„Unsere Zukunft entscheidet sich am 9. Juni“

Skifahren auf der Plose. Fotos: Plose Ski AG © Grüner Thomas

Die Plose-Seilbahn AG wird 2014 Jubiläum feiern. Schon in den nächsten Wochen aber wird sich entscheiden, welcher Weg für die Zukunft offensteht. Der Mountain Manager hat sich mit Alessandro Marzola über die derzeitige Situation und die künftigen Möglichkeiten unterhalten.
MM: „2012 wurde die Plose-Seilbahn AG 50 Jahre alt, geben Sie bitte einen kurzen Überblick über die wechselvolle Geschichte des Unternehmens. Wie ist Ihre
Familie mit dem Unternehmen verbunden?“
Alessandro Marzola: „Die ersten Gedanken, eine Seilbahn zu bauen, gab es schon 1907. Dann ist lange nichts passiert. 1962 wurde die Gesellschaft gegründet, eingeweiht wurde die erste Seilbahn dann allerdings am 4. Februar 1964. Deshalb feiern wir unser Jubiläum auch 2014. Die Geschichte der Plose-Seilbahn war von Anfang an gekennzeichnet durch große Diskussionen und Schwierigkeiten bei der Finanzierung. Schon 1983 stand man dann vor der Entscheidung, die Bahn zu schließen oder weiterzumachen. Durch ein geplantes finanzielles Engagement von Walter Klaus wurden Konzepte für die Bahn entwickelt, die man nach dem Ausstieg von Walter Klaus selber in die Hand nahm. 1985
wurde mein Vater, damals Präsident von Dolomiti Superski, ins Boot geholt. Dann wurde gebaut und 1989/1990 kamen zwei Winter ohne Schnee. Die Gesellschaft stand wieder vor dem Aus. Mein Vater hat dann eine Kapitalerhöhung gezeichnet, weil niemand anderer dazu bereit war. Seitdem kämpfen wir uns von Jahr zu Jahr durch. Ende der 90er Jahre wurde wieder investiert. Heute betreiben wir 9 Aufstiegsanlagen, die zum Teil schon älter sind, zum Teil auch neuer. Wirtschaftlich ist es der Gesellschaft nie gut gegangen, insofern konnten nie große Entwicklungskonzepte umgesetzt werden. 2007 waren wir wieder soweit wie Mitte der 80er Jahre und ich habe klargestellt, dass wir einen Betrieb nicht aufrechthalten können, der keine Zukunftsperspektive hat. 2008 wurde dann die Malik-Studie in Angriff genommen, die die Stärken von Brixen und der Plose untersuchen und Zukunftschancen ermitteln sollte. Dabei ist man zum Schluss gekommen, dass man die Stadt mit dem Berg verbinden muss und das ist im Moment der Knackpunkt für unsere Zukunft: Kommt die Verbindung oder kommt sie nicht.“
MM: „War es für Sie immer klar, für das Unternehmen tätig sein zu wollen?“
Marzola: „Ehrlich gesagt, war das nicht von vornherein geplant. Um die Plose-Seilbahn hat sich mein Vater gekümmert. Ich bin nach dem Studium nach Südamerika gegangen und habe dort gearbeitet. Als ich später zurückkam, hat es sich durch die Entwicklung dieser Zeit ergeben, dass man in Brixen jemanden gebraucht hat. Ich bin dann nach Brixen übersiedelt und habe beschlossen, mich dieser Aufgabe zu stellen. Dazu musste ich mich natürlich erst einmal einarbeiten und den Betrieb kennenlernen.“
MM: „Was sehen Sie als Ihre wichtigsten Aufgaben?“
Marzola: „Im Grunde genommen, hat man eine große soziale Verantwortung. Aus unternehmerischer Sicht haben wir kein gut gehendes Unternehmen, es hängt aber sehr viel vom Unternehmen ab. Betroffen sind nämlich an die 300 Arbeitsplätze am Berg und man möchte natürlich dazu beitragen, dass diese auch Bestand haben. Aus der Gesellschaft ein gut gehendes Unternehmen zu machen, ist sehr schwierig. Es ist aber ein Ziel, dass der Betrieb auch in Zukunft selbstständig ist und weiterbestehen kann. Es kann nicht unser Ziel sein, von Förderungen oder öffentlicher Unterstützung abhängig zu sein.“
MM: „Wie sind Sie mit der laufenden Wintersaison zufrieden?“
Marzola: „Mit der laufenden Wintersaison sind wir sehr zufrieden, sie läuft sehr gut. Wir werden wie 2011 – das war unser bester Winter bisher – wieder 250 000 Ersteintritte haben. Unser Hauptmarkt ist Italien und angesichts der Krisenstimmung, die sich hier bemerkbar gemacht hat, wussten wir nicht, was wir für diese Saison erwarten können. Der Wintertourismus hat aber einmal mehr bewiesen, dass die Menschen, wenn genügend Schnee da ist, nicht auf ihren Urlaub im Schnee verzichten.“

