IGA Berlin 2017: Die Seilbahn „Gärten der Welt“ von LEITNER nimmt ihren Betrieb auf und wird zum Hingucker. Wie hat sie sich entwickelt, wie läuft der Betrieb? Der MOUNTAIN MANAGER hat nachgefragt.

 

Im April 2017 ist die Seilbahn „Gärten der Welt/Grün Berlin“ in Betrieb gegangen, wann hat LEITNER den Auftrag zum Bau der Bahn erhalten?

LEITNER hat den Auftrag zum Seilbahnbau im Februar 2014 erhalten. Wir hatten zuvor die öffentliche Ausschreibung gewonnen, dann wurde der Auftrag offiziell erteilt.

 

Hatte LEITNER zu dieser Zeit schon urbane Seilbahnen gebaut?

Zu diesem Zeitpunkt hatten wir schon einige Seilbahnen für den urbanen Einsatz in Betrieb. So haben wir etwa die 10er-Kabinenbahn in Ankara gebaut, dazu urbane Seilbahnen in Mexiko oder Kolumbien. Wir konnten zu diesem Zeitpunkt also schon auf einige Beispiele von Seilbahnen im urbanen Raum verweisen.

 

Die Seilbahn führt von der U-Bahnstation Kienberg nach Berlin/Marzahn. Was waren die Anforderungen an die Bahn, warum hatte man sich für eine Seilbahn entschieden?

Die Seilbahn „Gärten der Welt“ wurde für die IGA 2017 geplant und gebaut. Im Vorfeld der IGA hatte man ein Konzept erarbeitet, wie die Besucher zur Ausstellung, also zum Eingang „Gärten der Welt“, in Marzahn gebracht werden sollten. Da Marzahn keine U-Bahn-Anbindung hat, wurden verschiedene Systeme geprüft, wie etwa Elektro-Busse, Roller, Parkplätze und Parkhäuser für Pkw und eben auch eine Seilbahn. Im Entscheidungsprozess hat sich dann herausgestellt, dass eine Seilbahn die schnellste, komfortabelste und leistungsstärkste Alternative ist, die Besucher von der U-Bahnstation Kienberg zum Eingang zu bringen. Deshalb fiel die Entscheidung für den Bau einer Seilbahn, der dann öffentlich ausgeschrieben wurde.

 

Was sind die wichtigsten Eckdaten der Bahn?

Die Länge der Strecke beträgt 1.560 m. Die Zustiegsstellen befinden sich in Hellersdorf gegenüber der U-Bahnstation, am Kienberg ist die Mittelstation und die Endstation wurde in Marzahn platziert, beim Zugang zu den „Gärten der Welt“. Insgesamt führt die Strecke über 8 Stützen, wobei die höchste Stütze rund 40 m hoch ist. Die Förderleistung beträgt 3.000 P/h bei einer Geschwindigkeit von 6 m/s. Die Garagierung der insgesamt 64 Kabinen befindet sich auf der Seite Marzahn bei den Gärten der Welt. Fünf der Kabinen haben als besondere Attraktion einen Glasboden, sodass man einen interessanten Blick auf das Areal unter der Bahn werfen kann.

GD10 „Gärten der Welt“ in Berlin. ©LEITNER

GD10 „Gärten der Welt“ in Berlin. ©LEITNER

„Ende 2022 wurde eine Verlängerung des Bahnbetriebs bis Ende 2033 beschlossen“

 

Wie lange war ursprünglich vorgesehen, die Bahn zu betreiben – wie ist der aktuelle Stand der Dinge?

Die Ausschreibung hatte den Bau der Seilbahn und den Betrieb über 4 Jahre zum Inhalt. LEITNER hat die Ausschreibung für sich entschieden und hat sich dabei auch verpflichtet, die Kosten für den Bahnbau von rund 14,5 Mio.  Euro zu übernehmen sowie die Anlage über 4 Jahre auf eigene Kosten zu betreiben, also beginnend mit der IGA und dann noch rund 3,5 Jahre nach Ende der IGA. Als Option war eine Verlängerung bis ins Jahr 2033 vorgesehen. Im Zuge der Pandemie wurde 2021 nach 4 Jahren Betrieb eine zweijährige Verlängerung ausgehandelt. Ende 2022 wurde dann eine Verlängerung des Betriebs bis Ende 2033 spruchreif und beschlossen.

 

Der Betrieb der Bahn erfolgt durch die Leitner Seilbahn Berlin GmbH und die Grün Berlin GmbH, wie ist da die Aufgabenverteilung?

Die Leitner Seilbahn Berlin GmbH ist zuständig für den Betrieb der Seilbahn, stellt also das Betriebspersonal und die Betriebsleitung, ist für die Revisionen zuständig, die Tüv-Prüfungen – also für alle technischen Belange, damit die Seilbahn zuverlässig fährt. Die wirtschaftlichen Angelegenheiten fallen seit 2021 nicht mehr in unsere Zuständigkeit, dafür zeichnet die Grün Berlin GmbH verantwortlich. Ihre Aufgaben sind demnach die Preispolitik, das Ticketing und auch das Marketing.

