Die Baden-Württembergische Filmakademie hat eine 90-minütige Doku mit dem Titel „Abfahrt auf Zeit“ verfasst, die im Herbst in die Medien kommen wird. © Schneezentrum (6)
Der Klimawandel trennt die Spreu vom Weizen
Das Schneezentrum Tirol ist nun über ein Jahr in Obergurgl. Letztes Jahr deuteten die Testergebnisse in Richtung Effizienzsteigerung. Der MOUNTAIN MANAGER hakte nach, ob das immer noch so ist und was es ganz generell Neues gibt.
Michael, wie sieht es aktuell mit der Effizienzsteigerung aus?
Effizienz bleibt aus meiner Sicht die Herausforderung in allen Belangen. Früher gab es auf die Frage nach den drei wichtigsten Erfolgskriterien im Tourismus die flapsige Antwort: „Lage, Lage und nochmals Lage“. Die Herausforderungen durch den Klimawandel treiben diese für den Schneesport in die Richtung: „Effizienz, Effizienz und nochmals Effizienz“. Auch wenn die Lage, im konkreten Fall die Höhe des Skigebiets, natürlich eine entscheidende Rolle spielt, muss die Beschneiung an drei Effizienzkriterien ausgerichtet werden: die Qualität der Beschneiungsanlage, die Schlagkraft und das Schneemanagement. Was die Qualität der Beschneiungsanlage anbelangt, sind sehr umfangreiche Überlegungen notwendig. Das ist nicht neu. Am Ende stehen dann die Schneeerzeuger, deren Effizienz inzwischen sehr genau mit dem „Obergurgler Verfahren“ getestet werden können. Der MM habt darüber schon berichtet, die Testungen auch vor Ort in Skigebieten sind inzwischen Routine und eingespielt. Ich komme darauf später noch zurück. Ein wesentliches Ergebnis der Effizienztestung ist auch die Tauglichkeit der Anlage im Grenztemperaturbereich. Im vergangenen Winter haben wir sehen müssen, dass so mancher Skibetrieb später als erhofft in Betrieb gehen konnte, weil es für die Beschneiung zu warm war. Beim Thema Schlagkraft muss man sich bewusst sein, dass die Dauer von Wetterlagen – die sogenannte Persistenz – größer zu werden scheint. Zwar stehen Klimatologen bei dieser Aussage noch etwas auf der Bremse (dazu später noch genauer), aber die Praxis beweist leider, dass es mit dem Nachschneien schwieriger wird. Wer also seine Saison absichern will, ist zunehmend dazu gezwungen zu „Klotzen“ statt zu „Kleckern“. Es könnte sonst unter Umständen nicht bis zur nächsten Kaltperiode reichen. Beides hat eine aus meiner Sicht unerfreuliche Auswirkung auf das Schneemanagement. Konnte man bisher bei geeigneter Beschneiungsstrategie Wasser und Energie in der Grundbeschneiung sparen und je nach Saisonverlauf nachschneien, nimmt der Klimawandel den Skigebieten diese Möglichkeit zunehmend aus der Hand. Wenn es zu Saisonbeginn kalt wird, dann muss man fast zwangsweise verantwortungsvoll für den eigenen Betrieb und die Region mit entsprechend ausreichender Schneeproduktion vorsorgen. Flapsig: Volles Rohr! Wir beobachten daher weiterhin Effizienzsteigerungsmaßnahmen, was weiterhin auch höchst notwendig ist. Ich muss aber festhalten, dass es um mehr geht. Die Betriebe müssen klimafit werden.
Was heißt das genau? Gibt es zum Klima und seinen Auswirkungen auf den Schneesport neue Erkenntnisse?
Ihr habt im letzten Jahr darüber berichtet, dass wir im Expertenforum „Klima.Sport.Schnee“ die Auswirkungen der neuesten Klimaforschungsergebnisse auf den Schneesport im Juli veröffentlichen wollten. Tatsächlich gelang uns das erst jetzt im vergangenen Juni 2025, weil die Daten zum Temperaturanstieg genau berücksichtigt werden sollten. Und diese Daten sind richtig ernüchternd. Nach neuesten Erkenntnissen beträgt die mittlere Erwärmung seit vorindustrieller Zeit bis Ende 2024 in Deutschland 2.5°C, in der Schweiz 2.9°C und in Österreich 3.1°C. Das Klimaziel von Paris 2015 war 1,5°C seit vorindustrieller Zeit und hier sind wir in Österreich jetzt schon bei mehr als dem Doppeltem!
