Die Schilthornbahn AG in Mürren, ein Teil des UNESCO Weltkulturerbes Jungfrauregion, hat kürzlich mit der Eröffnung der BOND WORLD ein starkes Zeichen bei der Inszenierung des Berges gesetzt. Die seit 45 Jahren als Filmkulisse für den 6. Bond-Film bekannte Destination Piz Gloria wurde (endlich) den Gästewünschen gemäß stilecht thematisiert. Dieser und weitere wichtige Schachzüge sind dem neuen Direktor Christoph Egger zuzuschreiben, der vor etwas mehr als einem Jahr vom benachbarten Grindelwald-First hierher gewechselt hat.

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MM: Herr Egger, schildern Sie bitte zunächst Ihren Werdegang in die Seilbahnbranche bis zu Ihrer aktuellen Position sowie alle einschlägigen Funktionen im touristischen Bereich.Egger: Ich bin in Grindelwald aufgewachsen und zur Schule gegangen, dann habe ich Betriebswirtschaft studiert. Meine erste Stelle war bei Hotelplan, der zweitgrößten Reiseorganisation der Schweiz und anschließend bin ich bereits in das Bergbahn-Business eingestiegen als Marketingleiter 199799 bei den Bergbahnen in Davos. 1999 wechselte ich zur Bergbahn Grindelwald-First. Per Fusion kam dieses Unternehmen 2004 dann zur Jungfraubahn Holding und ich in Folge zur Geschäftsleitung, zuständig für den gesamten Seilbahntechnik-Bereich im Gebiet Grindelwald-First und Kleine Scheidegg. Im November 2011 schied ich dort aus und wechselte schließlich zur Schilthornbahn als Direktor. Mein Vorgänger Peter Feuz nimmt inzwischen die Stelle des Verwaltungsratspräsidenten ein. Weiters über ich seit 7 Jahren die Funktion des Vizepräsidenten im Schweizer Seilbahnverband sowie des Präsidenten der Berner Bergbahnen aus. Ein für mich nicht unwichtiges Detail ist, dass ich mit 20 Jahren das Skilehrer-Patent erworben habe  was die akademische Ausbildung praktisch ergänzt hat. Schließlich bin ich auch in diversen Organisationskomitees tätig wie z.B. dem Lauberhornrennen.MM: Bitte geben Sie einen kurzen geschichtlichen Überblick über die Entwicklung der Schilthornbahn AG von den Anfängen 1967 bis heute. Was waren die markantesten Eckpfeiler?Egger: Die wichtigsten Eckpfeiler sind aus meiner Sicht  abgesehen von der Gründung 1962 der Schilthornbahn AG  1967 die Erschließung ganz oben vom Schilthorn, die fast mit dem Dreh des James Bond-Filmes ein Jahr später zusammenfiel. Dieses Ereignis hat 1968 die Bekanntheit des Ausflugs- aber auch Wintersportgebietes enorm gesteigert. 1969 wurde das Drehrestaurant ,Piz Gloria eröffnet und 198890 ausgebaut. Im Jahr 2000 kamen zur Luftseilbahn Schilthornbahn die Standseilbahn Allmendhubel sowie alle Sesselbahnen und Skilifte in Mürren dazu. 2003 wurden auch in Sektion 3 die Panoramakabinen erneuert (Sektion 1, 2 und 4 bereits 1995), von 20062009 wurden zwei kuppelbare 4er Sesselbahnen und eine 2er Sesselbahn errichtet.

Die Luftseilbahn der Schilthornbahn AG führt in 4 Sektionen von Stechelberg (867 m) zum Piz Gloria (Schilthorn, 2970 m). Fotos: Schilthornbahn 5

