Die 10-MGD Cuautepec gehört in Mexiko City zum Stadtbild. ©Doppelmayr

Akzeptanz für urbane Seilbahnen ist größer geworden

Seilbahnen können als Teil des ÖPNV nicht alle Probleme lösen, aber einen wesentlichen Beitrag zur Mobilitätswende leisten. Dominik Berndt, Initiator der Kongressmesse „Cable Car World – home of new urban mobility“ zeigt Entwicklungen und Tendenzen auf.

2022 ging erstmals die Kongressmesse „Cable Car World – home of new urban mobility“ in Essen über die Bühne. Was war die Idee dahinter, welche Erwartungen hatte man?

Wir wollten und wollen die Seilbahn international als Teil einer multimodalen urbanen Mobilität etablieren. Die Seilbahn gehört in die Werkzeugkiste der Politiker und Planer. Wir vermitteln darüber hinaus die urbane ÖPNV-Anwendung und holen das Thema aus der touristischen Nische heraus. Seilbahnprojekte sind meist auch Stadtentwicklungsprojekte, da ganz neue Verbindungen in einer Stadt entstehen, die multidimensionale Benefits bedeuten können. Daraus entsteht der Zusammenhang von Stadtplanung und Mobilität im Falle urbaner Seilbahnen. Im Endeffekt war es ein Anliegen, einen Meinungsaustausch zwischen Politik und Verwaltung, zwischen Wirtschaft und Forschung und natürlich auch der Industrie möglich zu machen, also zwischen allen Teilnehmern, die für das nötige Prozessverständnis und den Weg zur Umsetzung zusammengehören und zusammenarbeiten. Dazu ist es uns auch ein Anliegen, mit dem Thema der urbanen Seilbahnen einen Impuls für die Mobilitätswende zu setzen. Als Ergebnis der bisher durchgeführten zwei Veranstaltungen bemerken wir, dass die Thematik sichtbarer geworden ist und die Prozessschritte klarer geworden sind, was die Umsetzungswahrscheinlichkeit erhöht.

Junger Mann zeigt auf Karte

„Es fehlt der Vorreiter, der die ganzen Prozesse einmal durchlaufen hat.“ ©CCW

Wie sehen Sie die Situation urbaner Seilbahnen heute, gibt es mehr Akzeptanz?

Wir erkennen eine positive Entwicklung, die Akzeptanz nimmt zu, und das sowohl auf fachlicher als auch politischer Ebene. Das ist ein Prozess, der viele kleine Schritte erfordert. Wir erkennen mehr Offenheit und eine größere Seriosität, wenn man über das Thema spricht. Mittlerweile sehen wir, dass das Thema Seilbahn für Mobilitätsprobleme im urbanen Raum auch als Lösung erkannt wird. Seilbahnen werden nie die Problemlösung für alles sein, was wir auch vermitteln. Sie können aber einen wertvollen Beitrag zum ÖPNV leisten. Die Akzeptanz gegenüber Seilbahnen als Teil eines multimodalen Mobilitätsangebotes ist größer geworden. Da wird die Entwicklung auch noch weitergehen, vor allem wenn die ersten Pilotprojekte auch im deutschsprachigen Raum umgesetzt sein werden. Man muss hierbei in Erinnerung rufen, dass 2022 parallel zur ersten Cable Car World auch in regulatorischer Hinsicht ein Startpunkt war, da in diesem Jahr die Seilbahn rechtlich als ÖPNV-Verkehrsmittel anerkannt und in das GVFG aufgenommen wurde. Ohne die Möglichkeit einer Bundesförderung, die damit einher geht, wären Umsetzungen kaum denkbar gewesen. Dies ist ein entscheidender Schritt gewesen und die Voraussetzung für die aktuell in Planung befindlichen Projekte in Deutschland. Was wir tun, ist angewandte Wissensvermittlung und Vertrauensbildung. Die Cable Car World leistet elementar notwendige Aufklärungsarbeit durch konkrete Beispiele und Vernetzung aller urbaner Stakeholder. Fortschritte stellen wir in Gesprächen mit Städten und Kommunen genauso fest wie etwa in den Medien. Da sind Berichte über urbane Seilbahnen mittlerweile fester Bestandteil einer seriösen Berichterstattung.