Du hast vorhin erwähnt, dass ein wesentliches Ergebnis eurer Effizienztestungen die Tauglichkeit der Anlage im Grenztemperaturbereich zeigt. Kann man das genauer beschreiben?
Machen wir ein konkretes Beispiel. Wir haben im Auftrag eines Skigebiets drei vorausgewählte Schneeerzeuger getestet und mit einander verglichen. Die Messergebnisse sieht man im eingangs dargestellten Bild: Bei annähernd identen Bedingungen (Temperatur, Feuchte, Wassertemperatur) wurden fast idente Schneequalitäten (Gewicht und Dichte) erzeugt. Den Wasserdruck und die Wassermenge mussten wir natürlich dazu jeweils anpassen, um diese gleichen Ergebnisse zu erzeugen. Hier gab es dann doch enorme Abweichungen. Wenn man die Maschinen 1 und 2 vergleicht, dann zeigt sich bei etwas höherem Wasserdruck von rund 6 bar aber einer Energieaufnahme von nur einem Drittel und einem doppelt so hohen Wasserdurchsatz, um wieviel besser die Maschine 2 arbeitet. Zudem liegt der Wasserverlust durch Verdunstung während der Beschneiung deutlich niedriger. Enger verlief das „Rennen“ zwischen den Maschinen 2 und 3. Hier entscheiden dann andere Faktoren, wie Betreuung, Preis, Wartung, Handling etc. Wenn dieselben Maschinen dann noch einem Test bei -1,5°C FKT unterzogen werden, dann kann man schon das deutlich bessere Produkt in Bezug auf Schlagkraft und Effizienz finden und wählen. Leider kann ich nicht weiter aus der Schule plaudern, weil die Tests fast allesamt strengen NDA-Vereinbarungen unterliegen. Aber wir testen jetzt doch schon einige Jahre und es manifestieren sich unsere Beobachtungen. Einiges deutet darauf hin, dass sich die Spreu vom Weizen trennt. Manche Hersteller haben immer ein Produkt unter den besten Schneeerzeugern, aber keines bei den schlechtesten und bei anderen Herstellern ist es dann eben umgekehrt.
Jetzt wird es aber schon spannend, kannst Du nicht Namen nennen?
Ich verstehe die Frage, ich frage mich auch selbst oft, wann wir mit gutem Gewissen den sich abzeichnenden Trend mit Namen belegen, komme aber doch – zumindest noch – zum Schluss, dass die Anzahl unserer Tests und die Unterschiede in den Schneibedingungen nicht ausreicht, um den Nagel verlässlich einzuschlagen. Leider kommt auch noch dazu, dass wir mit unseren Partnern immer wieder auch an den Basics der Beschneiung „herumdoktern“ müssen. D.h. dass manche Tests interpretiert werden müssen, weil falsche Maschineneinstellungen, Fehler bei der Wasserdruckdosierung oder auch Aufzeichnungsfehler bei der Testdauer das notwendig machen. Bei groben Unterschieden ist das kein Problem, wenn die Unterschiede aber relativ gering sind, so wie z. B. bei den Maschinen 2 und 3 oben, dann reicht das aus meiner Sicht nicht, um professionell zu urteilen. Ich kann nur empfehlen sich mit der eigenen Beschneiungsanlage genau zu beschäftigen. Wer für seine Beschneiungsanlage ein genaues Ergebnis haben will, der kann das aber verlässlich bekommen.
Eure Tests zeigen ja bis zu einem gewissen Grad auch die Grenzen des Machbaren auf? Muss sich der Wintersport aus Deiner Sicht Sorgen um seinen Bestand machen?