Der „WoodyWalk“ lockt im Sommer Besucher an.

„Brixen ist keine klassische Skidestination“
MM: „Was bietet die Plose ihren Gästen im Winter?“
Marzola: „Unser Angebot war bis 2007 sehr Ski-alpin-lastig. Wir haben abwechslungsreiche Pisten, viele sind südseitig ausgerichtet. Rund 80 % der Pisten liegen außerdem zwischen 2 000 und 2 500 m, also relativ hoch und außerhalb der Waldgrenze. Dennoch war das Angebot recht eng ausgelegt. Durch das Tourismuskonzept, das aus der Malik-Studie entstanden ist, haben wir unser Angebot erweitert. In der Zwischenzeit haben wir einen der größten Funparks in Dolomiti Superski, einfach um den jungen Leuten und den Freestylern etwas zu bieten. Wir haben die längste Rodelbahn der Dolomiten mit einer Länge von 10,5 km und das wird auch immer mehr nachgefragt. Wir hatten jetzt an den Wochenenden immer mindestens 2 000 Gäste, die auf die Rodelbahn gehen. Dabei sind natürlich viele Skifahrer, die das Zusatzangebot nutzen. Am Vormittag wird Ski gefahren, am Nachmittag fährt man dann nochmal mit der Rodel. Beim Ticketverkauf wirkt sich das kaum aus, aber das Angebot wird natürlich vielfältiger. Gut nachgefragt werden auch Schneeschuhwanderungen. Dazu haben wir Schneeschuh-Wanderwege und auch Winter-Wanderwege ausgewiesen und ausgebaut und werden das auch in Zukunft machen. Brixen ist keine klassische Skidestination, deshalb haben wir ein vielfältiges Angebot. Gäste kaufen keinen 6-Tages-Skipass, sondern eine Tageskarte und gehen dann wandern oder genießen auch einfach den Aufenthalt am Berg.“
MM: „Wie sieht das Angebot im Sommer aus?“
Marzola: „Bis vor wenigen Jahren haben wir den Sommer kaum genutzt. Der Sommer hat in dieser Zeit rund 3 % des Umsatzes ausgemacht. Seit 2008 haben wir auch für den Sommer viel getan. Wir machen nach der Wintersaison richtig sauber, damit alles, was an den Winter erinnert, aus dem Blickfeld verschwindet. Es gibt bei uns viele Wanderwege, z. B. einen Themenweg für Familien, den „WoodyWalk“ mit einigen Stationen, Ruhe- und Spielplätzen. Dazu einen 2,5 km langen Wanderweg, der auf die Rossalm führt. Wandern wird bei uns viel nachgefragt. Dazu haben wir vor 2 Jahren mit dem „Geocaching“ angefangen. Allein in Deutschland gibt es 190 000 Geocacher, also begeisterte Wanderer, die sich bei ihrem Aufenthalt in den Bergen noch zusätzlich betätigen wollen. Das Angebot werden wir noch erweitern. Wir haben auf der Plose einen 360°-Ausblick auf die Dolomiten, das bietet sich dafür natürlich an. Seit letztem Jahr bieten wir außerdem die Mountain-Karts an, mit denen man anstelle der Kabinenbahn ins Tal abfahren kann. Der Ansturm darauf war wirklich erstaunlich, teilweise gab es Wartezeiten bis zu 2 Stunden. Das haben die Gäste aber in Kauf genommen, um die Karts auszuprobieren. Für dieses Jahr werden wir zusätzliche 20 Karts ins Angebot nehmen, damit wir die Wartezeiten reduzieren. Für diesen Sommer werden wir dann außerdem einen Singletrail für Mountainbiker anbieten können. An der Bergstation hat es schon bisher Strecken für Mountainbiker gegeben, jetzt kommt das Angebot für Abfahrer dazu.“
MM: „Wie sehen Sie den Stellenwert des Unternehmens in der Region/in Südtirol?“
Marzola: „Für Südtirol haben wir keine große Bedeutung, da gibt es große und starke Mitbewerber. Für die Stadt Brixen sind wir natürlich sehr wichtig. Da ist die Plose ein Naherholungsgebiet für unsere 20 000 Einwohner, die das Angebot sowohl im Sommer als auch im Winter gut nutzen. Unser Hauptmarkt ist
damit auch der städtische Bereich hier. Natürlich ist die Plose als Motor für den Tourismus zu sehen. Wir haben am Berg auch 300 Mitarbeiter, vor allem Einheimische, die meisten auch Bergbauern, die eine Nebenerwerbsmöglichkeit haben. Deswegen ist das Unternehmen für Brixen auch sehr wichtig.“