Die Station Hellersdorf liegt direkt gegenüber der gleichnamigen U-Bahn-Station. ©LEITNER

Die Station Hellersdorf liegt direkt gegenüber der gleichnamigen U-Bahn-Station. ©LEITNER

Bist Du von Anfang an Geschäftsführer der Leitner Seilbahn Berlin GmbH – was hat Dich veranlasst, diese Aufgabe zu übernehmen?

Ich war von Anfang an dabei. Das hat schon mit der Ausarbeitung des Angebots, der technischen Eckdaten und des Betriebskonzeptes begonnen. Nach Auftragserteilung wurde dann die Leitner Seilbahn Berlin GmbH gegründet, weil es auch zu unseren Aufgaben gehört hat, das Planfeststellungsverfahren abzuwickeln. Das ist ein spezielles Verwaltungsverfahren über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Vorhaben und Infrastrukturmaßnahmen, für das auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung nötig war. Ursprünglich hat es 3 Geschäftsführer gegeben, Michael Seeber, Martin Leitner und mich. Gemeinsam mit einem Team aus Ingenieuren haben wir alles in die Wege geleitet, damit wir einen Baubescheid bekommen. Dabei ist es uns gelungen, das umfangreiche Verfahren in nur 1,5 Jahren abzuwickeln und einen positiven Baubescheid zu erhalten. Wir haben im Frühjahr 2016 mit dem Bau begonnen, fertig sein mussten wir im November 2016. Das war deshalb nötig, weil man im Frühjahr mit der Begrünung und allen Arbeiten im Gelände für die IGA starten musste. Seit 2021 ist die Leitner Seilbahn Berlin GmbH wie schon erwähnt nur mehr für die technischen Belange zuständig. Seit 2021 bin ich jetzt mit Herrn Igor Terzariol Geschäftsführer der Leitner Seilbahn Berlin GmbH.

 

Wie viele Mitarbeiter hat das Unternehmen, wie wurden sie ausgebildet?

Wir haben einen Betriebsleiter aus Österreich, der seit 2017 für die Leitner Seilbahn Berlin GmbH arbeitet. Dazu haben wir in den Kernfunktionen Mitarbeiter wie z. B. Elektriker, Schlosser oder Maschinisten, die ihre spezielle Aus- oder Weiterbildung in Österreich absolviert haben. In Summe beschäftigt die Leitner Seilbahn Berlin GmbH im Sommer 20 bis 21 Mitarbeiter, im Winter sind es ca. 8 Mitarbeiter. In dieser Zeit haben wir keinen durchgängigen Betrieb, nur in den Ferienzeiten wie Weihnachten und Semesterferien. Im Winter werden dann auch die Revisionen und Überprüfungen gemacht.

 

Wie sind die Aufgaben im urbanen Bereich im Vergleich mit dem Tourismussegment?

Man muss sagen, dass es sich bei der Seilbahn „Gärten der Welt“ nicht um eine urbane Bahn als Teil des ÖPNV handelt, weil sie in Berlin nicht in den ÖPNV integriert ist. Dennoch fährt sie natürlich im urbanen Umfeld. Die Aufgabe der Seilbahn ist es, Besucher zu den „Gärten der Welt“ zu bringen. Entsprechend der Öffnungszeiten für die „Gärten der Welt“ fährt demnach auch die Seilbahn, also von 10 Uhr morgens bis 19 Uhr. Ende Oktober wird die Seilbahn geschlossen. Der Sommerbetrieb startet dann wieder im März.

 

„Die Bewohner von Marzahn benutzen die Seilbahn sehr viel“

Die Mittelstation wurde am Kienberg platziert. ©LEITNER

Die Mittelstation wurde am Kienberg platziert. ©LEITNER

Wie viele Fahrten gab es anlässlich der IGA, wie viele insgesamt bis heute?

Wir konnten von Mitte April 2017, also mit dem Start der IGA, bis zum Oktober 2017 rund 3,3 Mio. Fahrten mit der Seilbahn verzeichnen. Man kann also wirklich sagen, dass eine Fahrt mit der Seilbahn zu den Attraktionen der IGA gehört hat und wirklich gut angenommen wurde. Nach Abschluss der IGA hat sich die Anzahl der Fahrten bei rund 1 Million pro Jahr eingependelt, manchmal etwas mehr, mal etwas weniger.

 

War damals die Integration der Bahn in den ÖPNV Thema? Wie ist da der aktuelle Stand der Dinge?

Während der IGA oder auch davor war die Einbindung der Seilbahn in den ÖPNV nicht Thema. Mit Ende der Veranstaltung ist ein solcher Wunsch, sind solche Begehrlichkeiten aber immer mal wieder aufgetaucht. Die Berliner Verkehrsbetriebe/BVG als Träger des ÖPNV in Berlin haben dem Wunsch bisher nicht entsprochen. Mittlerweile gibt es allerdings auch von politischer Seite Tendenzen, die einer Eingliederung der Seilbahn in den ÖPNV nicht abgeneigt sind. Beschlüsse, das tatsächlich umzusetzen, wurden bisher nicht gefasst.