„Der Wintersport“ nicht, aber manche Destinationen und auch einzelne Events schon und bei all dem muss man die Rolle der Medien im Auge behalten. Der zweite Österreichische Sachstandsbericht zum Klimawandel ( APCC 2025, AAR2 https://aar2.ccca.ac.at/download-de) führt uns drastisch vor Augen, wohin die Reise leider zu gehen droht. Auch das Expertenforum Klima.Sport.Schnee, in dem ich mitarbeiten darf, hat für den Wintersport in den Alpen darauf hingewiesen, dass 1. die Schneedecke langfristig zurückgehen, 2. sich die Anzahl und Dauer der Beschneizeiten verringern und 3. sich der Wasser- und Energiebedarf erhöhen wird. Es werden sogar erste Nutzungskonflikte sichtbar. Das ganze Positionspapier ist unter https://www.stiftung.ski/dflip/expertenforum_2025.html einsehbar. Folglich werden weitere Skilifte aus ökologischen oder ökonomischen Gründen ihren Betrieb einstellen müssen. Das kommt nicht überraschend, wir können/müssen das ohnehin schon seit Jahren verfolgen.

Das Expertenforum „Klima.Sport.Schnee“, veröffentlichte den aktuellen Forschungsstand zum Thema „Perspektiven des Winter- und Bergsports im Zeichen globalen Klimawandels“.
Was setzt Ihr dem zunehmenden medialen Druck entgegen?
Große Events wie beispielsweise sogar Weltcup-Rennen kommen unter medialen Druck. Die Baden-Württembergische Filmakademie hat im letzten Winter in St. Anton den Aufwand für WC-Rennen unter die Lupe genommen, mit Klimaforschern das Thema genau beleuchtet und sich von uns zeigen lassen, wie die Beschneiungseffizienz gemanagt werden kann. Das Ergebnis ist eine 90-minütige Doku mit dem Titel „Abfahrt auf Zeit“, die im Herbst in die Medien kommen wird. Hier in Gurgl konnten wir mit unseren Tests zeigen, dass die Rennen in Hochgurgl sogar zu einer Effizienzsteigerung geführt haben. Der Klimawandel und die Medien spornen daher durchaus auch an. Wenn aber z. B. das Kandahar-Rennen in Garmisch-Partenkirchen abgesagt werden muss, dann hat das enorm negative Auswirkungen. Mit Servus TV haben wir letzten Winter eine Trilogie zum Themenschwerpunkt ökologisch verantwortliche Beschneiung gemacht, die aus meiner Sicht nicht nur die Verantwortung in den Skigebieten sehr gut aufgezeigt hat, sondern auch sehr positive Beispiele, wie mit ihr umgegangen wird. Im großen Medienrauschen geht so etwas aber fast unter. Im Anton Pustet Verlag wird gerade ein Buch zum Thema „Zukunft des Skifahrens“ redigiert, das im Wesentlichen die Auswirkungen auf die Natur aufzuzeigen versucht. Wieder ein Beispiel, dass der Druck auf den Wintersport weiter steigen wird. Unter dem Strich heißt das für mich, dass die Anstrengungen zu den Themen Ressourceneinsparung und Effizienzsteigerung weiter erhöht werden müssen.

Mit Servus TV hat das Schneezentrum Tirol letzten Winter eine Trilogie zum Themenschwerpunkt „ökologisch verantwortliche Beschneiung“ gemacht.
Zum Schluss: wie geht es bei Euch weiter?
Wir testen im nächsten Winter die gesamten Neuentwicklungen eines Herstellers, werden in einem Südtiroler Skigebiet ein Projekt zur Effizienzsteigerung der Pistenpräparierung begleiten, planen den Ausbau unseres Labors und sind in vielen neuen Forschungsprojekten engagiert. In Obergurgl geht ein neues Speicherteichprojekt von der Planung in die Umsetzungsphase, wir werden dort das Thema effiziente Wasserkühlung begleiten. Beispiele für aktuelle Forschungsprojekte wären: das FuturLab des Landes Tirol zur Zukunft des Wintertourismus, das europäische Projekt zur Klima-Resilienz in den Alpen – „Mount Resilienz“ , ein spannendes Projekt im Stollen von Hagerbach in der Schweiz zur Effizienzsteigerung im Wassermanagement beim Snowfarming und vieles mehr. Und zur Frage, wie der nächste Winter wird, sage ich aber nichts mehr. Letztes Jahr lag ich ja mit meiner Einschätzung: „kalt und schneeweiß“ nicht so ganz richtig….
Wir danken für das Gespräch!
mak