Ab der Wintersaison 2012/13 gibt es im Tiroler Skigebiet See im Paznauntal Vollbeschneiung. Hinter dem großen Plus für die Gäste steht ein Projekt, das nicht nur für Schneesicherung sorgt, sondern auch saubere Energie liefert und damit einen wesentlichen Beitrag für nachhaltiges Wirtschaften leistet. Der Mountain Manager hat nachgefragt.

Ing. Herbert Zangerl, GF Bergbahnen See GmbH

MM: „Wie lange gibt es die Bergbahnen See GmbH, was waren die wichtigsten Eckdaten in der Entwicklung?“Ing. Herbert Zangerl: „Die Gemeinde See und das dazugehörige Skigebiet Medrigalm liegen am Taleingang des Paznaun. Von der Autobahnabfahrt Paznaun/ Pians ist See über eine gut ausgebaute Bundesstraße bereits nach 6 km erreichbar. 1972 wurde mit dem Ausbau des Skigebietes Medrigalm begonnen. Als erster Schritt wurde vom Ortszentrum von See eine Einersesselbahn und von der Bergstation dieser Sesselbahn ein Schlepplift Richtung Medrigkopf errichtet. Trotz der Tatsache, dass das Medrigjochgebiet aufgrund seiner Höhenlage von 1 050 m bis 2 450 m und seiner Nordwest-Exposition als relativ schneesicher gilt, wurde bereits 1991 mit dem Bau der Beschneiungsanlage begonnen. Ab Winter 2012/13 können wir von einer Vollbeschneiung sprechen. Aktuell verfügt unser Skigebiet über 8 Beförderungsanlagen mit einer Gesamtkapazität von rund 10 000 P/h. 33 Pistenkilometer aller Schwierigkeitsgrade, eine beleuchtete Naturrodelbahn sowie eine Nachtskilaufpiste und ein Funpark mit RiesenAirBag werden von den Anlagen erschlossen. Ein großzügiges abgeschlossenes Übungsgelände mit idealer Neigung macht Anfänger in kürzester Zeit zu Könnern. In unseren zwei Restaurants und unseren zwei Eisbars finden unsere Gäste rund 1 100 Sitzplätze vor, 650 davon auf sonnigen Terrassen mit traumhaftem Alpenpanorama.Die Chronologie auf einen Blick:1972/73: Betrieb der Medrigjochbahn, bestehend aus einer Einersesselbahn (ESL Medrigjoch), einem Schlepplift (Rauhkopflift) und dem Bergrestaurant Medrigalm.1976: Errichtung Almlift, Länge 380 m, Leistung 800 P/h.1978: Errichtung Panoramalift, Länge 720 m, Leistung 750 P/h.1983: Errichtung ESL-Zeinis, Länge 1 350 m, Leistung 780 P/h.1990: Errichtung 6 EUB Medrigjoch, Länge 1 554 m, Leistung 1 460 P/h, Errichtung 4 SB Rossmoos, Länge 1 040 m, Leistung 2 200 P/h, Restauranterweiterung auf 250 Sitzplätze.1990: Erweiterung Beschneiungsanlage, Bau Rodelbahn.1993/94: Bau Restaurant am Gratli, Zubau eines Sportgeschäftes mitten im Skigebiet, Ausbau Beschneiungsanlage, Errichtung Rodelbahnbeleuchtung.1997: Errichtung Snowboard-Funpark.2001: Bau der neuen Zeinisabfahrt, Errichtung eines Übungsgeländes oberhalb des Panoramarestaurants Medrigalm, Errichtung eines Gesundheits- und Wellnessparks hinter dem Panoramarestaurant.2002: Ersatz der 1er Sesselbahn Zeinis durch eine 6er Sesselbahn, Bau eines Tellerlifts, eines Stricklifts und Förderbandes auf dem Übungsgelände, Erweiterung der Beschneiungsanlage, Bau einer Beleuchtung für Nachtskilauf auf der neuen Zeinisabfahrt.2005: Bau Versingabfahrt, Planung und Baubeginn der Sprengseilbahn Versing I und Versing II, Errichtung von Spreng- und Zündmittellager.2007: Erweiterung der Beschneiungsanlage, Errichtung einer Schirmbar am Gratli.2008: Beginn Neutrassierung Talabfahrt, Errichtung eines Parkplatzes mit ca. 350 Stellplätzen direkt bei der Talstation der Gondelbahn, Errichtung Eisbar Medrigalm.2009: Beschneiungs- und Energiegewinnungsanlage: Neubau von 3 Maschinenhäusern (1 Pumpstation, 2 Wasserkraftanlagen), Fertigstellung der Verrohrung und der Beschneiung Talabfahrt, Fertigstellung Neutrassierung Talabfahrt, Anschaffung eines weiteren Förderbandes für die Übungswiese.2010: Erweiterung der Beschneiungsanlage, Umbau Free-Flow-Bereich im Panoramarestaurant Medrigalm, Pistenbau (Verbesserung Gratabfahrt, Planie Piste „Adrenalin“), Neubau Skibrücke Gratli, Fertigstellung Energiegewinnungsanlage, Errichtung eines neuen Pistenleitsystems, Errichtung eines Ortsinfokanals.2011: Errichtung eines Spielplatzes bei der Bergstation der Gondelbahn, Erweiterung der Beschneiungsanlage.2012: Erweiterung der Beschneiungsanlage – ab Winter 2012/13 ist eine Vollbeschneiung möglich, Ausbau des Panoramarestaurants für weitere 66 Sitzplätze, Neubau der Dieseltankstelle für Pistengeräte.“