MM: Wann und warum kam die Idee zum 1. Drehrestaurant auf, welche Bedeutung hatte es einst und ist diese Bedeutung heute noch die gleiche? Hat sich das Angebot verändert bzw. das Gästeverhalten?Egger: Ernst Feuz und ein Architekt Wolf aus Bern hatten diese Idee schon sehr früh. Bei der Entstehungsgeschichte der Schilthornbahn bzw. des Schilthorns hatte das drehende Element immer eine große Bedeutung. Jedenfalls war das Drehrestaurant ,Piz Gloria dann das erste in den Bergen realisierte Drehrestaurant überhaupt. Gleichzeitig wurden aber auch im Bewilligungsverfahren für die Bahn doppelstöckige, rotierende Luftseilbahnkabinen beantragt. Das wurde damals leider vom Bundesrat abgelehnt. Aber der 360°-Blick in der Kabine und im Restaurant war damals ein sehr zentrales Thema. Und wenn man das Schilthorn als Aussichtspunkt kennt, ist es auch leicht nachvollziehbar, dass man diesen Rundblick bis in den Schwarzwald und zum Mont Blanc bzw. zu Eiger, Mönch und Jungfrau zum USP ausbauen wollte. Das Schilthorn war also ein echter Pionier auf diesem Sektor!Heute wird das Drehrestaurant nicht mehr als Pionierwerk erachtet, die Leute wissen es nicht oder es interessiert sie nicht, dass Piz Gloria das erste seiner Art in den Bergen war. Die Bedeutung für den Gast ist nach wie vor dieselbe: der Rundblick und die 360° Drehung rundum in 47 Minuten sind faszinierend. Vom Erlebnischarakter her ist es immer noch ein Zugpferd.Mit allen Modeerscheinungen in der Küche hat sich das Angebot im Restaurant natürlich verändert. Es wurde wieder fokussierter, bodenständiger, Schweiz-bezogener  mit Ausnahmen. Gäste aus gewissen Märkten, die wir bearbeiten, kommen nur, wenn sie ihre bekannten Speisen essen können  etwa Halal Food Indisch. Insofern hat sich das Angebot dem Gästeverhalten, der Nachfragestruktur angepasst. Unser Ziel ist es, alle Märkte, die wir aktiv bewerben, auch kulinarisch abholen zu können. Die Vorlieben werden bereits vom Reiseveranstalter für die Gruppe mitgebucht.

Das 360° Drehrestaurant Piz Gloria auf Schilthorn war das erste seiner Art in den Bergen und präsentiert in 47 Minuten Drehzeit über 200 Gipfel.

MM: 1968/69 hattet Ihr das Glück, u.a. mit dem Piz Gloria Drehort für den James Bond-Film ,Im Geheimdienst Ihrer Majestät zu sein. Wie kam dieses ,Glück zustande, wie hat es sich auf den Bekanntheitsgrad ausgewirkt und warum will man erst jetzt, 45 Jahre später, einen konkreten Nutzen bei der Positionierung mit der BOND WORLD 007 daraus ziehen?Egger: Hier hat der Zufall Regie geführt. Hubert Fröhlich von Eon-Productions Filmgesellschaft war im Alpenraum auf der Suche nach einem geeigneten Berggipfel. Nach etlichen erfolglosen Versuchen machte er halt in unserer Region und logierte in Grindelwald. Der Concierge des Grand Hotels Bär zeigte ihm eine Postkarte vom Schilthorn und informierte darüber, dass dort gerade eine Bergbahn samt Drehrestaurant im Entstehen sei, das sich dafür eignen würde. Fröhlich nahm daraufhin Kontakt mit den Verantwortlichen auf und so kam die Sache ins Rollen. Der große Nutzen für die Schilthornbahn wurde sofort erkannt und die Filmkulisse auch einen enormen Startschub bei der Bekanntheit ausgelöst. Noch heute verbinden mit dem Namen Schilthorn laut einer ungestützten Gästebefragung die meisten Leute ,James Bond Location  und das obwohl wir eigentlich in den letzten Jahren das Thema ,James Bond wenig bewirtschaftet haben. Das Ergebnis dieser Befragung hat uns dazu bewogen, dass wir neben dem Aussichtserlebnis diese USP wieder beleben müssen. Wir erkannten: Wenn wir die Bond-Thematik inhaltlich nicht ausfüllen, fahren die Gäste u.U. enttäuscht wieder nach Hause, da sie mit dem Berg etwas Bestimmtes verbinden. Mit der heutigen Eröffnung der BOND WORLD 007 hoffen wir, dieses Bedürfnis zu erfüllen. Heute ist natürlich im Gegensatz zu früher die Inszenierung von Bergen ein dominierendes Thema. Da wir auf internationalen Märkten tätig sind, ist dasAlleinstellungsmerkmal sehr wichtig  und dieses Verkaufsargument kann uns niemand nehmen! Außerdem können wir die BOND WORLD als Schlechtwetterangebot nutzen.

