Christine Kury, 2. stellv. VDS Vorstand und kaufmännische Leiterin der Schauinslandbahn – Zukunftsweisende Themen für die Branche aufbereiten
Nach 10 Jahren Öffentlichkeitsarbeit für den Verband Deutscher Seilbahnen (VDS) ist Christine Kury kürzlich zum 2. stellvertr. Vorstand aufgestiegen. Hauptberuflich ist die Freiburgerin kaufmännische Leiterin der Schauinslandbahn und für den ÖPNV bei der städtischen Verkehrs AG zuständig. Dem MM verriet sie ihre Motive, Ziele und Einschätzungen.
Frau Kury zunächst zu Ihrer Person. Wie war eigentlich Ihr Werdegang in die Seilbahnbranche?
Ich bin Betriebswirtin mit Masterabschluss und habe lange im Marketing in der Textilbranche in leitender Funktion gearbeitet. 2008 habe ich mich für einen Branchenwechsel entschieden und bin bei der Freiburger Verkehrs AG gelandet (Bereich ÖPNV). So kam ich dann auch zur Schauinslandbahn, weil diese seit den 80er Jahren zur Freiburger Verkehrs AG gehört. Hier übe ich seit 2009 die kaufmännische Leitung aus. Der Technische Betriebsleiter Günter Voigt bildet mit mir gemeinsam das Führungsduo. Ich habe nebenher immer den Unternehmensbereich Betriebswirtschaft in der VAG geleitet, seit 2018 leite ich jedoch den Bereich Personal und Verwaltung. Ich habe also zwei Hüte – wobei mir die Seilbahn sehr ans Herz gewachsen ist.
Beschreiben Sie bitte die 2S Schauinslandbahn auf den Freiburger Hausberg näher. Sie hat ja einige Besonderheiten.
Wir liegen nahe an der Stadt und führen auf den 1.284 m hohen Schauinsland. Die Seilbahn wurde 1930 erbaut und war die erste weltweit mit Personenbeförderung nach dem Umlaufprinzip und ist noch heute mit 3.600 m Streckenlänge Deutschlands längste Umlaufseilbahn. Prinzipiell handelt es sich um eine Zweiseilumlaufbahn, allerdings mit der Besonderheit, dass die Bahn zwar auf jeder Fahrspur ein Tragseil hat, die Kabinen aber von zwei umlaufenden, endlos gespleißten Zugseilen bewegt werden. 2009 wurde die Bahn als „technisches Kulturdenkmal“ unter Denkmalschutz gestellt. Das spricht u. a. zusätzlich ein spezielles Publikum an. Bei allen Umbauten stimmen wir uns natürlich mit dem Denkmalschutz ab – bis hin zu den Farben der Markisen…– erhalten aber auch Fördermittel. Eine weitere Besonderheit ist die solarbetriebene Lüftung der 37 Kabinen (11 Personen, Kapazität 700 p/h).
Wie hat sich die Bahn seit 2013 bei den Fahrgastzahlen & Umsätzen entwickelt? Wodurch wurde der Aufwärtstrend möglich?
Wir haben 2012/13 eine umfangreiche Modernisierung vorgenommen, Elektrik, Antrieb und Bremsen erneuert, Lichtwellenleiter aufgelegt und den Einstiegskomfort für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste erhöht. Das heißt wir halten die Kabinen an, so dass man – ohne die Geschwindigkeit auf der Strecke zu reduzieren – in aller Ruhe einsteigen kann. In diesem Zug wurde auch das Restaurant neu positioniert bzw. saniert sowie die Stationsgebäude. Das ganze Ambiente wurde sozusagen verbessert, was uns in Summe letztlich einen Super Erfolg beschert hat. Im Vergleich zum Jahr 2011 haben wir bei den Fahrgästen ein Plus von 60 % und bei den Umsätzen liegen wir bei + 64 %. Der Aufschwung ist sicher eine Konsequenz der o. e. Maßnahmen.
Wer ist heute der typische Fahrgast – hat sich das Publikum verändert?
Unsere Gäste schätzen die Seilbahnfahrt an sich als Erlebnis! Man könnte nämlich auch mit dem Auto auf den Berg kommen – wer die Seilbahn wählt, tut dies bewusst. Auf der Bergfahrt kann man sich eine gratis Audio-Tour über die Geschichte der Bahn etc. anhören.
Wir fahren seit 2009 mit Öko-Strom, sind also ein bisschen „gelebte Elektro-Mobilität“.
Die Gastronomie am Berg wurde neu ausgerichtet, bietet frische regionale Spezialitäten – der absolute Renner ist derzeit das Frühstücksangebot. Das ist immer vorausgebucht.
Dazu kommt noch das Wanderangebot, so dass man sagen kann, der Gast such die Seilbahnfahrt samt Aussicht etc.als zentrales Erlebnis, dazu die gute Einkehr / Geselligkeit und ein bisschen Bewegung am Berg.
Die Hälfte unserer Fahrgäste sind Einheimische, viele davon mit Jahreskarte.. Es kommen Senioren mit Enkel genauso wie die Studenten der Stadt. Für viele ist es ein ganz schneller Weg zur Luftveränderung. Die andere Hälfte sind Touristen. Da profitieren wir einserseits vom Städteurlauber, auch vom Schwarzwald, der im Moment recht populär ist.