Seilbahnprojekt Brixen – St. Andrä/Überflug

„Das Ziel wäre, mehr Wertschöpfung in die Stadt zu bringen“
MM: „Seit einigen Monaten wird intensiv über eine neue Zubringer-Seilbahn Brixen – St. Andrä diskutiert. Stellen Sie das Projekt/die Ambitionen bitte kurz vor.“
Marzola: „Durch die Malik-Studie hat man versucht, das USP von Brixen und der Plose herauszuschälen. Dabei hat man die Verbindung von Stadt und Berg als Einzigartigkeit erkannt. Wir haben die Möglichkeit, von einer mittelalterlichen Bischofsstadt mit mediterranem Klima innerhalb von einer Viertelstunde in den hochalpinen Bereich zu gelangen. Nur wenige Städte haben eine solche Voraussetzung, die man touristisch zu allen 4 Jahreszeiten nutzen kann. Eine Seilbahn-Anbindung Stadt – Berg, also Brixen – Talstation Plosebahn/St. Andrä wäre demnach wünschenswert. Dazu kommt, dass das Land Südtirol im Bereich Mobilität die Vision verwirklichen möchte, mit dem Zug im 30-Minuten-Takt durchs ganze Land fahren zu können. Brixen liegt nahezu in der Mitte dieser Eisenbahnverbindung, sodass sich unser Einzugsgebiet für die Stadt und den Berg enorm erweitern würde. Das Land Südtirol würde eine neue Zubringer-Seilbahn finanzieren, aber nur, wenn der Einstiegsbereich beim Bahnhof liegt und damit eine direkte Anbindung geschaffen wird. Eine andere Position würde vom Land nicht unterstützt, die Gemeinde und die Bergbahn allein könnten so ein Projekt auch nicht verwirklichen.
Das Ziel wäre, mehr Wertschöpfung in die Stadt zu bringen. Wenn es der Stadt gut geht, dann geht es auch auf der Plose gut. Wenn man auf der Plose Probleme hat, ist das nur ein Spiegelbild, wie es in der Stadt geht. Wir brauchen einfach einen wirtschaftlichen Impuls, um unsere verschlafene Bischofsstadt wieder auf Vordermann zu bringen.“
MM: „Was spricht für das Projekt, welche Argumente haben die Gegner?“
Marzola: „Dafür spricht viel. Zuerst würden wir die Plose als Ski- und Wandergebiet erhalten können. Mit dieser Investition stehen außerdem eine ganze Reihe anderer Investitionen in Zusammenhang. Es werden Hotels entstehen, die uns die Betten für mehr Gäste zur Verfügung stellen. Wir brauchen Investitionen am Berg in die Schneesicherheit und in die Gastronomie. Für die Gastronomie gibt es sehr gute Ideen, aber natürlich warten die Investoren, wie es mit der Seilbahn weitergeht. Ein weiterer Grund für die Anbindung Brixen/Bahnhof – St. Andrä ist die Erhaltung der 300 Arbeitsplätze am Berg, außerdem muss für den Bahnhofsbereich dringend etwas gemacht werden. Es gibt da ein 5 ha großes Gelände, das brach liegt. Durch den Bau der Seilbahn würde das gesamte Bahnhofsareal neu gestaltet werden, man würde Parkplätze und ein attraktives Gelände haben. Außerdem würde der Bahnhof durch die Umgestaltung endlich auch näher an die Stadt heranrücken.
Die Hauptargumente der Gegner sind landschaftliche Aspekte und die Thematik „Überflug“, also Verminderung der Privatsphäre und ein befürchteter Wertverlust von Immobilen. Grundsätzlich sieht man weniger das Gesamtprojekt, mehr einzelne Aspekte.“

Rondell.