Blick in das Innere des mittlerweile 45 Jahre alten Drehrestaurants.

MM: Was genau beinhaltet die neue BOND WORLD 007 und ist damit ein anderer Auftritt der Schilthornbahn verbunden?Egger: Die BOND WORLD besteht aus drei Teilen. Zum einen wurde der Helikopter-Landeplatz aus dem Film an der Originalstelle wieder neu aufgebaut. Diesen relativ großen Raum füllen wir einerseits mit einer interaktiven Ausstellung und andererseits mit einem Kino. Auf der Terrasse sind schließlich Bond-Figuren als Foto-Sujet platziert, welche mittels Audio-Modulen Auszüge aus ihren Filmrollen sprechen. Gleichzeitig haben wir die Panorama-Darstellung verstärkt mit neuen Tafeln und Viscope-Fernrohren (Fa. Idee GmbH), die sofort den Namen des jeweiligen Berggipfels einblenden. Zusätzlich wurde in 80 m Entfernung die Aussichtsplattform ,Piz Gloria View mitFoto-Point installiert. (Weitere Beschreibung siehe den Extra-Artikel über die BOND WORLD) Das ganze Projekt wird sich noch über die nächsten 4 Jahre weiter entwickeln, wobei die Planung bereits mit der Firma pronatour ausgearbeitet wurde. Man muss ja bei den Attraktionen immer nachlegen können!Auch die Firma Mountain Management Consulting von Mike Partel spielt eine wichtige Rolle bei der Gesamtkonzeption. Wir wollten von Anfang an Vermarktung und Produktgestaltung aus einem Guss heraus umsetzen, deshalb haben wir die beiden Unternehmen schon von der Ideenfindung weg zusammengespannt. Daher zieht sich das neue BOND WORLD-Erscheinungsbild bei uns jetzt überall hin durch  bis zur Visitenkarte. Und der optische Einstieg in die BOND WORLD beginnt nun bereits bei der Talstation in Stechelberg: Eine neue Fassadenverkleidung aus einer luft- und lichtdurchlässigen Kunststoffblache (Fa. Typico) empfängt die Gäste mit einem Bild der grandiosen Bergwelt und stimmt auf die einzigartige Aussicht ganz oben ein.

Das Skigebiet Mürren ist Teil der weltberühmten Jungfrau-Region, welche die Nummer vier unter den Schweizer Skidestinationen darstellt.

MM: Was erwartet man sich von dieser Realisierung?Egger: Was wir uns in erster Linie von der Innovation erwarten, ist ein scharfes Profil zu erhalten: Schilthorn ist James Bond und Aussicht. Gerade die Gäste aus Asien wollen jedes Jahr etwas Neues erleben. Nur wer das bieten kann, ist dabei. Wir verlangen ja einen relativ hohen Preis für unsere Attraktion  wir sind der drittteuerste Ausflug in der Schweiz  und wollen die Werthaltigkeit steigern.MM: Welche Neuerungen wurden oder werden in Kürze sonst noch präsentiert?Egger: Wir haben zwei wichtige große Projekte: das eine ist das neue 300 Betten Apartement-Hotel in Mürren, bei dem die Bergbahn Grundeigentümer und Teil der Entwicklergemeinschaft ist. Der Bedarf nach Betten ist gegeben, zumal derzeit nur noch 550 existieren  vor dem zweiten Weltkrieg gab es hier noch 2000 Betten! Realisierungszeitraum ist 2015/16. Das andere Projekt betrifft das Parkhaus Stechelberg mit 640 Stellplätzen, Realisierungsbeginn ebenfalls 2015. Das wird mehr Komfort und noch mehr Parkplätze für die Gäste bringen, vor allem im Winter verursachen offene Parkplätze ja immer Probleme bzw. großen Aufwand. Außerdem wird in einem Jahr eine weitere Aussichtsplattform in der Mittelstation Birg errichtet als Ergänzung zum ,Piz Gloria View. Denn zur Schneeschmelze in den Monaten Mai, Juni ist das Schilthorn oft mit einer Wolke umgeben, während auf Höhe Birg freie Sicht herrscht. Das nützte bislang dem Gast aber nichts, weil wir hierfür kein spezielles Angebot hatten. Künftig werden sich also die beiden Aussichtsplattformen ergänzen.Und schließlich planen wir im Bereich Allmendhubel kleinere Angebote für Familien und ältere Leute mit dem Fokus auf Relaxen.

