1992 bis heute an.
  • Die Internationalen Hochlagen-Umwelttagungen der Wirtschaftskammer Vorarlberg, Fachgruppe der Seilbahnen, habe ich im zweijährigen Rhythmus von 1978 bis 2000 organisiert und geleitet. Zweck dieser 12 internationalen, von renommierten Wissenschaftlern und Praktikern beschickten Umwelttagungen war, das Wissen der Theoretiker bzw. Wissenschaftler mit demjenigen der Praktiker zusammen zu führen, gemeinsam Problembereiche und Lösungen aufzuzeigen und betreffend die Hochlagenvegetation und den Erosionsschutz diese vor allem hier in Lech auf vielen Versuchsflächen zu demonstrieren bzw. auf Praxistauglichkeit zu testen. Das Echo in der Wissenschaft, bei den Behörden und den Anwendern von den Skigebieten über Gebirgsgemeinden bis zum Straßenbau war enorm, auch in den Medien.
  • Dem Umweltschutzbeirat des Landes Vorarlberg habe ich als Umweltexperte der Seilbahnwirtschaft nach meiner Erinnerung von 1998 bis zum Jahre 2008 angehört.
  • Von 2001 bis 2008 war ich Naturschutzrat der Vorarlberger Landesregierung.
  • 2009 wurde mein Einsatz für die Hochlagen-Renaturierung und zielgerichtetes Öko-Audit für Skigebiete durch die erstmalige Verleihung des Preises „pro Natura- pro Ski AWARD09“ anlässlich der Alpenkonferenz unter Teilnahme Österreichs in Evian/Frankreich prämiert.
  • 2012 Verleihung des Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich durch Bundespräsident Dr. Heinz Fischer, überreicht durch Bundesminister Dipl. Ing. Niki Berlakovich, für langjährigen Einsatz im Dienste der Umwelt.
  • Es gibt zahlreiche von mir initiierte wissenschaftliche Studien in den genannten Bereichen, zuletzt 2010 hinsichtlich der Auswirkungen von Beschneiung und Massenskilauf auf die alpine Vegetation im Kontext mit deren landwirtschaftlicher Pflege.

Stichwort „pflanzensoziologisches Gutachten“ 2010. Worum ging es hier und welches Ergebnis ist herausgekommen? Wurden deswegen die Vorarlberger Beschneiungsrichtlinien gelockert? Gibt es noch Konfliktpotenzial?

Das von uns in Auftrag gegebene pflanzensoziologische Gutachten untersuchte u. a. die möglichen Auswirkungen einer Vorverlegung des Beschneiungsbeginns auf den 1. 10. (bislang 1. 11..) hinsichtlich der vorkommenden Pflanzen- und Tierarten. Das Ergebnis war, dass Vegetation und Tierwelt durch frühzeitige Beschneiung keinen Schaden nehmen und die gleichmäßige Schneebedeckung sogar ein Schutz für die Wiesen bietet, die im Sommer eine artenreiche Blütenvielfalt zum Vorschein bringen.

Die Vorarlberger Beschneiungsrichtlinien wurden im Laufe der Jahre „gelockert“ und werden zwischenzeitlich ignoriert. Jeder, der es wissen will, hat inzwischen kapiert, dass Beschneiung für den Wintertourismus ein Muss ist und auch aus Sicht der Ökologie nur Vorteile hat, jedoch ein teurer „Spaß“ ist. Die Grasgrünen behaupten wider besseres Wissen immer noch, dass Beschneiung z.B. für die Vegetation schädlich sei.

Der Arlberg Jet, eine Erfindung von Michi Manhart

Der Arlberg Jet, eine Erfindung von Michi Manhart

Eines der Ergebnisse war, dass weniger die Beschneiung für den Zustand der Vegetation verantwortlich ist, sondern die späte Mahd und frühes Ausapern. Hier kommen ab 2008 Deine Hochlandrinder ins Spiel – wie stehen die damit im Zusammenhang?

Der Schutz der Vegetation und des Oberbodens bei rechtzeitiger und ausreichender Beschneiung vor Frost und Wechselfrost bewirkt wüchsige, artenreiche Blumenwiesen und schützt vor Bodenkriechen und damit Erosion. Eine späte erste Mahd erlaubt Versämung und bewirkt damit artenreiche Wiesen.

Die Skilifte Lech züchten Schottische Hochlandrinder, um Steilflächen zu beweiden, was Schneekriechen und damit Lawinenabgänge reduziert. Wir haben den höchstgelegenen Landwirtschaftsbetrieb „Schottenhof“ (1.760 m) und aktuell ca. 35 Schotten, die 8 Monate des Jahres „zuhause“ sind, und 4 Monate auf der Weide. So sind die Skilifte Lech auch aktive Landwirte durch Bewirtschaftung von ca. 48 ha Eigenflächen und zugepachteten, nicht mehr bewirtschafteten „Problemflächen“. Der innovative Schottenhof wird von vielen Landwirten, Gästen und auch Behördenleuten aus ganz Österreich besichtigt.