MM: „Wie ist die Situation im Moment, wie man hört, soll es eine Volksbefragung geben?“
Marzola: „Es wird eine Volksbefragung geben. Sie wird am 4. April im Gemeinderat beschlossen. Die derzeitige Diskussion dreht sich um die Art der Fragestellung. Die Südtiroler Volkspartei schlägt vor zu entscheiden, ob man für den Standort Bahnhof ist oder nicht, da nur dieser als Einstiegsstelle zur Seilbahn vom Land akzeptiert und das Projekt dann auch gefördert wird. Andere Parteien wollen 3 Standorte zur Wahl stellen, die bei der Projektbewertung am besten abgeschnitten haben. Dabei wären aber 2 Standorte, selbst wenn man sich dafür ausspricht, nicht realisierbar, weil es keine Finanzierung gibt. Die Volksbefragung wird dann am 9. Juni stattfinden. Dann wissen wir, wie es weitergeht.“
MM: „Anfang Januar wurde das Komitee ‚PRO-Seilbahn-Brixen’ gegründet, wie viele Mitglieder gibt es – was sind die Ziele?“
Marzola: „Wir leben in einer Kultur, die von den Neinsagern geprägt ist. Deshalb war es wichtig, etwas für das Projekt zu tun. Dazu wurde das Komitee „PRO-Seilbahn-Brixen“ gegründet, das derzeit rund 1 500 Mitglieder hat. Das Hauptziel ist es, die Bürger sachlich zu informieren. In Diskussionen merkt man immer wieder, dass viele Leute nicht oder wenig informiert sind. Das wollen wir ändern. Wir haben eine Internetseite www.seilbahn-brixen.it, auf der alle Fragen der Bevölkerung beantwortet werden und wir uns auch bemühen, dem Projekt eine Vision mitzugeben. Es geht schließlich darum, die Zukunft zu gestalten und zu sagen, was dieses Projekt für uns und unsere Kinder bedeutet.“
MM: „Ein Problem, das sich immer auch auf das Seilbahnunternehmen ausgewirkt hat, waren fehlende Übernachtungsmöglichkeiten. Gibt es hier Pläne?“
Marzola: „Pläne gibt es. Als Ergebnis der Malik-Studie wurde z. B. Investoren die Möglichkeit geboten, im Raum der Talstation der heutigen Kabinenbahn Hotels zu errichten. Es gibt auch 3 Interessenten, für ein Hotel mit 100 Zimmern gibt es schon eine Baugenehmigung. Für ein Hotel mit 200 Zimmern in unmittelbarer Nähe unseres Parkplatzes ist die Bauleitplanänderung im Gange. Ebenfalls in der Nähe soll ein weiteres Hotel mit 80 bis 100 Zimmern entstehen, das von den Betreibern des „Hotels Adler“ geplant wird. Es gibt also Interessenten, aber alle warten ab, ob die neue Bahn kommt. Man will einfach sehen, wie die Tourismusgesinnung in der Gemeinde ist und ob es eine Zukunft gibt. Wenn keine Seilbahn kommt, nehme ich an, dass sich diese Pläne zerschlagen, da wäre dann das finanzielle Risiko einfach zu hoch.“
MM: „Wie sehen Sie die künftige Entwicklung der ­Plose AG?“
Marzola: „Unsere Zukunft ist sehr eng damit verbunden, wie am 9. Juni entschieden wird. Wenn diese Volksbefragung positiv ausgeht, wird wieder eine Aufbruchsstimmung entstehen, die uns vorwärts bringt. Kommt die Seilbahn nicht, dann wird es eng. Dann werden wir in weiterer Folge den Betrieb auch so zurechtstutzen müssen, dass er überlebensfähig ist. Dann wird er die zentrale Rolle von heute nicht mehr haben. Er wird in einem Kleinformat vielleicht überleben können, es wird aber Einschnitte geben. Wir hoffen, dass das nicht passiert. Es wäre schade, weil das Potenzial hier enorm ist, ein Angebot für alle 4 Jahreszeiten zu schaffen.“ dwl