In Lateinamerika, aber auch in Asien z. B. Indien zeigt man sich gegenüber urbanen Seilbahnen offener. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

In den Ballungszentren sogenannter Entwicklungs- und Schwellenländer ist der Leidensdruck durch die Verkehrs- und Umweltbelastung meistens höher als bei uns. Das kann sicher zu einer größeren Akzeptanz verhelfen und dazu führen, neue Lösungen zu suchen und schneller voranzubringen. Dazu kommt, dass Mobilitätsroutinen nicht ganz so stark ausgeprägt sind, wie das in Europa der Fall ist. Es gibt meistens keine jahrzehntelange Verkehrsmitteltradition. Manchmal sind auch Entscheidungsprozesse etwas pragmatischer und Eigentumsfragen weniger komplex als in Europa. In Indien wird aktuell sehr viel in die Infrastruktur investiert, da man überzeugt ist, dass nur eine gute Infrastruktur Wohlstand generieren kann. Da werden Seilbahnen ebenso mit betrachtet und das relativ vorurteilsfrei. Aus einem gewissen Handlungsdruck ergibt sich oftmals auch ein Pragmatismus, der die Umsetzung erleichtert. Dennoch müssen die umfangreichen Seilbahnpläne in Indien auch erst einmal realisiert werden. Die Ansätze sind vielversprechend, aber es ist auch noch vieles zu tun und die Prozessschritte könnten effizienter sein. Man kann sicher nicht erwarten, dass sich neue Wege in der Mobilität überall gleich schnell durchsetzen. Da gibt es unterschiedliche Voraussetzungen. Gute Projekte brauchen Zeit zur Entwicklung und Planung, dann kann ein Projekt auch erfolgreich umgesetzt werden.

Bisher wagen nur wenige Städte in Deutschland und Österreich ein Andenken von Seilbahnen für den ÖPNV. Wo liegen hier die Knackpunkte – was sind die Herausforderungen für eine Realisierung von Seilbahnen im urbanen Raum?

Es sind tatsächlich nicht so wenige Städte, die über urbane Seilbahnen nachdenken. Aus den vielen Ideen konnte aber noch kein Projekt realisiert werden, weil es zwar Ansätze, aber meist auch eine falsche Erwartungshaltung und Herangehensweise gegeben hat. Man darf dabei nicht unterschätzen, dass wir in Deutschland erst seit 2022 eine ernsthafte gesetzliche Grundlage haben, eine urbane Seilbahn durch ihre Förderfähigkeit umzusetzen. Das war ein Meilenstein in der Entwicklung. Natürlich sind die Genehmigungsprozesse aufgrund vieler Prozessschritte und Beteiligten komplex und langwierig. Es gibt teilweise Unklarheiten bei den Zuständigkeiten, fehlendes Knowhow bei den Behörden und in der Politik und in der Öffentlichkeit eine gewisse Skepsis gegenüber neuen Technologien. Teils fehlt auch der politische Mut für neue Wege. Generell mangelt es noch an der nötigen Erfahrung und Routine im Umgang mit dem Verkehrsmittel. Es fehlt der Vorreiter, der die ganzen Prozesse einmal durchlaufen hat und der dann eine Orientierungshilfe sein kann. Ich denke, man muss aber auch anerkennen, dass mittlerweile auch schon sehr viel erreicht worden ist. Jetzt geht es darum, die anstehenden Aufgaben Stück für Stück in Angriff zu nehmen.

Bei Vorarbeiten zu urbanen Seilbahnen ist zu erkennen, dass sich auch die Bevölkerung vielfach skeptisch zeigt. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Man muss sehen, dass Seilbahnen für gewöhnlich von Sportlern und Touristen genutzt werden, die diese meist als sinnvolle Aufstiegshilfe nutzen. Die Nutzergruppen, Anwendungszwecke und Anforderungen sind in der Stadt ganz andere. Viele haben dort auch noch keine Berührungspunkte mit Seilbahnen gehabt, die Mobilitätsroutine und das Anwenderwissen wie es dies für andere Verkehrsmittel gibt, fehlt. Dazu kommen klassischerweise Bedenken wegen Eingriffen in das Stadtbild, die Privatsphäre oder wegen der befürchteten Lärmbelästigung. Das ist aber nichts Exklusives bei Seilbahnen, dass gilt bei Infrastrukturprojekten als Standard. Man nennt das das NIMBY-Paradoxon: jeder will Infrastruktur verfügbar haben und konsumieren, aber nicht vor der eigenen Haustür (Not-In-My-BackYard). Der Mensch braucht einfach Zeit, um sich an Dinge zu gewöhnen. Es gibt Skepsis gegenüber Neuem, das ist normal. Wir müssen die Informationsdefizite, die eine solche Skepsis auslösen, mit sachgerechter Fachinformation ausgleichen. Man muss in einer sehr frühen Phase schon eine gute Einbindung der Bevölkerung erreichen. Dann können wir die Skepsis abbauen. Das geht aber nicht von heute auf morgen, das braucht seine Zeit und Ausdauer aller Akteure, die sich für urbane Seilbahnen einsetzen.