In See/Paznauntal ist ab kommenden Winter Vollbeschneiung möglich.

MM: „Seit wann leiten Sie das Unternehmen und was ist Ihnen dabei wichtig?“Zangerl: „Ich bin seit Mitte 1997 Geschäftsführer der Bergbahnen See GmbH. Wichtig ist mir, die Gesellschaft, die immer in Finanznöten war, so aufzustellen, dass sie funktioniert und aus eigener Kraft die notwendigen Erlöse erwirtschaften kann. Als Ziel sehe ich ein Unternehmen, das sich am Markt behauptet und konkurrenzfähig ist. Dazu sind noch einige Schritte notwendig, wobei ein Aspekt die Größe des Skigebietes sein wird. Wir haben sicher noch Entwicklungspotenzial und müssen versuchen, es zu nützen – das ist schwierig, aber nicht aussichtslos. Man kann aus der Bergbahnen See GmbH sicher etwas machen, aber der Weg ist steinig.“„Ab der Wintersaison 2012/13 verfügen wir über eine Vollbeschneiung“MM: „Welche Gästeschichten sprechen Sie im Sommer und Winter an, wie sieht das Einzugsgebiet aus?“Zangerl: „Der Großteil der Gäste kommt aus Deutschland, dazu haben wir Urlauber aus Holland und der Schweiz. See ist aber auch ein Gebiet, das von den Einheimischen zum Skifahren genutzt wird. Was Tagesgäste generell betrifft, haben wir den Nachteil, dass wir verkehrstechnisch z. B. von Süddeutschland her nicht ganz so schnell erreichbar sind wie etwa das Zillertal. Die Fahrzeit ist etwas länger und das wird von den Gästen nicht so gern in Kauf genommen. Was man vielfach aber nicht weiß, ist die Tatsache, dass die Staugefahr zu uns viel geringer und die Schneesicherheit aufgrund der Höhenlage größer ist. Es würde sich also durchaus lohnen, den etwas weiteren Anreiseweg in Kauf zu nehmen.An Gästen sprechen wir natürlich Familien an, weil wir im Skigebiet ein eigenes, sehr flaches Übungsgelände für Kinder haben. Da gibt es Förderbänder und einen Tellerlift. Tellerlifte sind meiner Meinung nach besonders gut für Anfänger, weil man von Anfang an das Gleichgewicht trainiert. Wir haben außerdem einen sehr preiswerten Gästekindergarten, wo Kinder auch stundenweise betreut werden. Kinder können einfach nur eine oder 2 Stunden bleiben, wenn sie müde sind, aber die Eltern vielleicht nochmals eine Abfahrt machen wollen. Für Familien ist unser Gebiet auch deshalb sehr gut geeignet, weil alle steilen Pistenpassagen mit Hilfe von leichteren Wegen umfahren werden können.“

Kraftwerk Oberstufe, Fassung Istalanzbach Tirolerwehr.