Bei der Steigerung des Sommergeschäftes sieht die Schilthornbahn das größte Potenzial. Im Bild der Bereich Allmendhubel mit der Kneippanlage.

MM: Welches Publikum/Einzugsgebiet hat die Schilthornbahn, welche Rolle spielen jeweils Winter- und Sommergeschäft und soll sich durch die neuen Maßnahmen daran etwas ändern? Attraktivitätssteigerung?Egger: Beim Publikum müssen wir zwischen Winter und Sommer unterscheiden. Im Winter haben wir die ,normale Nachfragestruktur: vor allem Europäer, 45% Schweizer, ca. 30% Deutsche, Mürren hat traditionell auch viele Gäste aus Großbritannien und natürlich Holländer und Belgier  wie eben die meisten Wintersportorte. Im Sommer sieht die Zusammensetzung etwas anders aus: ca. 35% Schweizer, 15% Amerikaner (ein selten hoher Wert) und ca. 25% Asiaten mit stark steigender Tendenz. Der Rest teilt sich auf in England, Holland und übriges Europa. Vor allem China und Südostasien legt stark zu, in diese Märkte gehen wir selber mit den eigenen Verkaufsleuten und in Indien, China und Japan haben wir auch eigene Agenten vor Ort. Die Hinzunahme weiterer Märkte wie z.B. Korea, Indonesien, Malaysien und eventuell auch Brasilien ist noch geplant. Es ist Absicht, dass wir die Märkte breit streuen, um eine gute Risiko-Diversifizierung zu erreichen und nicht abhängig von einer Währung werden. Generell soll der Ausflugsverkehr im Sommer wachsen. Dieses Segment stagniert derzeit eher in der Schweiz.MM: Wie seht Ihr Eure Position am Schweizer Seilbahnmarkt im Kampf um den einheimischen sowie den internationalen Gast? Ist der starke Franken nach wie vor ein Handicap?Egger: Im Winter sind wir Teil der Jungfrau-Region und als solche die Nummer vier in der Schweiz unter den Skidestinationen gemeinsam mit Kleine Scheidegg-Männlichen-First. Beim Sommergeschäft haben wir als Konkurrenten, die auf den Weltmärkten präsent sind, das Jungfraujoch, Titlis und Pilatus. Das ist also in beiden Jahreszeiten eine gute Position im Schweizer Markt, die sich aber auch noch ausbauen lässt. Deshalb investieren wir jetzt auch viel in die Vermarktung und in die Produktgestaltung. Der starke Franken ist nur auf den europäischen Märkten ein Thema, in Asien nicht. Diese Länder profitieren im Gegenteil vom schwachen Euro, das hat bereits 2012 zu einem Schub geführt.MM: Welche mittel- bis langfristigen Zukunftsperspektiven hat die Schilthornbahn? Wo werden die größten Chancen liegen?Egger: Unser Hauptziel ist wie o.e., das Sommergeschäft zu verstärken. Dort sehen wir auch die größten Potenziale. Bei allen Neuerungen versuchen wir trotzdem, immer authentisch zu bleiben. Der autofreie Ort Mürren als Basis ist ja sehr idyllisch, dem wollen wir nicht etwas Fremdes aufsetzen. Eine Rodel- oder Bobbahn würde z.B. passen, da im Bond-Film eine Bobbahn vorkommt. Ein ebenfalls wichtiges Ziel stellt die Sanierung des 45 Jahre alten Drehrestaurants 2015/16 dar, und zwar in den Bereichen Energietechnik und Komfort. Denn 2017 feiern wir das 50-Jahr Jubiläum und zu diesem Anlass wollen wir auf der Hauptachse von Stechelberg bis Schilthorn geschlossen in neuer Frische erstrahlen.