Wenn Sie die Situation in Deutschland betrachten, wann könnte Ihrer Meinung nach die erste urbane Seilbahn in Dienst gestellt werden?

Ich denke, dass es in fünf bis sieben Jahren, also in den 2030er Jahren so weit sein kann. Es gibt in einigen Städten konkrete Projekte und Planungen, die auf den Weg gebracht wurden. Ebenso wurden viele begleitende Forschungsprojekte angestoßen, denen wir auf der Cable Car World regelmäßig eine Bühne bieten. Wenn sich die gesamten Bedingungen und Voraussetzungen jetzt nicht negativ verändern, können doch einige Projekte in den nächsten Jahren effizient umgesetzt werden. Wenn man denken mag, dass das eine lange Zeitspanne ist, muss man den Kontext betrachten. Wenn wir das Jahr 2022 als Startpunkt nehmen, dann sind acht bis zehn Jahre für die Implementation eines für den ÖPNV neuen Verkehrsmittels nicht allzu lang.

2025 hatte die Interalpin als Weltleitmesse für alpine Technologien die Thematik der urbanen Seilbahnen am Programm. Wie war Ihr Eindruck von der Veranstaltung, den Kontakten?

Es ist gut, wenn nun auch Kongresse wie der OITAF Kongress 2024, der UITP Summit (Kongress für öffentlichen Nahverkehr) oder die Messe Interalpin 2025 unserem Beispiel folgen und das Thema der urbanen Seilbahnen aufgreifen. Das zeigt deutlich, dass wir mit unserer Vorgehensweise auf dem richtigen Weg sind und dass die Thematik sich Stück für Stück in der Mobilitätsbranche etabliert und auf verschiedenen Veranstaltungen thematisiert wird. Das ist für das Thema sicher gewinnbringend. Die Cable Car World GmbH war in Innsbruck dabei. Für uns ging es darum, Kontakte zu pflegen, neue Kontakte zu knüpfen und den Dialog zu suchen.

Nächstes Jahr wird in Essen wieder die „Cable Car World“ über die Bühne gehen. Wird es Neuerungen/Änderungen geben?

Nachdem die Cable Car World die letzten beiden Male als Kongressmesse konzipiert wurde, also der Kongress in eine Messe integriert war und auch in einer Messehalle stattgefunden hat, wird es für 2026 eine Anpassung geben. Wir werden den Fokus auf den Kongress legen und damit auf mehr Praxisnähe, also auf die Themen Wissensvermittlung, Meinungsaustausch und Vernetzung. Darin sehen wir auch unsere Stärke. Deshalb wird die Cable Car World am 9. und 10. Juni 2026 im Congress Center der Messe Essen stattfinden. Eingeladen haben wir internationale Speaker; im Rahmen von Best Practice Beispielen, Workshops, Keynotes und Diskussionen werden internationale Projekte vorgestellt. Dazu wird es eine begleitende Ausstellung geben, in der die Hersteller ihre Produkte und Dienstleistungen zeigen und präsentieren können.  lw

urbane Seilbahn in Toulouse

Urbane Seilbahn in Toulouse  ©Poma

Vom 15. bis 18. Juni ist Hamburg Schauplatz des UITP Summit 2025. Auch die pct liegt dort auf. @ Liggraphy auf Pixabay

UITP Summit in Hamburg

Der UITP Summit (früher bekannt als UITP Global Public Transport Summit) gilt als weltweit wichtigster Kongress für den ÖPNV, der über 10.000 Fachleute aus mehr als 100 Ländern aus dem öffentlichen Personennahverkehr, darunter Vertreter von Verkehrsbetrieben, Behörden, Industriezulieferer und politische Entscheidungsträger, zusammenbringt. Dieses Jahr wird er vom 15. bis 18. Juni in Hamburg abgehalten.

pct auf dem UITP Summit

Die neueste Ausgabe der pct (public/cable/trans), der zweisprachigen Fachzeitschrift für urbane Seilbahntechnik, wird gemeinsam von der Eubuco Verlag GmbH und der DVV Media Group herausgegeben und wird u. a.  in der Fachzeitschrift „Der Nahverkehr“, dem offiziellen Organ des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen, mit einer Auflage von 30.000 Stück als Sonderbeilage publiziert. In dieser Form liegt die pct auch auf dem diesjährigen UITP Summit auf.