MM: „Was bieten Sie im Winter, gibt es Neuheiten für die kommende Saison?“Zangerl: „Wir haben in See über 33 Pistenkilometer und eine Förderkapazität bei den Aufstiegsanlagen von rund 10 000 P/h. An Bahnen stehen eine 6er Kabinenbahn, eine 6er und eine 4er Sesselbahn, 3 Schlepplifte, 1 Kinderlift und 2 Förderbänder zur Verfügung. Mit unserer Beschneiungsanlage werden wir diesen Winter die Vollbeschneiung erreichen und damit beste Bedingungen für eine lückenlose Betriebsführung von Mitte Dezember bis nach Ostern haben. An speziellen Angeboten gibt es z. B. eine 3 km lange Buckelpiste, einen RiesenAirBag im Funpark, eine 6 km lange und beleuchtete Rodelbahn, 2 Restaurants und 2 Eisbars. Dazu sind wir für den Nachtskilauf gerüstet und bieten auf einem separaten Areal das schon erwähnte Übungsgelände für Anfänger. Für den kommenden Winter gibt es eine Erweiterung für das Panoramarestaurant. Außerdem nehmen wir im Moment die letzte Ausbaustufe der Beschneiungsanlage in Angriff. Es werden noch einige Kilometer an Rohrleitungen verlegt, sodass wir dann über eine Vollbeschneiung verfügen. Aufgerüstet wird auch unsere Tankstelle, damit wir unsere Pistenfahrzeuge leicht und zuverlässig auftanken und so sicherstellen können, dass unsere Pisten optimal präpariert sind. Unsere gesamt Flotte besteht aus Prinoth Everest Windenmaschinen, weil wir unseren Gästen mit den Windenmaschinen einfach bessere Pisten zur Verfügung stellen können.“MM: „Wie sieht das Angebot im Sommer 2012 aus?“Zangerl: „Das Sommerangebot ist auf das Wandern ausgerichtet. Wir haben Wanderwege, die für Familien gut geeignet und dementsprechend auch sehr kurz sind. Man kann z. B. die Versing Alm erwandern, wo es kaum Höhe zu überwinden gibt. Für den, der etwas höher hinaus will, bietet sich die Ascherhütte an. Die Bergstation der Medrigbahn liegt auf 1 800 m, die Ascherhütte liegt noch 400 m höher. Von dort hat man einen wunderbaren Blick auf die Gipfel der Umgebung, die alle um 3 000 m hoch sind und die man mit entsprechendem Zeitaufwand ebenfalls erwandern kann.An der Bergstation der Medrigbahn haben wir außerdem einen kleinen Wellnessbereich angelegt. Dort gibt es einige Stationen mit unterschiedlichen Angeboten. So kann man z. B. nach einer Wanderungkneippen oder sich auf den Fußmassageweg machen, auf dem müde Füße wieder frisch werden.“MM: „Das Unternehmen bezeichnet sich als ‚Bergbahn mit dem grünen Punkt‘, was genau versteht man darunter?“Zangerl: „Seilbahnen sind Unternehmen, die Energie verbrauchen, vor allem, wenn beschneit wird. Diese Energie muss erzeugt werden. Der weitaus größte Teil der Energie entsteht üblicherweise aus fossilen Brennstoffen. Wenn also nicht Wasserkraft, die Sonne oder der Wind zur Energiegewinnung herangezogen werden, ist damit auch immer ein entsprechender CO2-Ausstoß verbunden. Wir hingegen erzeugen mit unserem Wasserkraftwerk saubere Energie, sauberen Strom – und zwar in der Jahresbilanz viermal so viel Energie, wie wir selbst benötigen.“MM: „Was hat Sie dazu veranlasst, verstärkt im Bereich Umweltmanagement aktiv zu werden? Wie war die Ausgangssituation, was wollte man verändern?“Zangerl: „Nahezu alles, was der Mensch tut, belastet die Umwelt. Als Bergbahnunternehmen sind wir um einen positiven Umgang mit der Natur bemüht, das liegt in der Natur der Sache. Natürlich ist der Bau einer Seilbahn ein Eingriff in die Natur, wir sind aber bemüht, in allen Bereichen möglichst umweltschonend vorzugehen. Deshalb ist es uns ein Anliegen, die Energieintensität des Unternehmens auszugleichen. Darüber hinaus ist es für uns natürlich auch wichtig, eine effiziente Beschneiungsanlage zu haben. Mit dem System Wasserkraftwerk und Beschneiung haben wir beides sehr gut verbunden.“

Unterstufe Generator-Turbineneinheit.