Wer mehr darüber wissen will kann nachlesen unter:

http://derzottl.at/oesterreichs-topmodernster-hochlandrinderbetrieb-in-vorarlberg-lech-am-arlbergoberlech/

Themenwechsel: Was hat es mit der 1991 eingeführten freiwilligen Selbstbeschränkung der Skifahrerzahl in Lech auf sich? Wie klappt das? Macht das eigentlich sonst noch jemand?

Wir wurden in Lech im Zuge des Baus der 4 KSB Schlegelkopf von der Vorarlberger Landesregierung gezwungen, Maßnahmen gegen den von Tagesgästen verursachten Straßenverkehr zu treffen. Ergebnis war eine Limitierung der Tageskarten. Dies ist erfahrungsgemäß nur ca. 5 bis 8 mal pro Wintersaison nötig. Tatsächlich ist es heute eher ein Werbegag und bei den Seilbahnerkollegen nicht geschätzt.

Die Skilifte Lech sind auch aktive Landwirte durch den „Schottenhof“ auf 1.760 m Höhe und verhindern durch Beweidung der Steil - flächen Schneekriechen, was wiederum Lawinenabgänge reduziert.

Die Skilifte Lech sind auch aktive Landwirte durch den „Schottenhof“ auf 1.760 m Höhe und verhindern durch Beweidung der Steil – flächen Schneekriechen, was wiederum Lawinenabgänge reduziert.

Was sind Deiner Meinung nach die gravierendsten Unterschiede in der Bergbahnbranche gegenüber früher? Und wie ist Lech z. B. da mitgezogen?

In meinen 47 Seilbahner-Jahren habe ich klarerweise alle Entwicklungen miterlebt. GF der Skilifte Lech wurde ich 1984. Die Skigebiete weltweit entwickeln sich ständig weiter. Skigebiets-Zusammenschlüsse mehren sich. Uns ist 2013 die Skigebietsverbindung Lech-Schröcken mit dem 10 EUB Auenfeldjet (endlich) gelungen.

Auch die Technik der Seilbahnen und der Pistenpräparierung werden laufend verbessert. 2011 realisierten wir z. B. die innovative Kombibahn „Weibermahd“ mit 10er Gondeln und 8er Sesseln, mit Kindersicherung und natürlich Sitzheizung. 2016 erfolgte der Neubau der Bergbahn Oberlech.

Themenweg „Arlenzauberweg“

Themenweg „Arlenzauberweg“

Du hast als technischer Visionär viel bewegt und auch Einfluss auf die Branche genommen. Bist Du rundum mit dem Ergebnis zufrieden?

Ich hätte noch einige gute Ideen, zu deren Realisierung angesichts der auf allen Ebenen verzögerten Verfahren leider ein Menschenleben nicht ausreicht. Alleine für die Realisierung der Skigebietsverbindung Lech – Warth / Schröcken brauchte ich genau 40 Jahre! Zufrieden bin ich nie, weil noch viel zu entwickeln ist bzw. wäre.

Hast Du noch Visionen, was Du gerne umsetzen würdest? Und wohin soll sich Deiner Meinung nach unsere Branche am besten bewegen – zu möglichst großen Einheiten oder weg vom Massentourismus oder…?

Ja manchmal träume ich von anderen Transportsystemen, die nicht mehr seilabhängig oder schienenabhängig sind! Ein bißchen Science Fiction sozusagen. Realistischer war da schon ein von mir angedachtes Kuppelsesselsystem, bei dem die Sessel in der Station nicht stehen bleiben, also langsam durchfahren. Ursprünglich gab es ja einen Stopp an gewisser Position (Patent POMA), von wo sie dann abgerufen wurden – was aber eine viel geringere Förderleistung ergibt. Nach wie vor träume ich von dem Projekt, dem Boden Wärme zu entziehen und sie zu nutzen. Wäre ökologisch perfekt, weil man weniger schneien muss, wenn man die Bodenoberfläche gleich auf 0° C hält und die Mikrolebewesen schlafen ohnehin. Dann habe ich eine sehr haltbare Piste und verwende die Abwärme z. B. zum Straßen Heizen, um sie eisfrei zu halten Ich würde es gerne mal auf einer Fläche von 1 ha ausprobieren! Zum Thema Tourismus: wir brauchen beides – eine gewisse Masse und natürlich auch eine gewisse Limitierung, die noch Qualität garantiert. Also eine vernünftige Lenkung der Massen in den Skigebieten durch Bahnförderleistungen, Preispolitik und auch Gastronomie.

Michi, wir danken für das Gespräch