Im Rahmen des UITP Summit präsentieren circa 399 Aussteller aus der ganzen Welt ihre Neuheiten und Innovationen rund um den öffentlichen Nahverkehr. Des Weiteren widmen sich circa 366 Redner und Rednerinnen beispielsweise den zukünftigen Chancen und Herausforderungen des ÖPNV.

Bei den Sessions werden folgende Schwerpunkte behandelt:
Technologien für den Wandel

Technologische Innovationen wie z. B. die KI (Künstliche Intelligenz) verändern die Branche. Es werden die neuesten Entwicklungen und ihre potenziellen Auswirkungen untersucht. Dabei werden Themen wie die Cybersicherheit, die Elektrifizierung der Flotte und die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Anpassung an den Klimawandel, die Tarifgestaltung und neue Lifestyle-Trends beleuchtet.

Klimaneutrale Städte

Die Erfüllung der internationalen Klimaverpflichtungen für Städte erfordert ein vielschichtiges Bündel von Maßnahmen, die sich auf Verkehr, Energie und Infrastruktur konzentrieren. Diese müssen dazu beitragen, die Emissionen zu verringern und neue nachhaltige ÖPNV-Modelle in Bezug auf Finanzierung oder Preisgestaltung einzuführen.

Anpassung des Betriebs an den lokalen Bedarf

Durch den lokalen Betrieb können sich öffentliche Verkehrsbetriebe, Behörden und Industrie zusammenschließen, um Maßnahmen anzubieten, die direkt auf die örtlichen Bedürfnisse der Fahrgäste zugeschnitten sind. Vom Nachfragemanagement und der Wartung bis hin zur Bereitstellung von Dienstleistungen können benutzerdefinierte Verkehrsmittel den Fahrgästen direkt in einem auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Service zur Verfügung gestellt werden.

Nachhaltige Mobilität als Lebensweise

Durch verschiedene Ansätze im ÖPNV, die umweltfreundliche, sozialverträgliche und wirtschaftlich tragfähige Verkehrsmittel fördern, kann man benutzerfreundliche Mobilitätsangebote in den Alltag der Stadtbewohner integrieren. Mit Möglichkeiten für alle Arten der Fortbewegung, durch On-Demand-Transport, Multimodalität, aktive Mobilität etc. kann eine bequeme, fahrgastorientierte Mobilität geschaffen werden.

Menschen und Gemeinschaften im Mittelpunkt

Im öffentlichen Personennahverkehr stehen die Menschen im Fokus. Indem einzelne Personen und die Gemeinschaft in den Mittelpunkt gestellt werden, kann man sich direkt auf die Werte, die Bedürfnisse und das Wohlbefinden von Fahrgästen und Angestellten beziehen. Dieser Ansatz berücksichtigt auch soziale Aspekte wie Personaleinsatzplanung, Diversität und Inklusion, Sicherheit und Erschwinglichkeit.

Mobilitätsplanung im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen

Der öffentliche Personennahverkehr leistet einen direkten Beitrag zu 14 der 17 Nachhaltigkeitsziele (= Sustainable Development Goals, SDGs) der Vereinten Nationen, indem er den Städten hilft, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Mit einer gut durchdachten Flächennutzungsplanung können die notwendigen Instrumente bereitgestellt werden, um die SDGs auf lokaler Ebene umzusetzen. Diese Ausrichtung wird z.B. durch eine widerstandsfähige Infrastruktur, Stadtplanung und öffentliche Räume sowie die laufende Anpassung an den Klimawandel gefördert.

Neben dem umfangreichen Vortragsprogramm warten auf die Besucher beispielsweise auch spannende Exkursionen und Besichtigungen.

Mehr Informationen auf:

https://www.uitpsummit.org/hamburg2025/de/startseite/

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MOUNTAINMANAGER hat sich in 50 Jahren als die internationale Fachzeitschrift für bergtouristisches Management und Alpintechnik an führender Position etabliert. Die kompetentesten Fachjournalisten der Branche mit Sitz in den drei zentralen Alpenländern Österreich, Schweiz und Deutschland sind für den MOUNTAINMANAGER tätig.
Neueste technische Entwicklungen, zukunftsweisende Trendanalysen und internationale Recherchen stehen im Vordergrund der Berichterstattung.
Aktuelle Reportagen über branchenrelevante Ereignisse, interessante Beiträge von renom mierten Gastautoren sowie Interviews mit markanten Persönlichkeiten und wissenswerte News machen den MOUNTAIN MANAGER zur Pflichtlektüre.

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