MM: „Wann wurde mit den Aktivitäten begonnen, wie ist der Stand der Dinge im Moment?“Zangerl: „2006 haben wir begonnen, über die Wasserkraft nachzudenken und ein Projekt entwickelt, mit dem wir in einem ersten Schritt nicht weitergekommen sind. Dann haben wir die Idee umgestaltet und 2009/10 unsere Wasserkraftanlage gebaut. Das Ergebnis kann man jetzt vor Ort sehen. Die Anlage, mit der wir ,grüne Energie‘ produzieren, ist mittlerweile voll in Betrieb und erfüllt die Erwartungen, die wir in sie gesetzt haben, voll und ganz.“MM: „Was hat der Urlauber von einer ‚Bergbahn mit dem grünen Punkt’?“Zangerl: Der Gast, der über ein ökologisches Gewissen verfügt, wird den Umgang mit der Natur zu schätzen wissen und sehen, dass wir nicht nur Energieverbraucher sind, sondern durch das Wasserkraftwerk auch Lieferant einer sauberen Energie. Dazu kann er sich darauf verlassen, dass wir eine Vollbeschneiung und vor allem auch eine beschneite Talabfahrt bis auf 1 000 m Seehöhe herab anbieten können, und das von Dezember bis Ostern.“MM: „Wie beurteilen Sie den Stellenwert des Bereichs „Umwelt/Energiemanagement“ bei Bergbahnen generell? Wird er schon genügend berücksichtigt?“Zangerl: „Ohne mich jetzt in die Betriebsführung anderer Unternehmen einmischen zu wollen, bin ich doch der Meinung, dass bei einigen Bergbahnen Potenziale vorhanden wären, die zum jetzigen Zeitpunkt nicht so genutzt werden, wie man sie nutzen könnte. Ich muss dazu sagen, dass wir in unserem Skigebiet in der glücklichen Lage sind, zwei gut schüttende Bäche zu haben. Damit verfügen wir über Voraussetzungen, die eher selten sind. Aber ich denke, dass man auch in anderen Betrieben durchaus Potenzial vorfinden würde, über das es sich lohnt nachzudenken, wie man es nutzbar machen kann.“MM: „Wo sehen Sie für Ihr Unternehmen die größten Herausforderungen für die nächsten Jahre?“Zangerl: „Die größte Herausforderung wird sein, dass wir unser Gebiet etwas erweitern und versuchen, weitere Anlagen zu bauen und Pistenflächen zu erschließen. Wir haben sehr schöne Abfahrten, aber nur 33 Pistenkilometer. Der Gast fordert im Allgemeinen doch etwas mehr an Pisten und deswegen werden wir versuchen, diesem Wunsch, so gut wir können, Folge zu leisten. dwl

Fußmassageweg Medrigalm.

ENERGIEGEWINNUNG UND BESCHNEIUNG2006 wurden erste Pläne für das moderne Energiegewinnungs- und Beschneiungssystem der Bergbahnen See im Paznauntal erstellt. Diese wurden in den folgenden 3 Jahren überarbeitet und optimiert, sodass man 2009/10 an die Realisierung gehen konnte. Gebaut wurden 2009 insgesamt 3 Maschinenhäuser, also 1 Pumpstation und 2 Wasserkraftanlagen.Mit dem durchdachten und exakt auf die Bedürfnisse abgestimmten System ist es in der Gesamtjahresbilanz möglich, viermal so viel Energie zu produzieren, wie man im Skigebiet benötigt.Als Energielieferant stehen der Istalanzbach und der Schallerbach zur Verfügung. Die Triebwasserleitungen aus den Wasserfassungen Istalanzbach und Schallerbach werden in der Pumpstation, die sich in der Nähe der Bergstation der Medrigbahn befindet, vereinigt und dann mit einer Ableitung in das Kraftwerk Oberstufe geleitet. In diesem Bereich steht zur Stromgewinnung eine Pelton-Turbine zur Verfügung.Das Brauchwasser aus dem Kraftwerk Oberstufe und das Wasser der Wasserfassung Tirolerwehr/Istalanzbrücke wird in das Kraftwerk Unterstufe geleitet, wo wiederum eine Pelton-Turbine zur Stromproduktion eingesetzt wird. Die Energiegewinnung steht im Frühjahr, Sommer und Herbst im Blickpunkt. Im Winter wird das gesamte Wasser über entsprechende Pumpen und Feldleitungen für die Beschneiung zur Verfügung gestellt. Die Anlage läuft vollautomatisch, wobei in den einzelnen Kreisläufen auch manuell und per Smartphone eingegriffen werden kann.