 

Wie kommt die Seilbahn in der Bevölkerung an, gibt es Rückmeldungen?

Als wir 2015 im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens die Seilbahn vor rund 600 Besuchern präsentiert haben, war viel Skepsis vorhanden. Da war man der Meinung, dass Seilbahnen ihre Aufgaben nur im alpinen Raum, in den Bergen, wirklich gut erfüllen können. Diese Skepsis hat sich im Lauf der Zeit gelegt. Die Bewohner von Marzahn haben ihre Seilbahn liebgewonnen und benutzen sie tatsächlich sehr viel. Sie möchten sie auch nicht mehr hergeben. Bei den Verhandlungen zur Verlängerung des Seilbahnbetriebs haben die Verantwortlichen aus Marzahn auch sehr deutlich gemacht, dass es ihnen wichtig ist, dass die Seilbahn bis 2033 weiterbetrieben wird – und das mit einer Option auf Verlängerung.

 

Wie siehst Du die Möglichkeiten urbaner Seilbahnen im deutschsprachigen Raum, hat sich die Bereitschaft zum Bau einer Seilbahn erhöht?

Bisher wurde der Bau von Seilbahnen in europäischen Städten vor allem vor dem Hintergrund der komplexen rechtlichen Vorgaben und Genehmigungen als sehr schwierig erachtet. Deutschland hat sich der Sache jetzt angenommen, im Verkehrsministerium hat sich eine Arbeitsgruppe mit den Grundlagen beschäftigt, die für den Bau einer Seilbahn wichtig und zu beachten sind. Es gibt in deutschen Städten auch einige interessante Projekte, die immer wieder ins Blickfeld gerückt werden. Ich denke, dass man mit dem Leitfaden “urbane Seilbahnen im öffentlichen Nahverkehr“ jetzt auch ein wichtiges Hilfsmittel zur Hand hat, damit man Seilbahnen im städtischen Bereich in die Verkehrsplanung einbeziehen kann. Natürlich muss man aber weiterhin an der Akzeptanz für Seilbahnen im urbanen Kontext arbeiten, das Bild einer Seilbahn für Bergregionen ist einfach immer noch dominant. Klimakrise und Verkehrsprobleme oder auch Beispiele aus anderen europäischen Ländern wie etwa Frankreich werden aber sicher dazu beitragen, hier etwas zu bewegen.

lw

Blick von der Seilbahn in Richtung Station Marzahn, Eingang Gärten der Welt. ©Ole Bader

Blick von der Seilbahn in Richtung Station Marzahn, Eingang Gärten der Welt. ©Ole Bader

Seilbahnbetrieb für die nächsten 10 Jahre gesichert

Die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz sichert den Betrieb der Seilbahn in den Gärten der Welt für die nächsten 10 Jahre, also bis zum 31. Dezember 2033. Insgesamt stehen im Landeshaushalt 15 Millionen Euro zur Verfügung, um die Seilbahn langfristig als attraktives Verkehrsmittel und direkte Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zur Erschließung der Gärten der Welt, des Kienbergparks und des Wuhletals zu erhalten. Auf dieser Grundlage haben die landeseigene Grün Berlin GmbH sowie die Leitner Seilbahn Berlin GmbH den Vertrag über den technischen Betrieb um zehn Jahre verlängert. Dazu Bettina Jarasch, Senatorin für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz: „Berlins Seilbahn ist seit fünf Jahren ein attraktives zusätzliches Mobilitätsangebot für die Berliner*innen und Gäste der Stadt, die die Gärten der Welt besuchen möchten. Gleichzeitig ist sie ein Best-Practice-Beispiel für stadtverträglichen und innovativen Tourismus. Neben einer klimafreundlichen Anreise bietet die Seilbahn eine atemberaubende Aussicht über den Park und die Stadt. Aber auch viele Anwohner*innen nutzen die Seilbahn für den Weg von Hellersdorf nach Marzahn und zurück. Daher freue ich mich, dass wir den Betrieb der Seilbahn für die kommenden zehn Jahren sichern können. Auf dieser Grundlage prüfen wir jetzt Wege, die Seilbahn besser mit dem ÖPNV zu verzahnen.“

Und Christoph Schmidt, Geschäftsführer Grün Berlin GmbH, ergänzt: „Mehr als eine Million Besucher*innen besuchen die Gärten der Welt jährlich. Um den stetig steigenden Besucher*innenzahlen gerecht zu werden und das einzigartige Erlebnisangebot dauerhaft weiterzuentwickeln, ist die Seilbahn ein wichtiger Nachhaltigkeitsbaustein. Als barrierefreie und komfortable Anbindung an den ÖPNV trägt sie dazu bei, den individuellen Anreiseverkehr per Pkw insbesondere vor Ort zu reduzieren und dient gleichzeitig den Anwohnenden als attraktives Verkehrsmittel.“