Handelt es sich vor allem um eine Ausflugsbahn oder spielt auch (Winter)Sport eine Rolle?
Wir sind zwar eine Ganzjahresbahn, aber bei uns machen die Leute das ganze Jahr das Gleiche! Im Winter macht man dann eben Winterwanderungen. Ein echtes Wintersportangebot haben wir nicht. Es gibt jedoch in unmittelbarer Nähe ein paar Lifte, u. a. auch zum Schlittenfahren, diese werden aber nicht von uns betrieben. Ist aber nicht mit einem echten Skigebiet zu vergleichen.
Unsere USPS sind sehr angenehme Fahreigenschaften, schöne Aussicht, eine interessante Technik sowie einen persönlichen Charakter im Umgang. Wir erschließen außerdem den Hausberg und leisten einen Beitrag zum Umweltschutz.
Ein interessantes Angebot ist auch der Mystery Walk. Was kann man sich darunter vorstellen?
Das ist eigentlich eine Outdoor-Variante vom bekannten „Escape Room“. Der Gast erhält am Berg einen Rucksack zum Wandern und kann sich durch das Lösen von Rätseln das Ticket für die Talfahrt erspielen. Damit sind die Leute 1,5 bis 2 Stunden beschäftigt und man erreicht auf diese Weise vor allem auch jüngeres Publikum.
Welche Zukunftsperspektiven habt Ihr, gibt es derzeit oder bald Neuheiten?
Barrierefreiheit ist ein großes Thema bei uns. Deshalb errichten wir derzeit eine barrierefreie Aussichtsplattform an der Bergstation mit einladendem Außenbereich und komfortablen Sitzgelegenheiten sowie Baumhäusern für die Kinder. WIr glauben vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist das für viele Menschen von Bedeutung – nicht nur für mobilitätseingeschränkte Personen. Ja selbst für Familien mit Kinderwagen…
Der zweite Schwerpunkt ist Geschichtsvermittlung. Wir werden nächstes Jahr 90 Jahre alt und die Stadt Freiburg 900 Jahre. Zu den Jubiläumsfeiern wird es u. a. Städteführungen mit Schauspielern geben und unser Beitrag dazu wird ein Schaffner von 1930 sein, der Führungen zur Seilbahngeschichte macht.
Seit kurzem haben Sie im VDS die Funktion des 2. Stellvertretenden Vorstands angenommen. Was hat Sie dazu bewogen und was möchten Sie hier einbringen?
Ich hatte mich schon zuvor 10 Jahre lang im VDS im Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit eingebracht. Ich stehe als Person für ein paar Themen, die für den Verband künftig immer wichtiger werden wie z. B. Personalfindung und -entwicklung, Nachhaltigkeit, Ganzjahresbetrieb und Barrierefreiheit. Hier kann ich überall aufgrund meiner Tätigkeiten bei der VAG viel Erfahrung einbringen. Durch die kürzliche Neuwahl im VDS-Vorstand hat es sich angeboten, das Führungsteam mit meinem Know-how zu ergänzen. Davon abgesehen, finde ich ehrenamtliches Engagement sehr wichtig – sonst würde unsere Gesellschaft eigentlich ja gar nicht funktionieren…Die Arbeit im Verband empfinde ich als sehr qualitätsvoll und bringe mich daher gerne ein. Auch mein Arbeitgeber VAG findet Verbandsarbeit wichtig.
Gibt es neue Ideen, die Sie beim Verband auf dem Weg in die Zukunft umsetzen wollen?
Ganz vorne steht da Personalgewinnung und -entwicklung. Das ist derzeit eine Herausforderung für alle in der Branche, die dringend Antworten braucht. Auch bei „Nachhaltigkeit“ will ich mich engagieren – da haben die Seilbahnen ja sogar einige Vorteile zu bieten. Und da ich mit ÖPNV auskenne, bin ich natürlich auch für das Thema Urbane Mobilität und Seilbahnen. Schließlich gilt es auch, über geeignete Angebote / Integration für die immer größer werdende Gruppe der Älteren nachzudenken.
Was soll/kann überhaupt beim Thema Nachhaltigkeit von den Seilbahnen künftig getan werden?
Ich glaube, dass die Seilbahnen bereits ein sehr nachhaltiges Produkt anbieten. Im Gegensatz dazu, wird man Flugreisen künftig vermutlich kritischer sehen. Es geht auch um die umweltfreundliche Anreise zu einem Urlaubs-/Freizeitvergnügen. Bei uns ist man in 20 Minuten vom Hauptbahnhof mit den Öffis an der Talstation und fährt dann mit Öko-Strom auf den Berg rauf!
Letzte Frage: Wie kann die Personalproblematik am besten angegangen werden?
Die Seilbahnen müssen vor allem das Image als Arbeitgeber aufpolieren. Wir bieten ein spannendes Arbeitsumfeld in wunderschönen Regionen. Wir müssen uns aber als Unternehmen auch auf die nächste Generation einstellen, die durchaus begeisterungsfähig ist, wenn wir ihnen unsere spannenden Aufgaben vermitteln können! Ein Ganzjahresbetrieb ist ebenfalls wichtig als Chance für ein langfristiges Arbeitsverhältnis. Und last but not least das Thema Ausbildung – hier seid Ihr in Österreich mit der Seilbahn- Berufsschule in Hallein ja Vorreiter.